Ironman Blog #3: Fifty Shades of Tri – die Zeit rennt! 50 Tage bis Vichy

von Stefan Drexl für tri2b.com | 11.07.2015 um 07:14
… swim, bike, run – eat, sleep, repeat! Ehe ich mich versehe, sind es gerade einmal noch 50 Tage bis zu meiner ersten Langdistanz. Es ist viel passiert in den letzten Wochen und Monaten. Unzählige Trainingseinheiten, drei Wochen fasten, zwei Trainingslager und die ersten Rennen sind auf meinem Weg zum Ironman Vichy absolviert: Ein neuer Blog ist also längst überfällig!

 

Wir befinden uns Mitten in der europäischen Triathlonsaison und während die letzten Vorbereitungen auf den Challenge Roth laufen, jagt ein großes Highlight das Nächste: Jan Frodeno hat in Frankfurt erstmals einen Ironman gewonnen und Marino Vanhoenacker seinen siebten Streich in Klagenfurt vollbracht. Während ganz Europa unter einer Omega-Wetterlage mit Rekordtemperaturen schwitzt, werden die Triathleten nervöser und die Fingernägel immer kürzer. Spekulationen über Neoverbote und Wettkampfverkürzung, wie zuletzt beim Challenge Vichy 2011, ja sogar über Rennabbruch werden während der Taperingphase und den letzten Trainingseinheiten der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung angeheizt. Ich habe zum Glück noch fast acht Wochen bevor ich schließlich selbst am Start meiner ersten Langdistanz beim Ironman Vichy stehe.

Setzt man sich neben Beruf und Familie ernsthaft mit den Anforderungen einer Langdistanz auseinander, so werden einem schnell der zeitliche Aufwand für das viele Training und die erforderliche körperliche Fitness bewußt. Der Formaufbau für eine Triathlon-Langdistanz in individueller Topform ist ein Prozess der normalerweise über Jahre erfolgt. Langfristig betrachtet sind die zurückgelegten Trainingskilometer und -stunden ein wichtiges Erfolgskriterium, Für ambitionierte Freizeitsportler ist das meist eine ganz besondere Herausforderung und verlangt viel Geduld, Ruhe und Toleranz von dessen persönlichem Umfeld. So ein Projekt zu meistern, erfordert in der Regel eine erhebliche Anzahl an Trainingsstunden und am besten sogar einen Trainer für die Trainingsplanung, der den Trainingsverlauf im Auge behält, um am Tag X  perfekt vorbereitet, gesund und hundert Prozent fit zu sein.

 

Unser täglich Brot und das Lebensgefühl als Triathlon-Profi

Wer mich kennt, der weiß, dass ich leidenschaftlich gerne und viel trainiere. Auch nach 25 Jahren Triathlon hat sich das nicht geändert. Aber nur das optimale Gleichgewicht von Alltag und Training erhält die Motivation und bildet die optimalen Voraussetzungen für einen nachhaltige Leistungsaufbau und den Erhalt der Gesundheit. Diese Balance zu schaffen war nicht immer einfach, aber mittlerweile habe ich das gut im Griff. Natürlich ist es ein riesiges Privileg, dass ich meine sportliche Leidenschaft und Faszination für Triathlon auf eine besondere Art und Weise auch mit meinem Beruf verbinden konnte. Seit fast zwei Jahrzehnten verdiene ich mein „täglich Brot“ zwar nicht als Profi-Triathlet mit meinen sportlichen Leistungen, sondern vielmehr durch das Coaching von Triathleten verschiedener Altersgruppen und Leistungsstufen sowie als Autor und Redakteur mit dem Schreiben von Fachartikeln, Reportagen, Interviews und Portraits. Ich bin im Triathlon und in dieser Subkulturen selbst zu Hause, kenne die Strukturen, Gesetzmäßigkeiten und verstehe die Individuen, ihre Emotionen und kann das Lebensgefühl glaubwürdig wiedergeben. So gesehen, bin ich doch fast auch ein Triathlon-Profi.

 

Organisation im Triathlon erhält die Balance

Alleine die Tatsache, dass meine Frau und mittlerweile auch unsere Kinder seit einigen Jahren erfolgreich im Triathlon zu Hause sind, erleichtert mir einiges. Das war natürlich nicht immer so. Noch während des Studiums kamen unsere zwei Kinder zur Welt und das war schlicht und einfach nicht mit meinen sportlichen Ambitionen vereinbar. Zwar war Training zu dieser Zeit möglich, an Leistungssport oder Wettkämpfe war jedoch nicht zu denken. Wer jedoch einmal Leistungssport gemacht, der weiß, dass es irgendwann wieder kribbelt, einen die Motivation packt und man wieder ernsthafter zu trainieren beginnt. Hat man schließlich wieder ein bestimmtes Leistungsniveau erreicht, dann möchte man’s auch wieder ganz genau wissen und ist bereit mehr Zeit zu investieren. In all den Jahren haben wir viele Erfahrungen gesammelt und an richtiger Planung und Organisation dazugelernt. Von der gewonnenen Routine unseres „Triathlon-Life-Balance“ können wir heute profitieren, ohne dass dabei die Qualität im Beruf und unser soziales Leben auf der Strecke bleiben. Gerade im Frühjahr und Sommer starten unsere Tage früh, durch das Training auf meine erste Langdistanz noch einmal etwas früher: 25 Stunden Training und 12 Trainingseinheiten pro Woche mit 400 km auf dem Rad, 20 km im Wasser und 60 – 80 km Laufen wollen schließlich irgendwie untergebracht werden!

 

Von der Trainings-Monotonie in den Triathlon-Modus: Saisonauftakt mit Kienle und Bracht

Nach zwei wunderbaren Trainingslagern mit Freunden in der Toskana und mit meiner Frau am Gardasee standen schon die ersten Triathlon-Rennen an, die endlich Abwechslung in den monotonen Tagesablauf brachten. Es war Zeit erstmals die Form zu testen und dafür reisten wir ins badische Forst. Für meinen Sohn war der erste Stop des DTU Jugend Cup auf dem Plan und so nutzte ich die Gelegenheit um am Heidesee Triathlon über die Kurzdistanz zu starten. Für den Saisonauftakt war das Starterfeld jedenfalls spektakulär: Mit dem Deutschen Meister 2014 der Langdistanz, Timo Bracht und Sebastian Kienle, Hawaii Sieger und Ironman Weltmeister 2014 am Start. Ein Highlight der Saison 2015 mit Seltenheitswert. Als Redakteur hatte ich die beiden Triathlon Profis schon des Öfteren zum Interview, gemeinsam an der Startlinie war allerdings Premiere. Im Wasser rechnete ich mir zugegebenermaßen noch leichte Chancen aus und kam immerhin gemeinsam mit Sebi zum ersten Wechsel. Wir stiegen auch noch zusammen auf’s Rad, was aber dann geschah, brauche ich wohl nicht weiter ausführen: OFF and AWAY he was! Das lag sicher nur an meinen noch etwas müden Beinen vom vielen Training der vergangenen Wochen. Immerhin reichte meine Leistung, um den zweiten Platz hinter Timo Bracht zu belegen … in der Altersklasse! … mit fast zehn Minuten Rückstand! Der Tagessieg des Heidesee Triathlon 2015 ging an Hawaii Sieger Sebastian Kienle vor Timo. Spektakulär war Frederic Funk, der den Profis erst davon schwamm und auch auf dem Rad auf Augenhöhe war. Der Junior des Bayerischen Triathlon Kaders wurde sensationeller Dritter mit nicht einmal drei Minuten Rückstand auf Kienle.

 

Die härteste Triathlon Kurzdistanz

Die zweite Station der jungen Saison 2015 waren vier Wochen später die bayerischen Berge. Eher kurzfristig und aus dem Training heraus hatte ich mir zum fünften Mal in 25 Jahren den Sixtus Schliersee Alpen Triathlon vorgenommen. Die härteste Kurzdistanz mit dem legendären Ritt über den Spitzingsattel nach 1,5 km Schwimmen und über 30 Kilometer auf dem Rad bereitet stets Schmerzen.  Spätestens beim 11,5 km langen Crosslauf durchs Valepp und um den Spitzingsee. Warum ich mir das antue? Das kann ich ganz einfach beantworten: Ich tu es mir nicht an – ich liebe es einfach!

 

Duell der Triathlon-Generation: Dieselmotor gegen Raketenantrieb

Nach Heidesee und Schliersee war Rothsee an der Reihe – das Triathlon-Spektakel mit der Sprintdistanz am Samstag. Es stand erneut eine Premiere an, die für mich als Vater etwas ganz Besonderes bedeutete: Unser erstes Vater-Sohn-Duell im Triathlon. Ganze 16 Jahre hatte ich mich darauf vorbereitet, mental und körperlich, all die Jahre hart trainiert, mich wie einst Rocky zurück zu alter Form gekämpft, die Ernährung umgestellt, jedes Gramm Körperfett gezählt und neue Trainingsmethoden ausprobiert. Jetzt endlich war der Tag der Tage gekommen – und ging auch ganz kurz und! Schmerzlos vorbei! Die erste Hälfte der 750 m war ich noch optimistisch, bis zur ersten Boje sind wir immerhin noch gemeinsam geschwommen – doch dann war die Lücke da. 15 Sekunden Abstand nach meinem Sohn kam ich aus dem Wasser, weitere 30 verlor ich im Wechsel. Auf dem Rad längst nicht so spritzig, wuchs mein Rückstand auf über eine Minute zu den jungen Triathlon Raketen. Endlich auf Touren kam der „Dieselmotor“ eim abschließenden Laufen. Für eine Sprintdistanz allerdings zu spät, denn da war bereits das Ziel. Das erste Vater-Sohn-Duell endete 0:1 – absolut verdient! Im Ergebnis waren es gesamt der 3. und 6. Platz, in den jeweiligen Altersklassen beide Mal das Podium mit Platz 2 in der Jugend A und Platz 3 im Sprint der Männer. Das Ergebnis war an diesem Tag eher Nebensache für mich. Was soll ich sagen? Es macht mich einfach unglaublichen glücklich und stolz mit welcher Begeisterung mein Sohn Triathlon macht und dass wir diese Leidenschaft teilen dürfen. Es zeigt mir, dass wir im Grunde alles richtig gemacht haben. 

 

Triathlon, die drei Disziplinen, das Training und der Wettkampf haben einen unantastbaren Stellenwert in meinem Leben. Dass meine ganze Familie und eine Großteil unserer Freunde mit dieser faszinierenden Sportart und dem besonderen Lebensstil verwurzelt sind, ist ein wahres Glück. Dennoch legt jeder Wert auf ein Leben abseits unseres wunderbaren Sports, um nicht völlig zum Sozialzombi zu verkommen. Ich freue mich daher auch jedes Jahr wieder auf die ruhige Zeit nach der Saison und auf die verschneiten Berge mit dem Snowboard steigen. Anders, aber auch verrückt!

Wir sehen uns: Keep on Swimming, Cycling and Running – and keep the Balance!