Peter Sauerland: Dem Radtraining wird oft ein zu hoher Stellenwert beigemessen

von tri2b.com | 20.12.2009 um 00:00
Eine der wohl am eifrigsten und oft auch kontrovers diskutierten Frage in der Vorbereitung auf einen Ironman ist die nach dem Trainingsumfang. Reichen für ein Ankommen schon fünf Stunden Training oder müssen es 20 Stunden sein. Gerade berufstätig und familiär fest eingebundene Athleten können oft nur wenig Zeit für den geliebten Triathlonsport aufbringen. Trotzdem soll aber einmal ein Ironman-Finish im Palmares stehen. tri2b.com hat dem langjährigen Trainer (u.a. von Alexander Taubert, Josef Spindler und Clemens Coenen) und Sportreiseveranstalter Peter Sauerland genau diese Fragen gestellt.

tri2b.com: Mit was für einem durchschnittlichen Trainingsumfang ist ein Langdistanztriathlon mit gutem Gewissen wirklich zu empfehlen?
Peter Sauerland (P. S.) Mit einem Umfang von 10-12 Stunden in der Woche ist es kein Problem das Training so zu gestalten, sehr vernünftig einen Ironman zu finishen. Durchaus auch mit einer anständigen Zeit, wenn eine gewisse Trainingsbasis vorhanden ist. Und ganz wichtig nicht mit ständigem Gehen beim Laufen. Schließlich macht es wenig Spaß nach 16 Stunden ins Ziel zu kommen und dann vielleicht 6-7 Stunden auf der Marathonstrecke unterwegs gewesen zu sein. Der Schwerpunkt liegt bei diesem eigentlich ja geringen Trainingsumfang für eine Langdistanz ganz klar auf der Rad- und Laufdisziplin. Schwimmen wird dann maximal zweimal die Woche angesetzt. Ziel ist es, die Schwimmlage so zu stabilisieren, dass der Athlet nicht schon total kaputt nach 3,8 km Schwimmen aus dem Wasser kommt. Die Vorbereitung sollte natürlich nach einem angepassten Trainingskonzept gestaltet werden. Am besten holt man sich hier Rat und Unterstützung von einem erfahrenen Trainer. Ohne Plan, nur nach Lust und Laune wird es nicht klappen und irgendwann verlieren die Athleten dann die Motivation. Beispielsweise bringt es nichts, an einem Tag 150-180 km zu fahren und dann wieder 5 oder 6 Tage nichts zu machen, weil man sich regenerieren muss.

tri2b.com: Oft stellt sich auch die Frage nicht nur nach den Trainingsstunden, sondern auch nach den realisierten Kilometern, insbesondere auf dem Rad. Wie viele sollten es den sein?
P.S.: Die Summe der Kilometer, die man für einen Ironman in den Beinen haben sollte, richtet sich immer auch am Zeitbudget der Athleten aus. Viele unterschätzen im Vorfeld die normale Arbeitsbelastung. Es wird oft die Rechnung aufgemacht „Ich komme ja um 17 Uhr heim und kann dann auch unter der Woche gut trainieren.“ Vergessen wird aber, dass sie vorher 8 oder 10 Stunden mit ihrem Job beschäftigt waren. Auch wenn es oft nur eine sitzende Tätigkeit ist, ist dies keine Erholungsphase. Deshalb bringt es nichts, den Trainingsplan eines Profis etwas abzuspecken und dann danach zu trainieren. Profis haben normalerweise neben dem harten Training auch die Zeit entsprechende Ruhephasen einzulegen. Wenn zum Beispiel Amateure vor der Arbeit schwimmen und dann am Abend auf das Rad oder zum Laufen gehen - dann ist zwar eine entsprechende Zeitspanne zwischen den Einheiten, aber eben keine Ruhephase, wie sie eigentlich für qualitativ hochwertiges Training wünschenswert wäre.

tri2b.com: Gibt es eine allgemeine Empfehlung hinsichtlich der Verteilung der Rad- und Laufumfänge?
P.S.: Bei der Aufteilung der Umfänge ist darauf zu achten, dass das Lauftraining nicht zu kurz kommt. Insbesondere im Winter sollte das Laufen mehr im Fokus stehen. Ich denke in Deutschland wird dem Radtraining oft ein zu hoher Stellenwerten beigemessen. In der Spitze sieht man es ja mittlerweile in fast jedem Rennen, die Entscheidung um den Sieg fällt erst auf der Marathonstrecke. Für Amateure gilt, dass die Zeit sprichwörtlich wegläuft, wenn es einmal mit längeren Gehpausen anfängt. Dann bringt es mir überhaupt nichts, wenn ich mich auf dem Rad um vielleicht eine Viertelstunde verbessert habe und dann aber in den Laufschuhen das doppelte oder dreifach an Zeit liegen lasse. Viele Amateure laufen nur 30 oder 40 km in der Woche, selbst im Winter, wenn ein Schwerpunkt sinnvoll wäre. Fahren dann aber im Frühjahr 500-600 km pro Woche Rad im Trainingslager auf Mallorca oder Lanzarote und wollen sich so für Hawaii qualifizieren. Das wird normalerweise nicht funktionieren, denn solche Athleten brechen dann oft nach guter Radzeit auf der Laufstrecke ein.

tri2b.com: Also mehr laufen. Wie sollte begleitend das Radtraining im Wintertraining ausschauen?
P. S.: Beim Radtraining sehe ich das oft auch angepriesene Training auf der Rolle kontrovers. Manche wollen oder gehen im Winter 3 bis 4 Stunden im Keller auf die Rolle. So was sollte man meiner Meinung nach schnell wieder vergessen. Dass haben schon viele Profis probiert und es bringt nicht viel. Besser finde ich das Radausdauertraining im Freien auf das Mountainbike zu verlegen. Auf der Rolle kann aber in einer Einheit von 45-60 Minuten mit hohen Trittfrequenzen an der Tritttechnik gefeilt werden oder mit schweren Widerständen ein Kraftprogramm gefahren werden. Das alles ist aber wie gesagt alles nach einer Stunde erledigt. Mit solch einer Basis kommt man dann auch schnell im Frühjahr auf der Straße wieder gut ins Rollen.

tri2b.com: Eine viel diskutierte Frage ist auch ,wie oft die sogenannten Longjog´s auf dem Trainingsplan stehen sollten und wie lange man da unterwegs sein soll?
P. S.: Ich bin ein klarer Verfechter der längeren Läufe. In der Vorbereitung sollte man mehrmals Läufe über 30 km gemacht haben und öfter so um die 20 km. Es ist auch nicht verkehrt längere Kombieinheiten zu machen. So bringt es den Athleten mehr, wenn er statt sechs Stunden Radfahren nur fünf Stunden im Sattel sitzt und dafür noch eine Stunde Laufen hinten dranhängt. Es ist ein besserer Trainingsreiz und wenn das Grundniveau entsprechend vorhanden ist, dann sind die Athleten oft sogar weniger kaputt, als wenn sie extrem lang auf dem Rad sitzen.

tri2b.com: Apropos lange Läufe. Viele Hobbyathleten möchten gerne in der Vorbereitung auf den Ironman auch noch einen Frühjahrsmarathon mitnehmen. Ist das aus trainingsmethodischer Sicht wirklich ratsam?
P. S.: Ich bin kein Freund von diesen Frühjahrsmarathons, wie zum Beispiel Hamburg Ende April, wenn wir über die Vorbereitung auf eine europäische Langdistanz im Juli sprechen. Das bringt am Ende nichts. Man braucht drei Wochen, um wieder ins volle Triathlontraining einsteigen zu können, wenn der Marathon ambitioniert gelaufen wurde. Und eben mal den Marathon als Training zu laufen, ist ebenfalls nicht optimal. Mehr als 30 km zu laufen ist extrem belastend für das Bindegewebe und die Muskulatur. Allerdings finde ich es sehr gut, wenn man über den Winter im Abstand von circa vier Wochen bis in den März hinein an Läufen über 5 bis 10 km teilnimmt. Gerade Athleten, die einen geringen Trainingsumfang haben, können diese kurzen Distanzen optimal zum Tempotraining nutzen.

tri2b.com: Dann gibt es natürlich auch noch die Frage nach den sogenannten Vorbereitungstriathlons. Welcher Zeitraum, welche Distanz und Häufigkeit ist sinnvoll?
P. S.: Wenn die Saison richtig los geht, die Sonne scheint, dann sind viele Athleten natürlich heiß auf Wettkämpfe. Als Einstieg würde sich ein Kurzduathlon anbieten. Dann kann ein Triathlon über die Kurz- oder Sprintdistanz zur Schulung der Wettkampf- und Tempohärte folgen. Eine Mitteldistanz kann bis vier Wochen vor der als Hauptwettkampf geplanten Langdistanz als Aufbaurennen absolviert werden.

tri2b.com: Wie schaut es mit der Intensität aus, wenn sich der Gesamttrainingsumfang so um die zehn Trainingsstunden pro Woche einpendelt?
P. S.: Gerade Athleten die wenig Zeit für das Training haben, müssen auch mit ein wenig Intensität reingehen. Es geht darum, im Bereich der geplanten Wettkampfgeschwindigkeit zu trainieren. Es bringt also nichts, zum Beispiel 1.000 Meter Intervalle in maximaler Intensität zu laufen und eine Geschwindigkeit zu trainieren, die nicht mal im Einzelwettkampf über 10 km oder einem Halbmarathon realisiert werden kann. Viele trainieren aber sehr gleichförmig in einer mittleren Intensität und wundern sich dann, dass nichts mehr vorwärts geht und sie aber trotzdem oft ziemlich vom Training erschöpft sind. Oft wird dann aber versucht, über noch mehr Training dies zu kompensieren. Mit dem Effekt, dass sie Schritt für Schritt ins Übertraining abrutschen und es meist gar nicht merken. Je länger sich die Athleten in solch einen Übertrainingszustand hinein bewegen und in den Keller trainieren, desto länger dauert es, auch da wieder rauszukommen. Die Saison ist dann formtechnisch meist gelaufen.