Ironman Hawaii 2017: Deutscher Kräftevergleich um den Lava-Thron

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 13.10.2017 um 04:35
Im Armdrücken sieht sich Sebastian Kienle gegenüber Jan Frodeno am Samstag vorne. In der Tat kam der Sieger von 2014 beim angedeuteten Muskelkräftevergleich der Oberarme auf der Prerace-Pressekonferenz am Donnerstagvormittag in Kona etwas besser weg. Der schlaksige Jan Frodeno konnte zumindest hier nicht ganz mithalten, ansonsten spricht aber sehr viel für den Sieger der beiden vergangenen Jahre.

Jan Frodeno sah sich die Szenerie auf der Pressekonferenz relativ gelassen an und war dann ebenso schnell verschwunden, wie er zuvor gekommen war. Der gebürtige Kölner könnte am Samstag mit einem weiteren Triumph am Alii Drive ein weiteres Kapitel Sportgeschichte schreiben. Frodeno wäre erst der dritte Mann, dem in der nun 39-jährigen Geschichte des Ironman Hawaii ein Titelhattrick gelingt. Nur die Ironman-Ikonen Dave Scott und Mark Allen gelang dies bisher, wohlgemerkt in der Triathlon-Vorzeit. Ebenso wäre er auch in Deutschland dann unangefochten die Ironman-Nummer-Eins.

 

Gibt es diesmal ein offensives Rennen?

 

Frodeno ließ in den diversen Interviews zwischen den Zeilen auch schon durchblicken, was die Konkurrenz am Samstag ab 6:35 Uhr Ortszeit dann so erwarten könnte. Der Olympiasieger von 2008 sprach davon, dass ihm ein schnelles Schwimmen in einer kleinen Gruppe gefallen könnte. Ebenso war aus seinem Mund zu hören, dass auf dem Rad hier auch Zeiten im niedrigen 4:10er Bereich möglich sein sollten. Normann Stadlers Radrekord aus dem Jahr 2006 (4:18:23 Stunden) könnte also wackeln. Einerseits, wenn Frodeno bei guten Bedingungen eine Flucht nach vorne wagt und gleichzeitig die starken Radfahrer wie Sebastian Kienle und Lionel Sanders, entsprechend unter Druck gesetzt,  ebenso "All Out" fahren müssen. Ein Rennszenario bei dem Patrick Lange dann so richtig auf dem Rad gefordert wäre. Der Vorjahresdritte betonte aber gleich mehrmals in den letzten Tagen, dass vielleicht so ein Rekordlauf wie im Vorjahr gar nicht nötig ist, um ums Podium mitkämpfen zu können. Der aus Bad Wildungen stammende Lange schöpft seinen Mut hier aus einer deutlich verbesserten Radform. Und Kienle? Der nahm zuletzt mit einigen Aussagen etwas den Druck aus dem ausgelobten Duell mit Dauerkonkurrent Jan Frodeno und ließ dafür den Bizeps sprechen.

 

Frodenos Gegner ist auch die Statistik

 

Was gegen Frodeno spricht ist die Statistik. Mark Allens Titelhattrick wurde 1991 aufgestellt und wurde dann sogar zu fünf Siegen in Folge ausgebaut. Danach war Schluss mit den Seriensiegen. Nur Tim DeBoom aus den USA (2001/2002) und der Australier Craig Alexander (2008/2009) gelang wie zuletzt Frodeno noch eine Titelverteidigung. Ebenso gab es noch nie vier deutsche Siege in Serie auf Big Island. Genau vor zehn Jahren war diese einmalige Chance da, doch Faris Al-Sultan und Normann Stadler konnten mit einem Magen-Darminfekt erst gar nicht antreten (Al-Sultan) bzw. mussten frühzeitig aufgeben (Stadler). Ein sehr bitteres Beispiel, das zeigt, dass beim Ironman Hawaii immer, trotz aller bis ins Detail geplanter Trainingsmethodik und Materialoptimierung, auch das Quäntchen Glück eine Rolle spielt. Ein deutsches Dreifachpodium, wie man es auf der Prerace-Pressekonferenz auch nochmal bewundern durfte, sollte daher nicht als zukünftige Normalität angenommen werden.

Denn die versammelte Konkurrenz wartet nur darauf, dass die Germans um Frodo und Co. vielleicht etwas schwächeln. Die Reihe der Mitfavoriten ist groß. Die größten Stücke werden dabei auf Lionel Sanders gehalten. Der Kanadier hat zwar noch kein wirklich vernünftiges Kona-Ergebnis im Palmares stehen, aber allein die physischen Möglichkeiten auf dem Rad und in den Laufschuhen, in Verbindung der zuletzt stark verbesserten Schwimmform machen Sanders zum heißen Podiumskandidaten. Dazu hätte eigentlich auch der Brite Tim Don gezählt, der allerdings am Mittwoch bei einem Radunfall mit einem Auto einen Wirbelbruch erlitt und das Rennen nur am Bildschirm vom Krankenbett aus verfolgen kann.

 

Frauenrennen: Daniela Ryf klare Favoritin auf dem Papier

 

 Bei den Frauen ist die Favoritenrolle noch klarer verteilt. Der Sieg geht am Samstag nur über Daniela Ryf. Wenn die Schweizerin in Normalform durch den harten Kona-Tag kommt, dann dürften die Konkurrentinnen wohl nur noch um Rang zwei kämpfen. Richtungsweisend war Ryfs Aufritt bei der Ironman 70.3 WM in Chattanooga. Nach dem gesundheitlichen Problemen im Frühjahr war die Schweizerin dort der Konkurrenz weit voraus und zeigte nicht die Spur einer Schwäche. Vorbereitet hat sich die Streckenrekordhalterin zuletzt auf der Nachbarinsel Maui, um für die wabernde Hitze Konas gerüstet zu sein.

Hinter der Schweizerin könnte es dann durchaus eng werden. Anja Beranek sieht hier ähnliche Athletinnen wie im Vorjahr als gesetzt für die Top Ten an. Beranek, im Vorjahr Vierte, sieht sich hier dabei und deutete auch an, dass an einem schlechten Tag von Daniela Ryf alles ganz schnell noch mehr zusammen rücken könnte. Sonja Tajsich, die vor fünf Jahren schon einmal als Vierte ganz nah dran am Kona-Podium war, erhofft sich an einem guten Tag in diese Phalanx einbrechen zu können. In der schwülen Luft von Florianopolis lieferte die Regensburgerin Ende Mai beim dortigen Ironman eine solche Leistung ab. Spannend wird auch die Rückkehr der Britin Rachel Joyce, die nach ihrer Babypause auch ohne Vorjahresergebnis auf der Pressekonferenz geladen war. Nicht ohne Grund. In den Jahren 2013 bis 2015 stehen drei Podiumsplatzierungen in Folge auf dem Alii Drive in ihrem Palmares. Dazu kommen noch zwei aktuelle Ironman-Siege in der Saison 2017. Vielleicht wird das Rennen um die "Queen of Kona" doch spannender als angenommen. 


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