Lubos Bilek: Triathleten fahren entweder zu schnell oder zu langsam

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 09.03.2015 um 00:55
"Das war die härteste Radeinheit, die ich jemals gefahren bin. Coach, ich hasse dich. Aber am Renntag werde ich dich dafür lieben". So kommentierte Sebastian Kienle eine der letzten Ausfahrten vor dem Ironman Hawaii 2013, die ihm sein Trainer Lubos Bilek auferlegt hatte. Das Ergebnis ist bekannt. Kienle schaffte es als Dritter erstmals auf das Podium in Kona. Lubos Bilek scheint ein Händchen dafür zu haben, dass seine Athleten ihr Leistungspotenzial zum richtigen Zeitpunkt voll abrufen können. Insbesondere überzeugen seine Topathleten, unter anderem betreut der gebürtige Tscheche auch Andi Böcherer und Svenja Balzen, durch Spitzenleistungen auf dem Rad. Ein Grund bei Bilek nachzufragen, wie auch Hobbytriathleten zu noch besseren Radfahrern werden können.

tri2b.com Wenn die wärmende Sonne endlich zum Radfahren einlädt, ist die Motivation groß zum Kilometer-Fressen. Wie sollten die ersten Radeinheiten im Frühjahr ausschauen, hinsichtlich Dauer, Intensität und Häufigkeit, wenn kein Trainingslager im Süden absolviert wird?
Lubos Bilek (L.B.): Als Ausgangsbasis ist es natürlich gut, wenn im Winter zumindest einmal in der Woche auf dem Mountainbike oder der Rolle etwas gemacht wurde. Mit vier Monaten ganz ohne Radfahren ist der Einstieg sonst schon sehr schwer. Am Anfang sollte ganz strikt im ruhigen Grundlagenbereich gefahren werden. Diese Art des Trainings sollte vier bis sechs Wochen beibehalten werden. Um Abwechslung rein zu bringen, sind kurze Sprints bis maximal zehn Sekunden zum empfehlen. Hier sucht man sich auf der Tour Anhaltspunkte, wie zum Beispiel einen Baum am Straßenrand und fährt dann die Sprints. Höhere Intensitäten über mehrere Minuten sollten in dieser ersten Phase aber vermieden werden.

tri2b.com Viele Athleten vernachlässigen im Frühjahr, wenn das Radfahren mehr Zeit einnimmt, das Lauftraining. Wie bringt man beides unter einen Hut, wenn die Trainingszeit knapp bemessen ist?
L.B. Nur noch Radfahren sollte nicht vorkommen. Ein möglicher Rhythmus könnte sein, in der einen Woche dreimal Rad zu fahren und zweimal Laufen, in der folgenden Woche dann dreimal Laufen und zweimal Radfahren zu trainieren. Das ganze sollte natürlich an die Witterung angepasst werden. Also bei Top-Radwetter am Wochenende nur die Radeinheiten trainieren. In einer Woche mit Regenwetter sollte dann mehr gelaufen werden. Außerdem kommen viele berufstätige Triathleten unter der Woche so spät aus der Firma, das sowieso kein Radtraining bei Helligkeit mehr möglich ist. Auch dort kann dann mit einer Stunde Zeit eine vernünftige Laufeinheit trainiert werden.

tri2b.com Welche Zeitdauer sollten lange Radausfahrten im Vorfeld eines Ironman mindestens haben? Was siehst Du als ideal?
L.B. Die normale lange Radeinheit, dreimal im Monat, sollte von der Belastung drei bis um die vier Stunden dauern. In dieser Zeitdauer stellt sich der Stoffwechsel komplett auf die Langzeitbelastung ein. Wird noch länger gefahren, tut sich stoffwechselmäßig nichts mehr. Ich empfehle trotzdem, einmal vor einem Ironman einen 200er zu fahren, der ist aber vor allem für den Kopf. Ansonsten bietet es sich wie folgt an, zu steigern: 1. Woche 100 km, 2. Woche 120 km und dritte Woche 140 bis 150 km.

tri2b.com Wenn ein Hobbytriathlet dreimal in der Woche Zeit für ein Radtraining hat: Wie sollten Zeitdauer und Intensitäten verteilt sein?
L.B. Es könnte so ausschauen: Unter der Woche eine Einheit von eineinhalb bis zwei Stunden im Grundlagentempo, dabei acht Sprints über zehn Sekunden einbauen. Am Samstag dann die intensive Einheit über zwei Stunden, als Belastung könnten zum Beispiel vier Mal zehn Minuten oder drei Mal 15 Minuten im Ironman-Tempo gefahren werden. Am Sonntag folgt dann als dritte Einheit noch eine längere, ganz ruhige Radausfahrt. Die Einheit mit den Sprints ist auch die ideale Einheit, wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht.

tri2b.com Welche Empfehlung kannst Du zum Koppeltraining geben.?
L.B. Ich empfehle grundsätzlich als Triathlet ganzjährige Koppeltrainings zu machen. Im Winter kann das Skilanglauf und Laufen oder Mountainbike und Laufen sein. Allerdings alles im ruhigen Grundlagenbereich. Ab Mitte April kann dann mehr Intensität rein kommen. Wenn man hart laufen will, dann bietet sich das nach einer kurzen Radeinheit an, wie der beschriebenen Einheit mit den Sprints. Zum Beispiel 50 km Radfahren und 20 km Laufen. Wenn auf lange Radeinheiten gekoppelt wird, dann bietet sich ein kurzer Anschlusslauf über 2 Kilometer an, um die erste Umstellung zu trainieren. Lange Radfahren und langer Koppellauf sind nicht sinnvoll.



Lubos Bilek

Der 34-jährige Tscheche war von 2006 bis 2011 Landestrainer beim Triathlonverband Baden-Württemberg. Seit 2011 betreut der studierte Sportwissenschaftler mit seiner in Kirchzarten bei Freiburg ansässigen Firma LB-Training Profi- und Hobbytriathleten. Zu seinen derzeitigen Aushängeschildern gehören Sebastian Kienle /(3. Ironman Hawaii 2013, Ironman 70.3 Weltmeister 2012/2013, Andreas Böcherer und Svenja Bazlen. Die erste Topathletin, die Bilek trainierte, war Ricarda Lisk (2006-2009, 2011/2012)
www.lb-training.com

tri2b.com Welche Empfehlung gibt es hinsichtlich der Radverwendung. Sollte möglichst alles auf dem Wettkampfrad, sprich Zeitfahrrad, trainiert werden, oder ganz bewusst auch mit dem normalen Renner?

L.B. Grundsätzlich ist es gut, wenn man die finanziellen Mittel hat, sowohl ein Triathlonrad und ein normales Rennrad fürs Training zu haben. Im Winter macht es zum Beispiel Sinn, draußen mit dem Renner oder MTB zu fahren und auf der Rolle das Zeitfahrrad einzuspannen. So wird das teure Triathlonrad vom Winterdreck geschont und man kann auf der Rolle auch immer wieder die Zeitfahrposition simulieren. Ab dem Frühjahr wäre dann die Radeinheit mit den Sprints ein Training, welches gut mit dem Renner zu fahren ist. Das Intervalltraining im Ironman-Tempo ist ein Training für die Zeitfahrmaschine. Die lange ruhige Einheiten können im Wechsel gefahren werden, wobei im Frühling noch verstärkt auf dem Rennrad, in Richtung Saisonhöhepunkt dann mehr auf dem Zeitfahrrad.

tri2b.com Wenn man Altersklassen-Triathleten mit Profis vergleicht: Wo gibt es neben der Leistung die größten Unterschiede beim Radfahren?

L.B. Beim Material ganz sicher nicht (schmunzelt). Da sind manche Agegrouper besser ausgestattet als so mancher Profi. Bei der Technik werden die Unterschiede allerdings sehr deutlich. Meine Profis können auch 150er Trittfrequenzen fahren. Die meisten Hobbytriathleten haben da mit der neuromuskulären Ansteuerung so ihre Probleme. Deshalb üben wir dies in einminütigen Frequenzintervallen. Zum Beispiel 1 min. 100 Umdrehungen, 1 min. 110 Umdrehungen, 1 min 120 Umdrehungen und so weiter. Wer in kurzen Intervallen 150 Umdrehungen sauber fahren kann, der schafft dann auch einen Ironman mit 90 bis 100 Umdrehungen zu fahren. Die, die schon mit 100 Umdrehungen im Training ihre Mühe haben, die fallen dann auf der Langdistanz auf 70 bis 80 Umdrehungen ab. Dort ist dann der Krafteinsatz so hoch, dass dadurch beim Laufen nicht mehr viel geht.

tri2b.com Oftmals wird auch versucht die extremen Sitzpositionen der Pros zu übernehmen?

L.B. Versucht ja, aber richtig umsetzen geht dann aufgrund von Einschränkungen in der Beweglichkeit und fehlender Athletik nicht. Hobbytriathleten machen vielleicht zweimal 30 Minuten Stabi-Training in der Woche. Im Profibereich sind es oft 5 bis 6 Einheiten in der Woche, die für die Rumpfstabi und Beweglichkeit absolviert werden. Nur mit dieser Basis sind auch Sitzpositionen möglich, wie sie beim den Triathlonprofis gefahren werden.

tri2b.com Gerade Radfahren hat für viele Triathleten auch einen Genussfaktor, so dass die Kaffeepause im Eiskaffee bei einer längeren Radausfahrt bei vielen dazu gehört. Ist so ein "Einkehrschwung" aus trainingsphysiologischer Sicht vertretbar?

L.B. Bei längeren ruhigen Radausfahrten sind kurze Pausen, inklusive einem Kaffee und einer Kleinigkeit zum Essen absolut okay. Bei einer ganz langen Tour über 180 km können es auch mal zwei Pausen sein. Deswegen hat das Training immer noch einen Effekt. Grundsätzlich ist es ja so, dass im Hobbybereich die ruhigen Einheiten fast ausnahmslos zu schnell gefahren werden, nach dem Motto, der 30er Schnitt muss gehalten werden. Dabei bringt für die Allermeisten eine 150-km-Tour im 25er Schnitt (6 Std. Fahrzeit) viel mehr, als im 30er Schnitt das Ganze in 5 Stunden herunter zu reißen. Andererseits wird dann beim Intervall- und Tempotraining nicht richtig drauf gedrückt. Diese Gleichförmigkeit bei der Intensitätsgestaltung ist allgemein das große Problem der Triathleten. 

tri2b.com Zum Abschluss Dein Tipp: Mit welcher Einheit überprüft man am besten, ob man auf dem Rad in Topform ist?

L.B. Mit den Profis gehen wir auf eine Teststrecke, auf der wir Referenzwerte aus der Vergangenheit haben. Das Gleiche bietet sich auch für ambitionierte Altersklassen-Athleten an. Am besten eine verkehrsarme Wendepunktstrecke über fünf Kilometer, so dass sich durch Hin- und Rückweg der Gegen- und Rückenwind egalisiert. Die gefahren Zeiten, und wenn verfügbar die Wattleistungen, geben dann Aufschluss über den Leistungsstand.