Fleisch, vegetarisch oder vegan: Welche Ernährung gewinnt im Triathlon?

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 27.04.2015 um 12:23
"Für Veganer geeignet", ein Hinweis, der aktuell immer öfter auch auf den Beschreibungen von spezieller Sporternährung, wie Energy-Gels und -Riegel zu lesen. ist. Vegane Ernährung, der komplette Verzicht von Nahrungsmitteln die tierischem Ursprungs sind, ist aktuell stark im Trend. Aber ist dieser Trend auch für Triathleten eine Empfehlung, oder ist es besser sich "Normal" zu ernähren? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir erst mal folgendes klären: Wie sieht die optimale Ernährung für einen Ausdauersportler überhaupt aus und zwar im Hinblick auf die grobe Zusammensetzung.

Und hier gilt die Maxime:
Für einen ambitionierten Triathleten ist es wichtig, dass er je nach Trainingssituation die entsprechende, angepasste Menge an hochwertigen Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten zuführt. Ebenso ist eine optimale Versorgung mit Mikronährstoffen sehr wichtig für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Diese periodisierte Zufuhr ist letztendlich die Zielvorgabe.

"Wie diese Vorgabe erfüllt wird, ist erst einmal sekundär," erklärt die Ernährungsexpertin Caroline Rauscher : Kohlenhydrate kommen aus pflanzlichen Lebensmitteln, Proteine aus pflanzlichen und tierischen Quellen, ebenso wie Fette. "Egal, ob vegan, vegetarisch oder „normal“, alle drei Richtungen können die jeweils erforderliche Makronährstoffversorgung an sich erst einmal sicherstellen."

Hintergründe für den Wechsel der Ernährungsgewohnheiten

In der Regel sind es neben gesundheitlichen Erwägungen auch ideologische Hintergründe, die einen Athleten dazu bewegen, seine Ernährung auf vegetarisch oder vegan umzustellen. "So kann natürlich eine Abkehr von dieser Einstellung auch wiederrum zu einer Änderung der Ernährungsweise führen. Es können aber auch ganz triviale Gründe sein, nämlich, dass der Appetit auf tierische Lebensmittel einfach zu groß wird und deshalb eine vegane bzw. vegetarische Ernährungsphase beendet oder unterbrochen wird," weiß Rauscher zu berichten.

Wenn man sich intensiv mit den Inhaltstoffen (Mineralstoffen, Aminosäuren etc.) von Lebensmitteln auseinandersetzt, um gerade im Mikronährstoff- und Proteinbereich bei der veganen Ernährung die optimalen Kombinationen zu finden, dann ist das schon zeitaufwendiger und auch im Alltag, z.B. Essen im Restaurant, nicht so leicht zu bewerkstelligen wie mit einer „normale Ernährung“. Auch das ist nach Rauschers Erfahrungen ebenfalls ein Grund, warum Athleten öfters z.B. von vegan auf vegetarisch oder „normal“, mit reduziertem tierischen Anteil zurückkehren.

"Was ich auch schon öfters beobachtet habe bei meinen Athleten, ist, dass die vegane Basisernährung konsequent eingehalten wird, im sportlichen Regenerationsbereich jedoch schon auf Proteine tierischen Ursprungs zurückgegriffen wird", beschreibt Rauscher eine Möglichkeit, um sowohl der persönliche Ideologie als auch den Anforderungen einer Sportart-gerechten Ernährung
gerecht zu werden.



Caroline Rauscher

Caroline Rauscher hat Pharmazie studiert, zahlreiche Weiterbildungen in den Bereichen Offizinpharmazie und Ernährung gemacht und bietet individuelle Sporternährungs-Konzepte an. Sie betreut mit ihrer Firma Nutritional-Finetuning (www.nft-sport.com) u.a. die Biathletin Andrea Henkel, Ski-Langläufer Tobias Angerer, Alpin-Star Viktoria Rebensburg sowie die Triathleten Andreas Böcherer, Julia Gajer, Daniela Sämmler, Stefan Schmid, Andi Giglmayr, Eva Wutti und Yvonne van Vlerken.

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Wann umstellen?

Vorsicht ist allerdings beim Zeitpunkt einer Umstellung der Ernährungsgewohnheiten geboten. "Es ganz normal ist, wenn es am Anfang evtl. z.B. zu leichten Verdauungsproblemen kommt, weil sich der Körper einfach auch auf die teilweise ungewohnten Lebensmittel, z.B. mit einem erhöhten Ballaststoffanteil oder anderen Proteinen gewöhnen muss. Deshalb sollten Umstellungen mit dem entsprechenden Abstand zu Trainingshochphasen und wichtigen Wettkämpfen durchgeführt werden.

Der Vergleichs-Check: Normale Ernährung mit Fleischverzehr, vegetarische Ernährung und vegane Ernährung im Alltag und leistungsorientieren Triathlontraining


Normale Ernährung mit Fleischverzehr

Deckung des Energie-Bedarfs: Sowohl im Alltag, als auch als Basisernährung im Training kann der jeweilige Energie- und Makronährstoffbedarf gedeckt werden.
Überversorgung/Mangelerscheinungen: Grundsätzlich entstehen im Hinblick darauf keine Probleme, wenn sich der Athlet angepasst an die Belastung und entsprechend des Energieverbrauchs ernährt.

Häufigkeit des Fleischverzehrs als leistungsorientierter Triathlet? Je nach Lust und Laune. Um die zweimal pro Woche hochwertiges Fleisch ist in Ordnung. Hochwertig bedeutet keine Massentierhaltung, regionale Erzeuger und optimalerweise Bioqualität.

Was muss/sollte substituiert werden (Nahrungsergänzung)? Substituiert sollte grundsätzlich nur auf der Basis von Laborwerten werden, also nicht einfach mal ins Blaue mal diese oder jene Tablette rein schmeißen. Anhand aussagekräftiger Laborparametern und anderen Aspekten, wie z.B. Grunderkrankungen, Medikamenteneinnahme, Trainingsphase etc. kann dann entschieden werden, ob und welche Nahrungsergänzung sinnvoll ist.

Vegetarische Ernährung

Deckung des Energie-Bedarfs: Sowohl im Alltag, als auch als Basisernährung im Training kann der jeweilige Energie- und Makronährstoffbedarf gedeckt werden.

Überversorgung/Mangelerscheinungen: Grundsätzlich entstehen im Hinblick darauf keine Probleme, wenn sich der Athlet angepasst an die Belastung und damit den Energieverbrauch ernährt. Stoffe wie Kreatin, Carnosin (Puffersubstanz in der Zelle) und Carnitin können möglicherweise problematisch werden, da die Ausgangsaminosäuren vorrangig in tierischen Lebensmitteln in entsprechenden Mengen vorkommen. (Zu diesem Ergebnis kamen diese Woche übereinstimmend unabhängige Wissenschaftler aus 16 verschiedenen Nationen bei einer entsprechenden Fachkonferenz.)

Was muss/sollte substituiert werden (Nahrungsergänzung)? Genau wie bei der „normalen“ Ernährung sind auch hier aussagekräftige Laborwerte und Athletendaten die Voraussetzung für eine Entscheidung ob substituiert werden soll.

Vegane Ernährung

Deckung des Energie-Bedarfs: Sowohl im Alltag, als auch als Basisernährung im Training kann der jeweilige Energie- und Makronährstoffbedarf gedeckt werden.

Überversorgung/Mangelerscheinungen:
Grundsätzlich entstehen im Hinblick auf Überversorgungen keine Probleme, wenn sich der Athlet angepasst an die Belastung und damit dem Energieverbrauch entsprechend ernährt.

Für Triathleten mit hohem Trainingsumfang sind Proteine/Aminosäuren in der Basisernährung sehr wichtig. Ausreichend essentielle Aminosäuren, welche vom Körper nicht selber hergestellt werden können und die Zufuhr deshalb über die Nahrung erfolgen muss, sind in sogenannten "first-class“ oder „kompletten“ Proteinen enthalten. Das sind z.B. Milchprodukte, Eier, Fisch, Fleisch. Jedoch können sogenannte “second class“ Proteine, die aus pflanzlichen Quellen stammen, untereinander kombiniert werden, so dass dadurch“ komplette“ Proteine entstehen und der tägliche Bedarf an essentiellen Aminosäuren so gedeckt werden kann.
Während intensiver Trainingsphasen ist die Zufuhr von bestimmten essentiellen Aminosäuren aber gegebenenfalls ratsam. ACHTUNG: Einnahmedisziplin, Menge unbedingt angepasst an den Athleten! Nicht einfach viel zu niedrig dosierte Präparate aufs Geradewohl schlucken.

Beispiel für die Kombination von "second-class" Proteinen:
-Getreide + Hülsenfrüchte
-Getreide + Nüsse oder Samen
-Hülsenfrüchte + Nüsse oder Samen etc.

Bei der Lebensmittelauswahl ist ein besonderes Augenmerk auf die Versorgung mit der Aminosäure Methionin zu legen: sie ist u.a. an der Synthese von Kreatin, Carnitin, Adrenalin im Körper beteiligt. Eine Zufuhr in Form von Nahrungsergänzungsmitteln hat sich in Untersuchungen als nutzlos heraus gestellt. Die Blutspiegel von Kreatin, Carnosin (Puffersubstanz in der Zelle) und Carnitin sind laut Aussagen der Wissenschaftler noch niedriger als bei der vegetarischen Ernährung, da wie gesagt die Ausgangsaminosäuren vorrangig in tierischen Lebensmitteln in entsprechenden Mengen vorkommen.

Was muss/sollte substituiert werden (Nahrungsergänzung)?
Genau wie bei der „normalen“ Ernährung sind auch hier aussagekräftige Laborwerte und Athletendaten die Voraussetzung für eine Entscheidung, ob substituiert werden soll. Bestimmte Mikronährstoffspiegel sind jedoch sorgfältig im Auge zu behalten: Zink, Vitamin B12, DHA (Docosahexaensäure, Omega 3 Fettsäure), Jod, Vitamin D, Vitamin A, Eisen und Taurin (Aminosäure): man findet diese Aminosäure in hohen Konzentrationen in der Skelett- und Herzmuskulatur. Sie ist an wichtigen Stoffwechselvorgängen beteiligt, wie z.B. an der Regulierung des osmotischen Drucks, Wirkung als Antioxidans etc. Wird Taurin zugeführt, dann muss dies gemäß einer intelligenten Einnahmedisziplin erfolgen!

Fazit der Ernährungsexpertin Caroline Rauscher:


Vegetarische Diäten werden mit einer Anzahl von möglichen gesundheitlichen Vorteilen in Zusammenhang gebracht: Erniedrigtes Risiko im Bereich Herzerkrankungen, niedrigere LDL Cholesterinspiegel, niedrigerer Blutdruck, niedrigeres Typ 2 Diabetes Risiko, niedrigerer BMI, etc.
Diese möglichen gesundheitlichen Vorteile lassen sich aber nicht durch die Vermeidung von Fleisch und anderen tierischen Produkten alleine erklären. Wahrscheinlich ist der Hauptfaktor, der erhöhte Konsum von vollwertiger Pflanzenkost: Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Samen, Nüsse, Bohnen. Diese Art der Ernährung ist natürlich verknüpft mit einer erhöhten Zufuhr von wertvollen Nährstoffen, wie Ballaststoffen, Antioxidantien, Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen.

Verarbeitete Lebensmittel lassen diese Stoffe vermissen. Erhöht man bei der „normalen“ Ernährung ebenfalls dieses Segment, dann profitiert diese auch enorm davon. Es ist falsch gesundheitsbewusste vegetarische/vegane Ernährung einer Junkfood Ernährung stellvertretend für eine „normale Ernährung“ gegenüberzustellen. Ich denke es ist richtig, wenn man sagt, dass jede Ernährungsform ihre Vor- und Nachteile hat. Keine ist die „einzige Wahrheit“.