Anne Haug: Man gewinnt leider keine Olympiamedaille, indem man davon träumt

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 09.05.2016 um 15:54
Anne Haug hat sich Ende April beim Rennen der ITU World Triathlon Series in Kapstadt mit Rang vier endgültig die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro gesichert. Die WM-Zweite des Jahres 2012 kann sich nun in Ruhe auf die Olympiaentscheidung am 20. August in Rio vorbereiten. Derweil absolviert Haug ein Trainingscamp im Club La Santa auf Lanzarote, wo sie uns für ein Interview zur Verfügung stand.

tri2b.com: Wie groß ist die Genugtuung, sich mit so einem tollen Rennen wie in Kapstadt die endgültige Quali für Rio geholt zu haben?
Anne Haug (A.H.): Die Erleichterung war schon sehr groß. Am liebsten hätte ich sie natürlich schon in Abu Dhabi geholt und war daher ziemlich unzufrieden mit meinem Rennen dort. Ich hatte eine super Trainingsform und war leider nicht im Stande, sie zu zeigen. Der Druck in Kapstadt hat dann schon etwas Positives für mich gehabt. Dort „musste“ ich dann Leistung zeigen, da ich nicht nach Yokohama fliegen wollte.

tri2b.com: Nach den guten Trainingsergebnissen war der Saisonstart in Abu Dhabi eher ernüchternd. Kommt man da ins Grübeln? Oder ist das eine Situation, die Dich noch zusätzlich motiviert?
A.H.: Klar ist man sehr geknickt nach so einem Rennen, da die Trainingsleistungen wirklich sehr gut waren. Aber Triathlon ist eben kein Selbstläufer. Alle anderen sind auch topfit. Um sehr gute Ergebnisse abrufen zu können, muss alles stimmen. Eine gute Fitness ist Grundvoraussetzung und dann muss einem auch noch ein perfektes Rennen gelingen.

tri2b.com: In den letzten beiden Jahren haben Dich immer wieder Verletzungen zurück geworfen. Spürst Du immer noch Nachwehen der Verletzungen, die Dich im Training irgendwie beinträchtigen?
A.H.:  Naja, ich war ehrlich gesagt doch sehr überrascht, wie sehr mich dieser Sturz in London Anfang 2014 zurückgeworfen hat. Normalerweise hatte ich immer eine sehr gute Laufform, aber nach einem halben Jahr fast kompletten Stillstandes habe ich mir doch schwerer getan, als gedacht. Erst seit dieser Saison fühle ich mich wieder fit und schnell im Laufen.

tri2b.com: Wie viel fehlt noch zur Form der Jahre 2012/2013, als Du in der World Triathlon Series Zweite beziehungsweise Dritte wurdest?
A.H.:  Ich denke, meine Form ist wieder ziemlich genau dieselbe, aber die Rennen haben sich seitdem einfach stark verändert. Das Schwimmen ist so viel schneller geworden und die Mädels in der ersten Radgruppe können jetzt auch verdammt schnell Radfahren beziehungsweise sind gewillt zusammen zu arbeiten. Das macht es fast unmöglich, von hinten noch alleine in diese Gruppe zu fahren, wie ich es die Jahre zuvor gemacht habe. Ich denke sogar, dass meine Schwimmform viel besser ist, als noch vor drei Jahren, aber ich nicht mehr so einfach in die erste Gruppe fahren kann. Daher sind meine Ergebnisse entweder sehr schlecht - weil ich die Gruppe verpasst habe - oder sehr gut - weil ich drin bin.

Bildrechte: Bob Foy/Club La Santa

tri2b.com: Du kannst Dich jetzt in Ruhe auf Rio vorbereiten. Wie schaut die Zeit bis in den August für Dich aus?
A.H.: Es ist ein großer Luxus, sich nur noch auf ein Rennen konzentrieren zu können. Im Moment befinde ich mich im Trainingslager auf Lanzarote im Club La Santa, da ich hier optimale Trainingsbedingungen vorfinde. Ende Mai werde ich dann bei der EM in Lissabon an den Start gehen und bei der WTS-Serie in Leeds starten. Anschließend steht ein langer Höhentrainingsblock in St. Moritz an.

tri2b.com:  Im Vorjahr hattest Du beim Testrennen auf dem Olympiakurs in Rio Dein bestes Saisonrennen, warst Siebte und hast die Quali-Norm gepackt. Liegt Dir der Kurs besonders? Was sind die Besonderheiten?
A.H: Das Gute am Olympischen Triathlon ist, dass es nur eine Runde zu Schwimmen gibt. Das heißt, die Anschwimmgerade zur ersten Boje ist sehr lang (500-600m) und das Geprügel ist einfach ein Vielfaches weniger. Das kommt mir sehr zugute, da es sich mehr nach Schwimmen, als Nahkampftraining anfühlt. Zudem ist der Radkurs mit dem 25 Prozent steilen Stich sehr selektiv, so dass jeder dort leiden muss.

tri2b.com: Du konntest dort im letzten Jahr beim Olympia-Testrennen auf den Tag genau Bestform abrufen, was auch wieder am 20. August gefordert ist, wenn die Medaillen vergeben werden. Ist das Glück, Tagesform, oder kann man das im Kurzdistanz-Triathlon wirklich planen?
A.H.: Das ist natürlich schon geplant. Ich habe mit Dan Lorang einen der besten Trainer im Triathlonzirkus. Er kennt mich seit 10 Jahren - wahrscheinlich besser als ich mich selbst kenne. Er plant diesen Tag schon sehr lange und weiß genau, was ich brauche, um am Tag X meine beste Leistung abrufen zu können. In der Vergangenheit hat das immer super funktioniert und ich habe 100-prozentiges Vertrauen, dass er mich in Topform an den Start bringt.

tri2b.com:  Ralf Ebli sieht Dich als Kandidatin mit einer Medaillenchance. Wo siehst Du Dich selbst?
A.H: Klar träumt jeder Athlet von einer Medaille bei den Olympischen Spielen. Das ist die Krönung aller täglichen Leiden. Dafür motiviert und quält man sich im Training. Aber man gewinnt leider keine Medaille, indem man davon träumt. Das einzige, was man tun kann, ist jeden Tag nutzen und sein absolut Bestes geben. Wenn man es dann schafft, an der Startlinie zu stehen und sagen zu können, man ist bestmöglichst vorbereitet und hätte nicht mehr machen können, hat man schon gewonnen. Jetzt muss man „nur“ diese Form auf den Asphalt bringen. Denn mehr kann man nicht beeinflussen. Ob es zu dann zu einer Medaille reicht, liegt nicht in meinen Händen. Ich versuche mich mehr auf ein optimales Rennen zu konzentrieren, bei dem ich mein absolutes Maximum abrufen kann, als an eine Medaille zu denken.

Bildrechte: Bob Foy/Club La Santa

tri2b.com: Im letzten Jahr hat die US-Amerikanerin Gwen Jorgensen komplett dominiert. Wie schätzt Du die internationale Konkurrenz aktuell ein?
A.H: Ich glaube bei Olympia sollte man niemanden unterschätzen. An diesem Tag wird jeder top vorbereitet an der Startlinie stehen. Natürlich wird Gwen diejenige sein, die es zu schlagen gilt. Aber Olympia hat schon oft gezeigt, dass es seine eigenen Gesetzte hat und nicht immer die hochgehandelten Favoriten gewinnen.

tri2b.com: Rio werden Deine zweiten Olympischen Spiele, Du bist mittlerweile im fortgeschrittenen Kurzdistanz-Alter. Wie könnte es nach Olympia weiter gehen. Reizen Dich längere Distanzen?
A.H.: Meine Planung geht aktuell bis zum 20. August. Danach werde ich sehen und entscheiden was mein Körper noch zu bieten hat. Aber solange ich noch schnell genug für die Kurzdistanz bin und sehe, dass ich noch Leistungspotential habe, reizt mich diese viel mehr als längere Strecken. Ich liebe den Kampf gegen andere und nicht so sehr den gegen mich selbst.

tri2b.com: Eine Woche nach Südafrika bist Du in Deiner Heimat Bayreuth beim Maisel´s FunRun auf der Halbmarathonstrecke gestartet. Wie war es dort?
A.H:
Sehr schön. Ich verbinde immer etwas Besonderes mit dem Maisel´s FunRun. Er war einer meiner ersten Läufe und so etwas wie eine Initialzündung für meine Karriere. Auch werde ich seit Jahren von der Brauerei Maisel auf meiner Karriere begleitet. Daher versuche ich, wenn immer es möglich ist, dort an den Start zu gehen. Da der Lauf eine Woche nach Kapstadt war und ich gleich die Woche darauf wieder in ein hartes 14-tägiges Trainingslager gereist bin, durfte ich zwar nur mit angezogener Handbremse laufen, aber so hatte ich wenigstens die Gelegenheit ein bisschen zu genießen :-).

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