Carolin Lehrieder: Der Traum vom Profistart auf Hawaii lebt weiter

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 03.05.2022 um 12:25
Die Würzburgerin Carolin Lehrieder gehört bei der am 7. Mai stattfindenden Ironman World Championship in St. George zu den Athletinnen, die sich bereits im Herbst 2019 qualifiziert haben. Lehrieder gewann damals den Ironman Italy in Cervia und wartet seitdem auf ihren WM-Start. Wir haben mit der Athletin des Team Erdinger Alkoholfrei über die nun zweieinhalbjährige Wartezeit und die finale Vorbereitung gesprochen.

tri2b.com: Du hast dich schon im September 2019 für den Ironman Hawaii 2020 qualifiziert. Dann kam Corona und für dich eine superlange Zeit in der Warteschleife. Kannst du im Schnelldurchlauf erzählen, wie du damit umgegangen bist und wie du jetzt die WM-Lösung in St. George einschätzt?
Carolin Lehrieder (C.L.): Das Jahr 2019 lief wirklich gut für mich. Erst der fünfte Platz in Roth, dann der Ironman-Sieg in Italien, verbunden mit der Profiquali für Hawaii, was immer mein Traum war. Dieser Flow wurde mir dann mit dem Beginn von Corona genommen. Tatsächlich ist es auch jetzt etwas unreal, da meine Quali schon so lange her ist und nun endlich das Rennen ansteht Eines habe ich in den letzten zwei Jahren ganz sicher gelernt, man muss flexibel bleiben. Wir sind alle froh, dass es endlich wieder einmal ein großes Rennen gibt, bei dem die versammelte Weltspitze aufeinander trifft. Das Feld dünnte sich leider in den letzten Tagen immer mehr aus. Aber das ist halt Triathlon, es ist immer eine Gratwanderung. Der erste Schritt ist es einfach fit, gesund und glücklich an die Startlinie zu kommen.  Auch mich hat es jetzt leider nach der Anreise erwischt. Ich bin noch zuversichtlich bis zum Raceday rechtzeitig fit zu werden - die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Was das Training an sich angeht habe ich aber von der langen Corona-Rennpause sicher profitiert. Ich konnte mich als Athletin weiterentwickeln und habe in den zwei Jahren einen Leistungssprung gemacht.  Das gibt mir viel Selbstbewusstsein und jetzt freue ich mich darauf zu sehen, wo ich in so einem Weltklassefeld stehe. 

tri2b.com: Du warst im März beim Ironman 70.3 Dubai am Start, bist Sechste geworden und dabei u.a. auf Laura Philipp und Daniela Ryf getroffen, die beide mit als Maßstab gelten. Was hast du davon in die finale Vorbereitung mitgenommen und wo könnte es im Idealfall für dich am kommenden Samstag hingehen?
C.R.: Mitteldistanz und Langdistanz sind zwei verschiedene Sachen. Da ist es grundsätzlich schwer die Leistung hochzurechnen und jetzt in St. George wohl noch schwerer, da ich dort aufgrund der Streckenbedingungen kein schnelles Rennen erwarte. Durch die anspruchsvolle Topografie wird es wohl ein zähes und sehr kraftbetontes Rennen werden, was vielleicht andere Athletentypen bevorteilt. Man benötigt wahrscheinlich gar nicht die hohe Grundgeschwindigkeit, die auf der Mitteldistanz da sein muss, um dort konkurrenzfähig zu sein. Ich will jetzt bei der WM vor allem die Quali für Kona schaffen. Es gibt acht Plätze und da schon einige der Mädels die Quali haben, wird es einen Roll-Down geben. Wir gehen davon aus, dass eine Top-15 Platzierung für das Kona-Ticket reichen wird. Dann könnte mein Traum vom Profistart auf Hawaii doch noch in diesem Jahr in Erfüllung gehen.
Ich denke das so fünf, sechs Frauen gesetzt sind für die vorderen Plätze. Dahinter ist viel möglich. Man kann aber mit einem sehr guten Rennen auch schnell nur 14. werden, denn auch bei uns Mädels ist die Leistungsdichte deutlich gestiegen. 

Rolling Hills: Carolin Lehrieder beim Training auf dem Race-Course der Ironman WM - © David Williams

tri2b.com: Wie schätzt du die Strecke und die äußeren Bedingungen ein?
C.L.: Ich gehe nicht davon aus, dass es leichter wird als auf Hawaii. Die trockene Wüstenhitze ist schon genauso hart wie die Schwüle auf Hawaii, zumal es in der Früh eher frisch ist und sich das dann im Tagesverlauf extrem verändert. Durch die vielen Höhenmeter auf dem Rad und insbesondere beim Laufen erwarte ich ein sehr faires, absolut WM-würdiges Rennen und bin selbst gespannt, wie ich mit so einem anspruchsvollen Kurs zurecht kommen werde. 

tri2b.com: Welche Optionen hinsichtlich des Material-Setups hältst du dir offen?
C.L.: Ich habe eigentlich immer ein sehr gutes Gefühl mit hohen Laufrad Profilen: Ich bin kein 50 Kilo-Mädel und wenn ich auf dem Rad sitze, dann fährt das auch mit ordentlich Wind noch geradeaus ;)  Hinten werde ich auf jeden Fall mit der brandneuen DT Swiss-Scheibe unterwegs sein und vorne wohl ein 80er fahren. Das ist eine schnelle Kombi mit meinem Canyon. Falls die Bedingungen extrem werden sollten, habe ich aber auch ein flacheres Vorderrad als Back-Up im Gepäck.

Carolin Lehrieder beim Test des Race-Setups - © David Williams

tri2b.com: Viele deiner Konkurrentinnen haben in der Vorbereitung auf Höhentraining gesetzt. Du warst selbst nur auf Sealevel unterwegs. Warum?
C.L.: Ich war bisher noch nie im Höhentrainingslager und von daher wollten wir jetzt kein Risiko in der unmittelbaren Vorbereitung eingehen. Sicher lässt sich damit ein neuer Reiz setzen, zumal ich ja schon länger im Geschäft bin und man immer überlegt, wo im Training noch Veränderungen möglich sind. Wir haben aber auch ganz bewusst Wert darauf gelegt, dass ich viel im Kraftausdauerbereich mache um für die Höhenmeter gewappnet zu sein. Gerade in meinem letzten Trainingsblock in Kroatien bin ich nochmal lange Anstiege gefahren und habe auch lange Berganläufe integriert.. 

tri2b.com: Kommen wir nochmal zu Hawaii zurück. Steht Kona wirklich über allem? Du kennst die mystischen Strecken bereits von deinem Altersklassen Start im Jahr 2013, als du Dritte in der Agegroup 18-24 wurdest.
C.L.: Ich muss schon sagen eine WM auf Hawaii ist halt unsere WM und die WM in St. George ist jetzt unser Corona-Kompromiss. Mit einer WM in die Saison zu starten ist sehr ungewöhnlich. Ich finde es passender, wenn die WM als Highlight am Ende der Saison ansteht. Jetzt haben wir zwei WM-Rennen in einem Jahr und da ist es ganz normal, dass ein Rennen im Schatten des anderen steht. Hawaii wird immer alles überstrahlen. Das zeigt sich jetzt sicher auch in den Absagen einiger Athleten, die nicht bereit sind für St. George ein Risiko einzugehen . Bei Hawaii wird dann doch eher gesagt, das ziehe ich jetzt noch durch, weil die Saison sowieso danach vorbei ist. Wie vernünftig das ist, ist eine andere Frage ;) 

tri2b.com: Gibt’s bei dir schon eine Planung für die Sommersaison bei uns?
C.L.: Ich möchte auf jeden Fall im Sommer eine Langdistanz in Deutschland machen. Wenn ich noch ein Qualirennen für Kona brauche, dann wird das wohl die EM beim Ironman Hamburg, ansonsten stehen mir alle Türen offen und ich kann ich auch etwas auf mein Herz hören.

tri2b.com: Carolin, vielen Dank für das Interview. Wir drücken die Daumen, dass du bis zum Samstag trotz der aktuellen gesundheitlichen Probleme fit an der Startlinie stehst und es mit der Kona-Quali und dem Traum von Hawaii doch noch klappt.