Interview mit Daniel Unger: "Eine Team-Taktik ergibt für uns keinen Sinn"

Jens Richter für tri2b.com | 30.11.2003 um 21:02
Als die sicherste Bank für internationale Top-Platzierungen begann Daniel Unger seine Vorbereitung für diese Saison. Und der Deutsche Meister des Vorjahres hatte sich allerhand vorgenommen: Titelverteidigung in Heilbronn, Top-Platzierung bei der EM und einen gewaltigen Sprung nach vorn in der Weltrangliste. Erst seit dem August ist er, wo er hinwollte.

tri2b.com: Daniel, seit dem Frühjahr kannst du dich ausschließlich auf den Sport konzentrieren. Die Ziele für die Saison hattest Du selbst hoch gesteckt. Doch während die Kollegen im Frühjahr in Florida kräftig punkteten, kam dein Motor nach einem Sprinttriathlon in Schwaben nachhaltig ins Stottern. Was war passiert? 
Daniel Unger (D. U.): Ich hatte schon zum Ende der Saison 2002 ein paar gesundheitliche Probleme. Und das folgende Jahr begann wieder nicht optimal. Das war vor allem für die Deutschen Meisterschaften schade. Bei der EM war ich dagegen schon wieder ganz gut in Form, habe aber beim Schwimmen gehörig Prügel bezogen. Nein, es lief nicht rund, aber mir war die ganze Zeit bewusst, dass vor allem die zweite Saisonhälfte im Hinblick auf Olympia 2004 von großer Bedeutung ist. Das war meine ständige Motivation. 

tri2b.com: Hattest du Zweifel, für die wichtigsten Punkterennen und die WM noch rechtzeitig in Schwung zu kommen? 
D. U.: Nein, zu keiner Zeit. Ich wusste durch die Trainingsergebnisse, dass es eigentlich nicht so schlecht um die Form bestellt sein konnte. 

tri2b.com: Und dann kam gleich eine ganze Serie von Top-Platzierungen im Weltcup zusammen. Gehst du deshalb mit besonderem Selbstvertrauen nach Queenstown oder macht eine Topform im Herbst für einen so späten WM-Termin auch skeptisch? 
D. U.: Es ist psychologisch ein Vorteil, dass es jetzt gleich in mehreren Weltcups zu guten Platzierungen gereicht hat. Natürlich frage ich mich auch manchmal, ob die Form schon zu früh zu gut war, ob ich sie konservieren kann. Aber in Absprache mit Ralf Ebli war der Saisonverlauf eigentlich genau so geplant. Die vergangenen beiden Trainingswochen auf Lanzarote haben mir noch einmal Auftrieb gegeben. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass ich mit einer guten Form im Gepäck ans andere Ende der Welt reisen werde. 

tri2b.com: Wird es sich auszahlen, dass das Deutsche Team die Saison nicht so lang gestreckt hat, wie manch frühsommerlicher Punktesammler aus den vermeintlich stärksten Triathlon-Nationen, zum Beispiel aus Australien, Spanien und Großbritannien? 
D. U.: Diese Frage haben wir im Team auch schon diskutiert. Man kann sie allerdings erst nach dem Wettkampf definitiv beantworten. Es treffen ja zwei ganz unterschiedliche Vorbereitungsmuster aufeinander: Die einen - so auch wir - haben sich speziell auf die zweite Saisonhälfte konzentriert und versuchen, die Form über einen längeren Zeitraum bis zur WM zu halten. Vor allem die Australier und Neuseeländer haben dagegen früh in der Saison Punkte gesammelt und ihr Training danach ganz auf den zweiten Saisongipfel WM konzentriert. 

tri2b.com: Welche Stärken haben deine Teamkollegen auf dem Weltmeisterschaftskurs? Wäre auch eine Mannschaftstaktik im Stil der Spanier eine Option? 
D. U.: Die Spanier haben mit Ivan Rana einen herausragenden Athleten. Bei uns kann dagegen jeder jeden schlagen. Das ist genau der Grund, warum für uns eine solche Team-Taktik weder funktionieren kann noch Sinn ergäbe. Wir haben in Neuseeland nun die Qualifikation für Olympia und jeder deutsche Starter hat auch eine reelle Chance, sich zu qualifizieren. Da wird doch jeder seine Chance wahrnehmen wollen. Ich hoffe, dass wir faire Wettkämpfe haben und die drei besten Athleten nächstes Jahr für Deutschland vom Startponton in Athen springen werden.