Michael Raelert: Mein Ironman-Traum lebt weiter

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 02.09.2015 um 14:13
Der Rostocker Michael Raelert blieb mit Rang fünf bei der Ironman 70.3 Weltmeisterschaft in Zell am See hinter seinen eigenen hoch gesteckten Erwartungen zurück. Wir haben mit dem zweimaligen Weltmeister über die halbe Ironman-Distanz beim Sponsorentermin des Erdinger Alkoholfrei Teams über das WM-Rennen, die weitere Saison und den Zielen für die Zukunft gesprochen.

tri2b.com: Plötzlich ist am Sonntag der Belgier Bart Aernouts von hinten aufgetaucht und hat dir noch Rang vier im Zielkanal weg geschnappt. War dies das i-Tüpfelchen auf ein verkorkstes WM-Rennen?

Michael Raelert (M.R.): Wenn Du übersprintest wirst und damit nicht rechnest - ich wollt mir das Trikot gerade zumachen - dann bist Du schon sehr überrascht und auch sehr enttäuscht. Das war unprofessionell von mir und darf eigentlich nicht passieren. Von der sportlichen Wertigkeit war Bart Aernouts schneller, keine Frage. Aber das war von mir schlecht vorbereitet bzw. ich war nicht gut informiert über die Abstände zum Schluss. Ich war ganz klar körperlich am Limit, aber fünf Sekunden hätte ich schon noch schneller laufen können.

tri2b.com: Dann wär es der vierte Platz gewesen, die undankbarste Platzierung die man bei einer WM erreichen kann?
M.R: Ob ich Vierter, Elfter oder 29ster werde, ist mir persönlich letztendlich nicht egal, aber man fährt nun mal als Profi auf eine WM um zu gewinnen. Jetzt war ich nur Teilnehmer und nicht der die Akzente gesetzt hat. Das ist ein unschönes Gefühl für mich gewesen. Es waren vier Athleten schneller, damit muss ich jetzt leider leben.

tri2b.com: Es sind zwei Tage seit dem WM-Rennen vergangen. Wie fällt das Resümee mit etwas Distanz aus. Du warst beim Schwimmen gut platziert und auch beim Radfahren anfangs sehr gut dabei?
M.R:  Auf dem Rad hab ich mich an dem langen Anstieg sehr wohl gefühlt und hatte dort im Kopf noch sehr viele positive Gedanken gehabt, dass es noch ein sehr schöner Tag für mich wird. Aber wie es manchmal so ist, war von jetzt auf gleich der Akku leer und die Beine schwer. Ich musste mich dann sehr quälen und wusste schon, wenn ich vom Rad steige werden das keine Weltmeisterbeine mehr. Ich konnte nur noch Schadensbegrenzung betreiben bzw. war sehr enttäuscht darüber, dass ich nicht das zeigen konnte, was ich dachte in den Beinen zu haben.

tri2b.com: Du hast vor dem Rennen in einem Interview bei trinews.at spekuliert, dass wohl Laufzeiten von unter 1:10 Stunden für den WM-Sieg nötig sind. Die schnellste Laufzeit war nun 1:14:55 Std. von Bart Aernouts. Weltmeister ist man mit 1:16:32 Std. geworden. Woran lag das?
M.R:  Dafür waren mehrere Faktoren verantwortlich. Das heiße Wetter, da kann man vielleicht ein bis eineinhalb Minuten abziehen, aber vor allem lag es am Radfahren. Es war zwar kein Ausscheidungsfahren, aber es war schon extrem radlastig. Unabhängig von dem Berg wurde sehr viel Wert auf das Radfahren gelegt. Der Kurs hat definitiv allen mehr Substanz gekostet, als wie es auf dem Papier aussah. Mir hat der Kurs wirklich alles abverlangt. Ich und viele andere gingen im Vorfeld von einem schnellen Laufen aus. Dafür habe ich persönlich auch trainiert, hinsichtlich der Motorik und der zu erwartenden Laufgeschwindigkeit. Dass man dann aber doch eher über die Uferpromenade stapft, das hatte ich ehrlich gesagt so nicht erwartet.

tri2b.com:  Mit Andi Dreitz hat ein Teamkollege aus dem Erdinger Alkoholfrei Team das Radfahren mit seiner Attacke sehr schnell und schwer gemacht. Teamtaktik gab´s also keine?
M.R:  Die gab es definitiv nicht. Andi hätte mich auch nicht vor lassen müssen. Ich hätte mich gefreut, wenn er durchgekommen wär. Er meinte auch selbst, beim Radfahren gab es kein taktisches Geplänkel. Jeder fuhr so schnell wie es ging. Andi musste sich beim Lauf dann auch sehr quälen und ich freu mich für ihn, dass er noch Top Ten gemacht hat. Insgeheim haben wir uns einen anderen Rennverlauf gewünscht. Aber ich kam nicht mit und Andi ist nicht durchgekommen.

tri2b.com:  Du kennt auch die früheren Ironman 70.3 WM-Orte Clearwater und Henderson/Las Vegas. Wie fällt der Vergleich aus?
M.R:   Hinsichtlich dem sportlichen Niveau hat sich nichts verändert. Das war auch in den Vorjahren schon extrem hoch. Was mir aufgefallen ist in Zell am See, war die Familienfreundlichkeit. Das Rennen hatte echten Eventcharakter, viele haben die ganze Familie mit an die Strecke gebracht. Sehr oft ist Triathlon nur ein Athletensport. In Zell am See war das anders, die ganze Stadt, die ganze Region hat mit gefiebert, was ich persönlich sehr schön fand und als Athlet auch gespürt habe.

tri2b.com:  Zell am See war dein großes Saisonziel. Wie geht es nun weiter?
M.R: Ich werde mir noch mehr Gedanken darüber machen, was falsch gelaufen ist. Außerdem unterstütze ich jetzt meinen Bruder Andy im Training für den Ironman Hawaii. Hinsichtlich Rennen plane ich für den Herbst auch noch Starts bei qualitativ hochwertigen Mitteldistanz-Rennen. Die persönliche Genugtuung habe ich dieses Jahr leider nicht bekommen, das muss ich aufs nächste Jahr verschieben.

tri2b.com: Wie schaut die Unterstützung für Andy konkret aus?
M.R: Ich werde mit nach Hawaii kommen. An der Startline wird Andy in Kona am Schluss ganz alleine stehen. Davor kann ich ihn aber emotional sehr gut unterstützen und auch den Druck etwas von ihm nehmen.

tri2b.com:  Du hast zwei 70.3 WM-Siege, Sebastian Kienle auch. Jan Frodeno nun einen. Wer wird der erste Deutsche mit drei 70.3-WM-Siegen?
M.R: Ich hoffe ich. Oder besser gesagt, ich wünsche es mir und arbeite dafür. Klar macht man sich nach so einem Wochenende so seine Gedanken. Triathlon macht mir immer noch riesen Spaß und ich bin überzeugt davon, noch die Leistungsfähigkeit zu haben, um Rennen bestimmen zu können. Der Traum ist noch nicht aufgegeben. Auch noch nicht von Hawaii.

tri2b.com: Beim Ironman Zürich bist Du aber ein weiteres Mal an der Langdistanz  gescheitert. Kommt da kein Zweifel auf?
M.R: Definitiv. In Zürich habe ich aber viele Fehler im Vorfeld gemacht. Wenn ich jetzt aber diesen Winter gut durchkomme, dann stehe ich nächstes Jahr irgendwo bei einem Ironman an der Startlinie, qualifiziere mich für Hawaii und versuch dann dort das zu zeigen, was ich denke auch in mir zu haben.

Mehr Infos zu Michael Raelert: www.raelert-brothers.com