Das Specialized Shiv: Kompromisslos aerodynamisch, energiegeladen und passgenau
Triathlon unterlag zwar nie den Regeln der UCI, dennoch stand den Athleten auch nur die selben Räder zur Verfügung, wie den Radprofis. Die monetären Investitionen der Hersteller für Entwicklung und Fertigung, mussten schließlich durch den Umsatz gerechtfertigt werden. Zumindest bisher. Denn zwei Jahre nach der ersten, legalen Version präsentierte Specialized zur Ironman Weltmeisterschaft 2011 auf Hawaii die allererste, triathlonspezifische Waffe:
Das Shiv Tri – ohne Kompromisse, vollkommen illegal nach allen Regeln der Kunst. Es bricht mit mindestens acht Vorgaben des aktuellen UCI-Reglements: Steuerrohr und Unterrohr, Basislenker, Gabel und Sattelstütze übertreffen allesamt das maximal erlaubte Verhältnis für Rohrquerschnitte von 3:1, die Sitzstreben sind zu niedrig platziert, die Sattelspitze kommt näher als 50mm an das Tretlager und es hat eine Verkleidung hinter dem Vorbau. Eines steht fest, das Shiv Tri wird nie am Start einer Tour stehen.
Ohne Limits
Zur Markteinführung setzte Specialized in Kona kurzerhand den zweifachen Ironman Weltmeister Craig Alexander oben drauf und der verbesserte prompt seine Bestzeit auf dem Queen-K um 13 Minuten. Der Australier holte mit dem schnellsten Bikesplit des Tages seinen dritten WM Titel. Der Sache wollten wir auf den Grund gehen und werden das neugestaltete Shiv 2012 in Training und Wettkampf einem intensiven Praxistest unterziehen. Fast jeder Aspekt des neuen Shiv ist auf die Anforderungen im Triathlon und den Renneinsatz ausgelegt: Eine perfekte Sitzposition, eine geringe Stirnfläche und optimale Wasserversorgung. Ohne den Auflagen der UCI waren den Entwicklern nach oben keine mehr Grenzen gesetzt und so konzentriert sich das neue Design auf die drei bedeutende Schlüsselkomponenten: Passgenauigkeit und Sitzkomfort, Energieversorgung und Aerodynamik.
Individualität mit viel Spielraum
Tatsache ist, die meisten Triathleten benötigen eine Lenkerposition, die höher als die der meisten Zeitfahrräder ist, die für Zeitfahrspezialisten entwickelt wurden und die erlaubt ist. Vergleicht man die passende Sitzposition von Stack und Reach des Shiv Tri mit anderen High-Performance-Bikes, so fällt deutlich auf, dass es ein mehrere Zentimeter höheres Steuerrohr als der Durchschnitt seiner engsten Mitbewerber hat. Anstelle eines integrierten Befestigungssystems für Aerolenker, das die Anforderungen einer passgenauen Verstellmöglichkeit begrenzen könnte, verwendet Specialized ein Vorbau- und Spacersystem mit traditionelle großem Einstellbereich, und hat die Abstandshalter so geformt, dass sie sich in den Rahmen einfügen. Ähnlich dem Trek Speed Concept 9.8 kommt das Shiv mit einem Lenker, der in alle Richtungen individuell verstellt werden kann. Ein Tausch der Spacer im integrierten Aerovorbau vergrößert die Sitzlänge um 30 mm. Je nach Lenkerhöhe sorgen Verkleidungsschächte hinter dem Gabelschaft, die Control Towers, mit 0 mm, 25 mm oder 50 mm für einen nahtlosen Übergang von Vorbau zu Rahmen und lassen die Kabelzüge darin verschwinden. Der Aerolenker kann ganz nach den Bedürfnissen des Fahrers eingestellt werden. Armpolster und Aufsatz können in Höhe, Breite und Länge, und der Drehwinkel des Aufsatzes entsprechend der Armhaltung verstellt werden. Somit ist man in der Lage schneller zu fahren, ohne das Gefühl zu haben ständig das Vorderrad abzulecken.
Mit Tragflächeneffekt ohne abzuheben
Das Fahrrad musste natürlich auch aerodynamischer werden und so waren besonders die Positionierung des Trinksystems und der Luftwiderstand zentrale Themen. Selten kommt der Fahrtwind direkt von vorne und so sind Triathleten meist einem Seitenwind von 10 bis 15 Grad ausgesetzt. Die Rohrprofile des Shiv Tri wurden in Form und Größe daher so angepasst, dass der Luftstrom besser herum geleitet wird und sich der Druck nach hinten, unter den Fahrer verlagert. Rahmen und Gabel wurden mit extra tiefen Tragflächenprofilen und Rohrquerschnitten im Verhältnis 4:1 entwickelt wodurch die Strömung später abreißt und nicht so stark verwirbelt. Der Tragflächeneffekt sorgt für deutlich mehr Stabilität und Laufruhe, der Fahrer wird damit nicht mehr zum Spielball des Winds und das Flattern gewöhnlicher Rahmen mit 3:1 Rohren in Tropfenform wird erheblich reduziert.
Für jedes Rahmenteil verwendete Specialized unterschiedlich geformte Rohre, denn eine einzige Rohrform kann nicht an jeder Stelle des Rades gleich gut funktionieren. Das Steuerrohr wirkt zwar riesig, jedoch hat es genau die gleiche Breite wie die ursprüngliche Version, nur ist es kegelförmig, was nicht der UCI entspricht. Die Sitzstreben sind außen abgeflacht, auf der Innenseite dagegen sind sie gewölbt, wie es auch beim Aero-Rennrad Venge konstruiert wurde. Dieses Design sorgt für wesentlich weniger Luftwiderstand hinter dem Bike. Als man das gleiche Design übrigens auch an der Gabel anwenden wollte, waren die Ergebnisse suboptimal. Gesamt gesehen hat das Shiv das schnellste Fahrwerk, das der amerikanische Rahmenbauer bisher gebaut hat, so der Technische Direktor Mark Cote.
Ungebremster Energiefluss
Das zweite Schlüsselelement ist der Transport von Flüssigkeit während des Trainings und Rennens. Hier wird das Shiv richtig interessant und zielt direkt auf die Triathleten. In das voluminöse Unterrohr ist eine Trinkblase eingelassen, die mit 0,75 Liter befüllt werden kann, deren Trinkschlauch aerodynamisch günstig durch das Oberrohr zum geführt und mit einer Magnethalterung flexibel am Lenker befestigt wird, so dass der Fahrer das Mundstück am besten erreicht. Die Idee ist nicht neu, doch in der Vergangenheit war keine so simple zu handhaben und dennoch schön integriert. Specialized nennt es Fuelselage und hat direkt hinter dem Steuerrohr durch eine Öffnung eine Trinkblase ins Unterrohr geschoben. Voraussetzung dafür ist eine vollkommen glatte Innenseite, so dass kein Verbundstück an der Blase reibt. Bereits in der Fertigung verarbeitet Specialized das Innere der Rohre so sauber, dass es keines weiteren Arbeitsschrittes bedarf. Der entscheidende Vorteil ist, dass die Trinkblase durch die großzügige Öffnung auch in voller Fahrt bequem wieder befüllt werden kann. Für die Reinigung kann sie schließlich komplett herausgenommen werden. Ergänzend kann ein Flaschenhalter am Sattelrohr montiert werden.
Das Shiv Tri besitzt ein unglaublich flexibles und modulares Design und geht dabei keine Kompromisse in Aerodynamik und Sitzkomfort ein. Durch die Zusammenarbeit mit Dr. Andy Pruitt, einem der weltbesten Sportmediziner und Spezialisten im Bereich Ergonomie und Sitzposition, wurde ein Zeitfahrrad entwickelt, dass es ermöglicht, sich nahezu jedem Fahrer anzupassen. Um an die wichtigen Daten für eine möglichst vielseitige und dennoch perfekte Passform zu kommen, haben Mark Cote und sein Team zahlreiche Triathlonrennen besucht. Sie haben sich in die Wechselzonen geschlichen und zahlreiche Räder vermessen, um herauszufinden wie die Rahmengeometrie modifiziert werden musste, um so diese Sitzpositionen erreichen zu können. Und so gibt es das Shiv Tri in fünf Größen von XS bis XL, mit jeder Größe nehmen Reach um 20 mm und Stack um 25 mm zu. Die meisten Einstellmöglichkeiten stecken allerdings im Kopfende.
Für jeden das perfekte Setup
Das neue Shiv gibt es in mehreren Varianten, neben einem Top-Modell, dem S-WORKS mit Zipp 404 Räder und Shimanos Di2 für 10.000 EUR, ist auch ein PRO Modell und ein günstigeres COMP verfügbar. Wir haben das PRO Modell mit der Dura Ace Di2 im Test und von Lightweight die neuen FERNWEG Laufräder mit 81 mm Felgentiefe und nur 1355 g montiert. Dazu passend sorgen 120 g leichte Kéo Blade Aéro Pedale von Lookfür festen Kontakt mit der S-WORKS Kurbel aus Karbon. Ein rundum ausgefeiltes Setup, dass es ermöglicht zahllose Stunden, bei Hitze und Wind auf dem Bike zu verbringen und im Kampf gegen den Luftwiderstand und die Uhr zu bestehen. Wem die Sitzposition des Shiv TT zu aggressiv war, findet im Shiv Tri die individuelle Symbiose aus bester Aerodynamik und Sitzposition. Ohne Zweifel ist das neue Shiv beeindruckend und könnte den Triathlon-Markt zukünftig verändern. Ob sich diese innovativen Vorteile effizient auf die Straße übertragen und sich damit auch bei uns die letzten Watt Leistung für eine neue persönliche Bestzeit aus der Muskulatur pressen lassen, das wird es in den nächsten Monaten beweisen müssen. Bei Craig Alexander hat es bereits funktioniert.