Der Aerolenker: Steuer- und Schaltzentrale des Athleten

von Stefan Drexl für tri2b.com | 18.01.2011 um 00:00
Der Lenker ist die Verbindung zwischen Athlet und Rad, er ist Steuer- und Schaltzentrale zugleich. Kaum ein anderes Teil des Rennrades genießt derart viel Aufmerksamkeit und Zuwendung wie ein Aerolenker.

Seit der ersten Stunde des Triathlons ist er im Focus der Athleten und Techniker. So ist er nicht nur stets im Blickfeld während Training und Wettkampf, er ist auch für eine komfortable und aerodynomische Position, und damit entscheidend für die Leistungsentfaltung des Fahrers verantwortlich. Materialien, wie Aluminium und Carbon, neue Techniken, wie die Verbundbauweise, aber auch elektronische Bauteile, wie Schaltungen, GPS und Kraftmesser, sowie integrierte Trinksysteme werden die Formgebung und Entwicklung von Aerolenkern in Zukunft stark beeinflussen und ungeahnte Möglichkeiten zu Tage bringen.

Ergonomie und Einsatzbereich
Egal für welchen Lenkertyp man sich entscheidet, gesteuert wird stets über einen Vorbau, der drehbar gelagert mit der Gabel verbunden ist. Das dient in erster Linie dem Gleichgewichtausgleich und dem Richtungswechsel, der bei hohen Geschwindigkeiten durch eine leichte Gewichtsverlagerung erfolgt. Lenker und Vorbau müssen den vielen individuellen Anforderungen und Wünschen der Athleten gerecht werden, um jedem eine ideale Sitzposition mit dem geringsten Luftwiderstand zu ermöglichen. Die Sitzposition und der Einsatzbereich entscheiden letztendlich über die Wahl des Lenkers: Zeitfahrlenker oder Rennlenker. Auf beiden kann schliesslich ein Aero-Aufsatz montiert werden, den es in variablen Formgebungen gibt. Unabhängig von indiviuellen Vorlieben spielt die Renndistanz eine wichtige Rolle bei der Lenkerwahl. Während es bei kürzeren Distanzen auf die Aerodynamik und die Gewichtsersparniss ankommt, wird bei Mittel- und Langdistanzen mehr Wert auf Bequemlichkeit gelegt. Ob nun ein Zeitfahr- oder Rennlenker zum Einsatz kommt, hängt meist vom Rennmodus und der Streckenart ab. Wettkampfregeln und Geländeform erleichtern die Entscheidung.

Manche Vorteile liegen auf der Hand. So kann man bei einem reinen Triathlonlenker auch in der Aeroposition schalten und hat auch beim Bremsen noch eine aerodynamisch günstige Position. Der Rennlenker ermöglicht selbst in Kombination mit dem Aero-Aufsatz ein Fahren in der Oberposition, was bei welligem Gelände bequemer sein kann und mehr Zug und Druck beim Anstieg erlaubt. Aero-Aufsätze gibt es eine Vielzahl, der bedeutenste Unterschied liegt wie bereits erwähnt in deren Formgebung, ob gerade oder gebogene Griffe. Für die gerade Variante ist mehr Flexibilität in den Handgelenken erforderlich, der Vorteil liegt aber in einer gewissen Vorspannung von Armen, Schultern und Rücken, wodurch ein höherer Druck auf das Pedal gebracht werden kann. Gebogene Griffe sind für längere Strecken zu empfehlen, da sie ergonomischer und schonender für das Handgelenk.

Position und Belastung
Der Lenker erlaubt es dem Fahrer nicht nur seinen Oberkörper abstützen, sondern sich durch einen Aero-Aufsatz auch mit seinen Unterarmen darauf zu lehnen. Sein Körpergewicht wird damit besser verteilt und das Gesäß, wie auch der Rücken durch eine komfortablere Position entlastet. Durch das höhere Gewicht und den stärkeren Druck auf das Vorderrad wird das Fahrverhalten jedoch etwas träger und die Steuerung reagiert nicht mehr so sensibel.

Neben Druckbelastung (bis zu 1500 N) muß der Lenker ebenso starke Zugebelastungen (1000 bis fast 2000 N) während der Beschleunigung oder bei Fahrten bergauf verkraften. Besonders im Wiegetritt wirken dabei hohe Kräfte an Lenker und Vorbau, um so mehr Druck auf die Pedale zu bekommen. Der Lenker muss daher eine große Biegefestigkeit besitzen und ist gerade an den kritischen Punkten der Klemmung besonders verstärkt, um einen Lenkerbruch unbedingt zu vermeiden. Aus Gründen der Sicherheit sollte ein Lenker regelmäßig, gerade aber nach Stürzen getauscht werden.

Die optimale Lösung
Als Erster verbaute Greg Lemond für die Schlussetappe der Tour de France 1989 einen Aero-Aufsatz auf seinem Zeitfahrlenker und sicherte sich damit wahrscheinlich die entscheidenden Sekunden für den Gesamtsieg. Diese Variante ist neben der erst genannten bis heute die populärste und ist im Triathlon und bei Zeitfahrrennen in den verschiedensten Ausprägungen anzutreffen. Die Unterschiede liegen überwiegend im verwendeten Material und ganz besonders in der Formgebung des Lenkerprofils und deren Oberflächen. Zwar ist die Sitzposition durch diese Konstruktion aerodynamisch nicht ganz so günstig, das Gesamtpaket aber, aufgrund der entlasteten Rückenmuskulatur, gerade auf Langdistanzen ist derzeit die optimalste Lösung.

Kein Ende in Sicht
Es gab zahlreiche Designs und noch viel mehr Zubehör im Verlauf der Evolution des Triathlonlenkers und der Aero-Aufsätze. Vieles kam und verschwand schnell wieder, die richtig guten und nützlichen Innovationen haben sich wie meist durchgesetzt und wurden oder werden nach wie vor weiter entwickelt. Dazu gehören auch Trinksysteme, die vorne zwischen den Rohren des Aero-Aufsatzes befestigt werden können. Sie erlauben es dem Athleten, ohne Verlassen der aerodynamisch günstigen und komfortablen Sitzposition, regelmäßig für Flüssigkeitszufuhr zu sorgen und das System auch einfach wieder zu befüllen. Jedoch gab es kaum ein Zubehör in der Vergangenheit, dass in so kurzer Zeit derart beeindruckt hat und sich bei den Aktiven etabliert hat, wie die elektronische Schaltung. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, die Vorteile in der Montage und ihrer Bedienung erleichtern das Leben des Athleten und der Mechaniker erheblich. Mit ihr kommt auch erstmals die ergänzende Stromversorgung an das Renn- und Zeitfahrrad, wodurch es den kreativen Entwicklern und Tüftlern in Zukunft an weiteren Ideen nicht mangeln dürfte. Ein Ende der Lenker-Evolution und Revolution als das zentrale Element des Rades ist noch lange nicht in Sicht.