Sebastian Kienle: Im Rennen kann ich nochmal 5 Prozent drauflegen

von tri2b.com | 11.04.2012 um 00:00
Sebastian Kienle gehört zu den weltbesten Radfahrern unter den Triathleten. Das hat der Karlsruher erst Anfang April beim Ironman 70.3 Texas eindrucksvoll gezeigt, als er die Radbestzeit vorlegte und auch einen Lance Armstrong in die Schranken verwies. Wir haben Sebastian Kienle 10 Fragen zum Thema Fahrrad gestellt.

tri2b.com: Wie hat Dein erstes Rennrad ausgesehen (Ausstattung, Anpassung Sitzposition usw.)?
Sebastian Kienle (S.K.) : Das war ein Vetta Stahlrahmen, gemufft mit total verrückten Rohrformen, umgekehrte Tropfenform am Unterrohr linke und rechte Kettenstrebe waren unterschiedlich geformt. Das Rad hatte Shimano 600 Ausstattung und war pink. Eigentlich richtig stylisch. Ich hatte eine Nitto 66 Sattelstütze nachgerüstet, um die „American Position“ fahren zu können und natürlich einen Scott Zeitfahrlenker.

tri2b.com: Würdest Du Dich als Rad-Tüftler bezeichnen und schraubst gerne selbst am Rad rum, oder lässt Du das lieber einem Mechaniker machen?
S.K.: Ich schraube immer noch gerne selber, aber nur wenn ich Zeit habe und nicht unter Stress stehe. Vor den Rennen lasse ich lieber meinen Mechaniker machen. Ein Tüftler bin ich auf jeden Fall. Früher hab ich Teile noch mit dem Dremel nachbearbeitet, um sie leichter zu machen und Sättel von ihrer Polsterung befreit für 20 Gramm weniger Gewicht. Heute hat sich das ein bisschen gelegt. Ich schaue eher in den Bereichen, wo sich echt noch was holen lässt. Ich bin mir sicher, dass ich bei jedem Rennen eins der zwei schnellsten Räder habe.

tri2b.com: Wie schaut es bei Dir vor einem großen Wettkampf aus (z.B. Hawaii, Klagenfurt, Roth etc.), wird man da auch als Topprofi nervös und fängt an, an der Sitzposition oder am sonstigen Setup noch was zu verändern?
S.K.: Das Problem ist oft eher die Nervosität, dass alles heil ankommt. Gerade bei der Anreise mit dem Flugzeug ist das oft nicht immer garantiert und dann hat man nicht gerade gleich seinen Mechaniker um die Ecke. Das Material für die großen Rennen ist aber schon meistens ein halbes Jahr vorher ausgesucht. Außer es gibt was total geiles Neues, da schrauben wir dann auch mal ne Woche vor dem Rennen noch ein neues Laufrad rein oder ziehen denn neusten Reifen auf.

tri2b.com: Ist aktuell an Deinem Rad eine Sonderanfertigung verbaut, die es exklusiv nur für Dich gibt? Wenn ja, welche?
S.K.: Reifen: Conti GPTT, Ceramic Naben-Lager, Flaschenhalter hinter dem Sattel, DI2 Akku Halterung.

tri2b.com: Was machst Du, wenn auf dem Trainingsplan Radfahren steht, es draußen aber grad heftig regnet, es saukalt ist?
S.K.: Dann geh ich schwimmen.

tri2b.com: Wie schaut Deine Lieblingsradeinheit aus?
S.K.: 6 mal 6km: 3 km mit 500 Watt, 3 km hinter dem Auto mit ca. 65km/h, 3 min. Pause. Einfach ein geiles Gefühl mit eigener Kraft so schnell zu fahren. Ich liebe aber auch die schönen Touren rund um Girona/Palamos. Bei gutem Wetter einfach ein Traum.

tri2b.com: Was war Dein bisher höchster realisierter Jahreskilometerumfang auf dem Rad?
S.K.: Circa 12.000 km.

tri2b.com: Wie bist Du auf einen eventuellen Defekt (Reifenschaden, lockere Schrauben usw.) bei einem Rennen vorbereitet?
S.K.: Bei Mitteldistanzen gar nicht. Da klappt es oder nicht. Ich habe in 16 Jahren Wettkampf nur drei Platten im Rennen gehabt. Bei einer Langdistanz hab ich alles für einen Platten dabei. Lockere Schrauben gibt es während dem Rennen nicht, so was kann und muss man vorher ausschließen.

tri2b.com: Hast Du eine Schlüsseleinheit, die Dir alljährlich zeigt, jetzt bin ich in Topform auf dem Rad (z.B. den Hausberg oder die Hausrunde in bestimmter Zeit fahren)?
S.K.: Ja, siehe oben. Zusätzlich gibt es natürlich ein paar Berge, wo ich meine Zeit weiß… Aber die ganze Wahrheit sieht man eh erst im Rennen. Da kann ich meistens immer noch einmal 5 Prozent drauflegen…

tri2b.com: Nutzt Du die Fortbewegung mit dem Rad auch außerhalb Deines täglichen Trainings im Alltag?
S.K.: Ja täglich. Zum Schwimmtraining, Einkaufen usw. Ich habe kein Auto und in Karlsruhe braucht man auch keins. Mit dem Rad ist man schneller und es macht mehr Spaß. Für die Rennen hab ich nen Mietwagen.