Ralf Ebli: Ein Frühjahrstrainingslager sollte über 10 bis 14 Tage geplant sein

von tri2b.com | 20.09.2010 um 00:00
Wie ein Profi trainieren, den ganzen Tag für sein Hobby, den Triathlonsport, Zeit haben. Für viele der berufstätigen Triathleten und Triathletinnen ist das ein Wunschtraum. Einmal im Jahr kann dieser Traum auch Wirklichkeit werden – im Frühjahrstrainingslager. Wir haben mit Ralf Ebli, unter anderem Trainer von Timo Bracht, gesprochen. Der ehemalige DTU-Cheftrainer erklärt, worauf es bei der Planung und Durchführung eines Trainingslagers bei Freizeitathleten ankommt. Damit die tollen Trainingstage auch in gute Wettkampfergebnisse umgemünzt werden können.

tri2b.com: Trainingslager gehören für Profiathleten zum festen Bestandteil des Trainingsaufbaus. Meist sind es mehrere im Jahreszyklus. Wie wichtig sind solche Belastungsschwerpunkte für ambitionierte Hobbyathleten?
Ralf Ebli (R. E.): Ich denke schon, dass so ein Trainingslager prinzipiell wichtig ist. Es geht aber nicht unbedingt um einen besonders hohen Trainingsumfang, sondern um das Loslösen vom Alltag, den man daheim hat. Von den familiären und beruflichen Belastungen - und sich wirklich nur um Training, Essen, Trinken und Schlafen kümmern kann. Dazu kommen die Klimabedingungen. Man kann unter warmen Bedingungen stabil trainieren. Das ist ganz wichtig und ergibt zusammen mit den erstgenannten Faktoren einen super Trainingsreiz.

tri2b.com: Gibt es einen optimalen Zeitpunkt für das klassische Frühjahrstrainingslager mit Schwerpunkt Radfahren. Zwischen Januar und Mai ist ja so ziemlich alles möglich?
R. E.: Für die Saisonhöhepunkte von Mitte Juni bis in den August hinein ist der beste Zeitraum zwischen Anfang März und Mitte April, um auf dem Rad die Grundlagen zu legen. Später wird daheim normalerweise das Wetter auch besser und man kann so vorab bei klimatisch gesicherten Bedingungen ordentlich Grundlagenkilometer fahren. Aber als kleiner Hinweis dazu: Es besteht die Gefahr, dass der Breitensportler so viel und so intensiv trainiert, dass er sich zuhause erst mal vier Wochen erholen muss vom Trainingslager. Da ist der Effekt dann aber fraglich. Keine Frage, viel trainieren, kontrolliert trainieren, ruhig trainieren, damit man nach der Rückkehr und 7 bis 10 Tagen Entlastung auch wieder in das normale Trainingspensum einsteigen kann.

tri2b.com: Manche Hobbyathleten brüsten sich nach einem frühen Trainingslager im Januar oder Februar damit, schon 2.000 bis 3.000 Radkilometer in den Beinen zu haben. Gilt beim Trainingsaufbau auch „der frühe Vogel fängt den Wurm“?
R. E.: Man muss natürlich aufpassen. Wenn man die Möglichkeit hat, noch ein zweites Trainingslager dann im April folgen zu lassen, oder bei einem frühen Höhepunkt wie zum Beispiel dem Ironman Lanzarote starten will, dann ist es sinnvoll, in den Wintermonaten Januar oder Februar was zu machen. Aber man sollte dann darauf achten, dass man sehr ruhig und grundlagenorientiert fährt, heißt Grundlagenausdauer und aerobe Kraftausdauer bildet den Schwerpunkt auf dem Rad. Außerdem gilt es bei so einem frühen Trainingslager, den allgemeinen Effekt hoch zu halten und entsprechend auch noch Umfänge im Schwimmen und Laufen zu realisieren und die blinde und stupide Kilometerbolzerei auf dem Rad zu vermeiden.

tri2b.com: Eine gern diskutierte Frage ist, mit wie vielen Kilometern in den Beinen sollte man zu einem Frühjahrstrainingslager anreisen?
R. E.: Für einen Breitensportler wäre es schon empfehlenswert, mit 800 - 1.000 Kilometern, die wirklich ruhig gefahren sein können, ins erste Trainingslager reinzugehen. Entscheidend im Winter sind aber nicht so die Kilometer. Ich rate oft auch ab, mit Gewalt bei schlechtem Wetter draußen zu fahren, weil die Infektgefahr zu hoch ist. Wenn man im Regelfall einmal am Wochenende dazu kommt, auch wenn es auf dem Crossrad oder Mountainbike ist, 1,5 bis 2,5 Stunden draußen zu fahren. Dazu dann einmal unter der Woche auf der Rolle ein kontrolliertes Kraftprogramm zu fahren, halte ich für sehr sinnvoll. Das ist nicht nur für Breitensportler, sondern auch für viele Profis ausreichend. Man hat ja die Möglichkeit, andere Schwerpunkte zu setzen. Athletik, Schwimmen oder vielleicht sogar mal ein Skilanglauflager durchführen.

tri2b.com: Stichwort Skilanglauf. Welchen Stellenwert hat eine triathlonfremde Disziplin im Trainingsaufbau?
R. E.: Für mich ist Skilanglauf eines der zentralen Trainingsmittel. Es ist eine semispezifische Belastung, dass heißt, man hält so eine Reizreserve offen, wenn man mit dem spezifischen Training beginnt. Wir haben sehr viele Muskelgruppen beteiligt an der Fortbewegung. Insbesondere die Rumpfmuskulatur. Zudem ist der Kältereiz auf die Gefäße gleichzeitig ein Reiz, um Hitze gut zu verkraften. Was oft nicht so bekannt ist. Insofern ist Skilanglauf für mich ein wichtiger Baustein. Ich bin ein Fan davon und praktiziere das bei mir im Verein schon seit 1990.

tri2b.com: Gibt es eine Faustformel für die richtige Aufenthaltsdauer im Trainingslager, insbesondere für das Frühjahrstrainingslager mit dem Radschwerpunkt?
R. E.: Wenn man keinen limitierten Zeitraum hat, durch Familie und Beruf, dann wäre es theoretisch super, wenn man 10 bis 17 oder 21 Tage nutzen kann. Im Regelfall ist dies natürlich nicht möglich, aber 10 bis 14 Tage sollten es eigentlich sein. Man muss ja zwei bis drei Entlastungstage einplanen, um die volle Wirkung entfalten zu können. Man muss locker in die ersten Tage reingehen, man muss locker aus den ersten Einheiten rausgehen. Da sind ein paar Tage mehr an Aufenthaltszeit Gold wert.

tri2b.com: Wie verhält es sich mit sogenannten Kurztrainingslagern über 3 bis 4 Tage, zum Beispiel als verlängertes Wochenende. Ist dies in der direkten Vorbereitung auf die Saisonhöhepunkte wie Roth oder Frankfurt zu empfehlen?
R. E.: Blockbelastungen über 3 bis 4 Tage sind auch für Freizeitsportler zu empfehlen. Aber auch hier muss man mit der Belastung etwas aufpassen. Viele überziehen hier sonst so maßlos, dass sie es orthopädisch und immunologisch gar nicht verkraften. Auch für so einen kurzen Trainingsblock gilt es sich ein Konzept zu überlegen, und Umfang und Intensitäten festlegen. Lieber in solchen Phasen etwas mehr, aber kontrolliert machen, als mit Intensität rein zulangen.

tri2b.com: Gibt es eine grundsätzliche Empfehlung hinsichtlich der Ortsauswahl für ein Trainingslager?
R. E.: Für mich sind bei der Auswahl eines Trainingslagerortes die klimatischen Bedingungen und die Trainingsmöglichkeiten sehr wichtig. Ein anderer ganz entscheidender Faktor ist, gerade wenn viel trainiert werden soll, dass die Wege zwischen den Trainingsstätten und der Unterkunft möglichst kurz sind.

tri2b.com: Wie steht ein so erfahrener Trainer zum Thema Höhentrainingslager? Ist dies überhaupt ein Thema für im ambitionierten Hobby- und Freizeitsport?
R. E.: Höhentrainingslager prinzipiell finde ich nicht verkehrt. Es stellt sich aber die zentrale Frage, für wen es wirklich sinnvoll ist. Ich würde Höhentraining nur Athleten empfehlen, die wirklich unter Normalbedingungen schon ihr Leistungs- und Trainingsniveau schon ziemlich ausgelotet haben. Als Reizreserve sozusagen. Für den Breitensportler halte ich nicht so viel davon, denn du musst in der Höhe von den Geschwindigkeiten langsamer trainieren, du musst vorsichtiger von der Steuerung sein. Du musst auch, wenn du es richtig gut machen willst, ein paar Steuerparameter nehmen. Neben Laktat, auch CK und Harnstoff. Und da kann man, ums in der Skisportsprache auszudrücken, auch ganz schön verwachsen in der Höhe. Prinzipiell aber, für Hochleistungssportler und auch trainingsältere Sportler, finde ich es gut. Was man bei allem aber nicht vergessen darf: Es gibt sogenannte Höhen-Responder und –Nonresponder, also Athleten die entweder sehr gut darauf reagieren, oder eben nicht. Wie beispielweise bei Anja Dittmer und auch Maik Petzold hatten wir früher ganz tolle Erfahrungen gemacht. Dort folgten sogar Weltcup-Siege direkt im Anschluss an einen Höhenaufenthalt. Bei anderen hat es aber überhaupt nicht funktioniert. Das muss man wirklich auch austesten und schauen, wie man darauf reagiert. Deshalb beim ersten Mal nie vor einem Saisonhöhepunkt durchführen.