Trainingsfalle Indoor-Cycling: Wo lauern die Gefahren bei Zwift, Rouvy und Co.?

von Sven Weidner für tri2b.com | 14.03.2022 um 15:36
In den letzten drei Teilen unseres Rollenspecial haben wir mächtig die Werbetrommel für das Indoor-Radtraining gerührt. Doch bei allen positiven Effekten des Rollentrainings müssen wir an dieser Stelle auch noch einmal den Finger mahnend heben. Denn wie bei so ziemlich allen Dingen hat das Rollentraining bei falscher oder unverhältnismäßiger Verwendung auch negative Effekte, die die kommende Triathlon-Saison schon im Winter ruinieren können.

Was im Teaser des Artikels vielleicht etwas melodramatisch wirkt, sollte man dennoch nicht nur als Angstmacherei abtun. Das größte Problem beim Trainieren auf Zwift, Rouvy und Co. ist, dass man durch diese tollen und bunten Workouts (von den uns Tausende zur Verfügung stehen) gerade als Neuling dazu verleitet wird nur noch diese zu trainieren.

 

Bestwerte bei der VO2max, aber platt nach 120 Kilometern

 

Leider ist das Motto von einem Großteil dieser Trainingseinheiten „ballern, ballern und nochmal ballern!“. Es fühlt sich schon cool an wenn die VO2max im Winter besser ist als im Sommer. Leider befindet man sich aber noch in der Phase des Trainings, welche die Grundlage für z.B. den Ironman im Sommer legt. Ohne eben jene Grundlage kann es dann auch schnell nach bereits 120 der 180 km Motorschaden heißen, obwohl man bei vielen Laborwerten vermeintlich seine Bestwerte vor dem Rennen hatte. Als Nebeneffekt dieser falschen Ausrichtung erhöht sich zudem die Gefahr in einen Übertrainingszustand zu kommen.

Denn ohne eine gute Grundlagenausdauer ist die Regenerationsfähigkeit nicht so hoch. Zudem kommt die erhöhte Belastung aus dem qualitativ anspruchsvolleren Programm, was in Addition jenes zuvor beschriebene Übertraining haben kann. Allerdings soll jetzt nicht der Eindruck übermittelt werden, dass Indoor-Bike-Workouts ein Werkzeug des Teufels sind. Diese sind über die gesamte Saison ein sinnvoller Baustein im Gesamttraining, aber schon Paracelsus wusste, dass die Dosis das Gift macht.

 

Nur rollen auf der Rolle ist gar nicht so einfach

 

Dosis ist auch ein gutes Stichwort, denn durch die einfache Verfügbarkeit der Trainingseinheit, kommt es schnell mal vor, dass noch eine Extraeinheit in den Trainingsplan geschoben wird. Dies ist wohl auch eher nicht im Sinne der meisten Trainer. Denn auch wenn es kein hochintensives Workout ist, dass man sich noch zusätzlich am Abend gibt, so muss man dennoch vor Augen haben, dass je nach Rollentrainer der Widerstand immer vorhanden ist. Das wiederum sorgt dafür, dass eine Stunde auf der Rolle deutlich härter ist als auf der Straße, wo wir an Kreuzungen halten müssen oder Rückenwind und Gefälle uns das Leben wenigstens ein wenig erleichtern. Aber es ist nicht nur die fehlende Entlastung während der Einheit, die das Fahren auf der Rolle anstrengender macht als in der Realität. Hohe Temperaturen gepaart mit tropischer Luftfeuchtigkeit in der „pain cave“ führen dazu, dass die Belastung für das Kreislaufsystem oftmals deutlich höher ist. Hier ist es besonders wichtig daran zu denken ausreichend Wasser während der Einheit hinzuzuführen.

Ein weiterer nennenswerter Punkt zum Thema Überlastung ist die Genauigkeit der Rollentrainer. Für Athleten*innen ohne Powermeter am Rad, heißt es dem Signal des Trainers blind zu vertrauen. Gerade bei günstigeren Modellen kann die Abweichung zur realen Leistung relativ hoch sein, sodass im falschen Trainingsbereich trainiert wird. Hieraus ergibt sich das gleiche Problem wie bei zu vielen Workouts in der Woche.

 

Trainingsteuerung nach Zeit, nicht nach Kilometer

 

Schließlich sollte die Trainingssteuerung immer über die Zeit erfolgen. Warum werden sich nun einige Fragen. Der Grund ist, dass man sich beim smarten Rollentraining, im Gegensatz zu realen Welt, fast immer im Windschatten eines anderen befindet. Darüber hinaus wird während virtueller Abfahrten nicht gebremst, sodass auch Haarnadelkurven im Zweifelsfall mit 90km/h pro Stunde genommen werden. Dementsprechend ist es relativ schwer einen Schnitt unter 25km/h zu erreichen. Wer nun nach Kilometer trainiert, wird also deutlich weniger Quantität (im Sinne von Umfang) trainieren als eigentlich geplant. Diese Info kann gerne auch genutzt werden, um die überstolzen Vereinskollegen von der Prahlerei über 1000de Kilometer auf der Rolle wieder zurück auf den Boden der Tatsache zu holen. 

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