Sicherheit beim Radtraining: Das eigene Unfallrisiko minimieren

von tri2b.com | 31.03.2018 um 17:24
Im Frühjahr 2017 schreckten drei schreckliche Radunfälle die Radsport- und Triathlonwelt auf. Innerhalb weniger Wochen verunglückten der ehemalige Giro d´Italia Sieger Michele Scarponi, der Motorradrennfahrer Nicky Hayden und die Profitriathletin Julia Viellehner während einer Trainingsausfahrt in Italien tödlich. Die Betroffenheit und Anteilnahme in der Szene war riesengroß. Eine regelrechte Schockstarre war zu verspüren und schnell wurden auch Stimmen laut, die vom immer stärker aufflammenden "Krieg" zwischen motorisiertem Verkehr und Radfahrern sprachen.

Vehement und lautstart wurde der 1,5 Meter Sicherheitsabstand eingefordert, der leider in der Praxis, sehr oft deutlich unterschritten wird, was jeder Radfahrer, egal ob rennsportlich oder mit dem Einkaufsrad unterwegs, sicher nach wenigen Kilometern bestätigen kann.  Schnell kann dabei auch der Eindruck entstehen, dass Früher alles besser war. Doch ist das wirklich der Fall? Tatsache ist einerseits, daß die Anzahl der tödlichen Verkehrsunfälle seit den 70iger Jahren (Höchststand über 21.000 im Jahr 1970, nur alte BRD) stetig gesunken sind und das trotz extrem angewachsener Verkehrsdichte. Sicherheitsgurt, Airbag, Fahrerassistenzsysteme, Tempolimits, strengeres Vorgehen gegen Alkoholfahrten und besser ausgebaute Straßen machen das  Autofahren heute so sicher wie nie zuvor. Ein Blick auf ein Rennrad von 1970 und heute bringt in punkto Sicherheit deutlich geringfügigere Vorteile: Klickpedale, bessere Bremsen, steifere Rahmen und bessere Reifen. Verbesserte Knautschzone? Fehlanzeige!

Bei 74 % der Radunfälle mit Fremdbeteiligung ist ein PKW beteiligt - © rauschendorfer.de

Radunfälle mit Personenschaden in Deutschland in Zahlen im Jahr 2016: (Quelle Statistisches Bundesamt)

  • 81.274 Radunfälle gesamt
  • 393 tödlich verunglückte Radfahrer/innen (insgesamt 3.214 Verkehrstote)
  • 19 % der Radunfälle passierten ohne Fremdbeteiligung
  • bei insgesamt 43 % aller Radunfälle galt der/die Radfahrer/in als Hauptunfallverursacher/in
  • bei 74 % der Radunfälle mit Fremdbeteiligung war ein Pkw der Unfallgegner
  • nur bei 25 % der Radunfälle mit PKW-Beteiligung galt der/die Radfahrer/in als Hauptunfallverursacher/in (bei LKW-Beteiligung 20 %)
  • allerdings sind bei Unfällen mit Fußgängern (60%) und Krafträdern (51 %) Radfahrer überproportional oft der Hauptunfallverursacher 
  • falsche Straßenbenutzung ist mit 13 % das hauptsächliche Fehlverhalten der Radfahrer

 

 

Radhelm und sonst fast nix gegen Hightech-Knautschzone und Airbag, EPS und ABS

 

Nur der Radhelm dient beim Radfahren als Knautschzone - © rauschendorfer.de

Die deutlichste Verbesserung und echte Innovation in punkto Sicherheit war der Radhelm, dessen Verbreitung von den Triathleten Ende der 80iger Jahr ausging und nicht von den Radfahrern. Das war´s mit dem Radfahrer-Sicherheitspaket. Somit spreizt die Schere zwischen gefühlter Sicherheit im Auto und auf dem Rad immer weiter auseinander. Tempo 100 in einem heutigen SUV dürfte sich in etwa so anfühlen wie Tempo 40 in einem VW Käfer Baujahr 1975. Demensprechend ist heute auch nicht angepasste Geschwindigkeit die Unfallursache Nr. 1 auf deutschen Straßen.  Die ungleichen Größenverhältnisse kann jeder bei einer Trainingsausfahrt in ländlichem Gebiet schnell selbst erfahren. Versperrt eine langsam fahrende tonnenschwere landwirtschaftliche Maschine die freie Fahrt, dann bremst auch mal der SUV-Fahrer lieber etwas mehr ab. Fährt ein Radfahrer mit gleicher Geschwindigkeit, so wird dieser oft gar nicht richtig wahrgenommen. Soviel zu den Größen- und Machtverhältnissen im Straßenverkehr. 

 

Appelle zur Rücksichtnahme kommen nicht an

 

Doch kommen die gut gemeinten Appelle der Radfahrer und Triathleten, kein Freiwild in bunter Sportbekleidung sein zu wollen, auch wirklich beim Empfänger an? Wohl eher nur sehr bedingt. Sowohl der Radsport und der Triathlonsport sind in sich eher geschlossene Szenen und die in den entsprechenden Sozial Media-Kanälen lautstark und vehement abgesetzten Appelle bleiben so eher wirkungslos. Ein Umstand, der auch auf der anderen Seite der Weltkugel ähnlich aussieht. Deshalb hat Jan Frodenos Ehefrau Emma versucht über die Medien eine öffentliche Diskussion loszutreten, nachdem ihr Mann Jan im Januar 2018 während eines Radtrainings an der australischen Sunshine Coast nur um ein Haar einem Horrorunfall mit eine LKW entging und anschließend von dessen Fahrer sogar noch wüst beschimpft wurde.  >>Frodeno beim Radtraining in Australien fast vom Lkw erfasst ... 

Ob dieser Versuch wirklich für mehr Akzeptanz für das Radfahren erzeugt  ist fraglich. Die Automobil-Lobby ist ungleich stärker und umfassend vernetzt.  Hier dürfte den Radfahrern und Triathleten ein langer beschwerlicher Weg bevor stehen, der kurzfristig wohl nur sehr geringfügige Erfolge erzielen wird. 

 

Durch eigenes Verhalten die Unfallrisiken minimieren!

 

Radfahrer und Triathleten sollten also erst einmal bei sich selbst ansetzen und versuchen ihre eigenen Sicherheitsvorkehrungen für das Radtraining zu optimieren. Am besten schon vor und bei der nächsten Radausfahrt. Ebenso sollten sie selbst so wenig wie möglich durch Verletzungen der Verkehrsregeln die Konfrontation weiter anheizen. "Schwarze Schafe" unter den Radfahrern, die die Vorurteile vom "Radl-Rambo" auf den schmalen Rennradreifen immer wieder anheizen, sollten daher auch mal "szene-intern" zur Vernunft aufgerufen werden. Denn der Verlierer wird am Ende leider (fast) immer der Radfahrer sein. 

 

Ansatzpunkt für mehr Sicherheit beim Radtraining:

 

Das eigene Verhalten im Straßenverkehr - Regeln beachten - siehe dazu unser Gespräch mit dem Polizisten und Triathleten Josef Zeller >>Rennradregeln: Vorausschauendes Fahren ist das Sicherheitspostulat Nummer Eins ...