Leistungsmessung im Radtraining: Basiswissen

von Philipp Görgen für tri2b.com | 20.06.2012 um 11:56
Wie trainiert man richtig? Wohl kaum eine andere Frage hat in letzten Jahren soviel an Bedeutung gewonnen - für Triathlonprofis und Altersklassenathleten gleichermaßen. Und obwohl moderne Grundprinzipien der richtigen Trainingssteuerung und -intensitäten überall leicht via Internet abzurufen und für jedermann verständlich sind, halten sich Vorurteile und überholte Meinungen hartnäckig.

Heutzutage entsteht bei jedem Wald- und Wiesentriathlon "Rund um den Krötentümpel" leicht der Eindruck, daß man bei den Olympischen Spielen sei - betrachtet man Material und Attitüde der Athleten. Beim Training hingegen geht es oft so zu wie vor 100 Jahren. Die Radausfahrt mit den Vereinskameraden wird zum Rennen, alle Intensitätsbereiche sind vertreten. So wird aus lang und locker, schon mal lang und hart und bei der angedachten harten Einheit, wundert man sich warum einem die Power fehlt.

Grundsätzliches Verständnis zu dem was Leistung eigentlich bedeutet, was zum Beispiel Pulswerte aussagen oder auch nicht, scheint entweder nicht vorhanden, oder wird schlicht ignoriert. Wir haben uns deshalb dem Thema Leistungsmessung beim Radtraining näher gewidmet.

Was ist Leistung

Zunächst einmal muß die Frage beantwortet werden, was Leistung eigentlich ist. Physikalisch anschaulich erklärt, ist sie ein Maß, für die Zeit, die man benötigt, um eine bestimmte Masse einen Anstieg hochzubewegen. Also die Zeit, die zum Beispiel ein 70 kg schwerer Athlet inklusive seines 10kg schweren Bikes benötigt, um einen 5 km langen Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von 5 %, hochzufahren.
Die Leistung wird in der Einheit Watt gemessen. Im Flachen entsteht Leistung durch die Überwindung der Rollreibung zur Straße und dem Windwiderstand.

Fahren nun zwei gleich schwere Athleten mit identischen Bikes den Anstieg hoch, erbringt derjenige, der schneller oben ist, die höhere Leistung.
Da in der Realität Gewicht von Fahrer und Material aber meistens unterschiedlich sind, zieht man Vergleiche stets über die relative Leistung.

Wiegt ein Fahrer nun 10 kg mehr, muß er, um zeitgleich mit dem anderen oben zu sein, eine entsprechend höhere, absolute Leistung bringen. Relativ gesehen, erbringen beide Fahrer aber dieselbe Leistung. Angeben wird dies dann in Watt pro Kilogramm.

Die Leistung ist also eine zeitbezogene und damit endliche Größe. Die Leistung, die ein Athlet erbringen kann sinkt daher, je länger zum Beispiel ein Wettkampf oder eine Trainingseinheit dauert. Was jeder Sportler also aus eigener Erfahrung weiß, ist berechenbar, und wird mit Hilfe geeigneter Systeme sichtbar.

Davon sind auf dem Markt mittlerweile verschiedene verfügbar, die die erbrachten Watt-Werte während der Fahrt permanent sichtbar machen. Doch wie helfen einem diese Werte, wie arbeitet man mit einem Wattmess-System?

Leistungsmessung via SRM

Wer kennt sie nicht, die schicken kleinen Kästchen in verschieden Farben am Lenker der Rennmaschine? Aufschrift: SRM (Schoberer Rad Meßtechnik). Bis vor einiger Zeit verrieten Sie dem Betrachter mit ziemlicher Sicherheit: Achtung, Profi oder zumindest sehr starker Amateur, besser im Windschatten bleiben. Doch was hat es damit auf sich? Ein SRM-System zur Leistungsmessung besteht aus zwei Komponenten: einer speziellen Kurbel (Powermeter) inkl. Sender und einem kleinen Radcomputer (Power Control).


Der getretene Wattwert ist unbestechlich

Das Display des Power Control liefert neben allerseits bekannten Daten wie Trittfrequenz, Geschwindigkeit, Distanz, Höhenangaben, Herzfrequenz eben auch die Leistung in Watt, die der Fahrer aktuell erbringt. Alle Werte sind nachher am Computer auswertbar. Trainiert man das erste Mal mit einem SRM stellt man schnell fest, daß das Gefühl für die Intensität und die tatsächliche Leistung meist stark voneinander abweichen. Wind, Straßenbeschaffenheit, Anstiege oder Gefälle täuschen einen geschickt darüber hinweg, wie schwer es ist einen konstanten Wert zu "treten" und wie wenig dieser mit der Geschwindigkeit und dem Puls zu tun hat. Und so versteht man schnell, daß pulsgesteuertes Training maximal ein guter Nährungswert sein kann, für wirkliches gezieltes Training jedoch nicht reicht.

Denn im Gegensatz zum Pulswert unterliegt die getretene Leistung keinerlei externen Einflußfaktoren. Das harte Training vom Vortag, der Kaffee, die sich anbahnende Erkältung - all das kann den Pulswert deutlich beeinflussen. Die Leistung mit der man tritt, also der Wattwert hingegen, ist unbestechlich.

Besonders deutlich zeigt sich dies, wenn in flachem Terrain zum Beispiel eine Autobahnbrücke überwunden werden muß. Wer hier wie viele nur wenig Tempo rausnimmt, also "wegdrückt", lernt mit einem SRM sehr schnell, das er dafür oft mehr als die doppelte Leistung erbringen muß.

Mit anderen Worten, der Energieverbrauch des Athleten ist in diesem Moment stark erhöht, diese Leistung kann er nicht so lange abrufen wie eine niedrigere. Der Puls hingegen reagiert unter Umständen kaum auf diese kurzfristige Schwankung. Er braucht immer eine gewisse Zeit, bis er sich anpasst.

Auch für den runden Tritt ist ein Wattmess-System eine Hilfe. Wirklich konstant bleibt die Anzeige nur, wenn man gleichmäßig zieht und tritt, was einige Übung und quantitativ ausreichendes Training erfordert.