Schmerz lass nach: Schmerzbehandlung bei Triathleten

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 11.06.2013 um 12:53
Ausdauersportarten vereint, dass selbst im Amateurbereich schon hohe Trainingsumfänge realisiert werden. So ist es im Triathlonsport keine Seltenheit, dass voll berufstätige Sportler neben dem Job 15-20 Stunden Training in der Woche absolvieren. Dementsprechend häufig stellen sich auch Überlastungserscheinungen, in Form von gereizten und entzündeten Sehnen, Bändern und Bindegewebsstrukturen ein. Sei es durch falsche orthopädische Belastung, nicht angepasste Trainingsreize, falsche Technik oder durch einen Mangel an Nährstoffen in der Grundversorgung. Doch was tun, wenn es akut schmerzt? Wir haben die Apothekerin und ehemalige Triathletin Dagmar Lübeck gefragt, welche Schmerzbehandlung für Triathlon sinnvoll ist.

tri2b.com: Was raten Sie einem Triathleten, der kurz vor seinem Saisonhöhepunkt zu Ihnen kommt und zum Beispiel über eine stark schmerzende Achillessehne klagt?
Dagmar Lübeck: Grundsätzlich ist die erste Frage, ob die Probleme mit Sehnen und Bändern ein Einzelfall sind oder häufiger auftreten. Wenn jemand generell hier anfällig ist, dann kann es an der Grundversorgung liegen. Hier könnte man zum einen an Produkte mit Glucosamin denken, da hier wohl immer eine leichte unterschwellige Entzündung vorhanden ist, die in Phasen erhöhter Trainingsbelastung und bei harten Wettkampfreizen dann akut wird. Außerdem muss man etwas gegen den akuten Schmerz machen. Hier empfehle ich für Sportler am liebsten Enzyme zur Einnahme und Cremes oder Gele und auch die althergebrachten Quarkumschläge zur Kühlung und Entzündungshemmung. Kühlung ist bei Sportverletzungen nachwievor das Maß aller Dinge.

tri2b.com: Jetzt sind solche Überlastungsschmerzen an Achillessehne oder Knie ja oft sehr sehr hartnäckig und die eigentliche Ursachen sind eh nur längerfristig behandelbar. Deshalb kommt ja dann auch immer wieder die gute alte Schmerztablette zum Einsatz. Wie ist das zu beurteilen?



Dagmar Lübeck

Dagmar Lübeck (Jahrgang 1972) ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung. Seit 2009 führt sie die Rupertus-Apotheke in Ottobeuren bei Memmingen. In ihrer aktiven Triathlon-Karriere startete sie unter anderem für den SC Delfin Ingolstadt in der Triathlon-Bundesliga. Im Jahr 2000 finishte die heute zweifache Mutter beim Ironman Hawaii (Rang 5 AG 25)

www.rupertus-apotheke-ottobeuren.de


D. L.: Auf jeden Fall sollten Ausdauersportler zur akuten Schmerzeindämmung in erster Linie Mittel zur äußerlichen Anwendung einsetzen. Innerlich angewendete Schmerz- und Entzündungshemmer sind im Ausdauersportbereich sehr kritisch zu sehen, weil diese sehr schnell die Nierenfunktion negativ beeinflussen können. Wenn dann der Sportler im Training oder im Wettkampf stark schwitzt und viel Flüssigkeit verliert, dann kann es wirklich ohne Vorwarnung zum akuten Nierenversagen führen. Dies ist schon vorgekommen und ist lebensgefährlich. Einfach den Schmerz durch eine Tablette einzudämmen, sehe ich als grenzwertig. Natürliche Schmerz- und Entzündungshemmer werden zwar nie den Schmerz komplett eindämmen, sondern immer noch was spürbar werden lassen. Das ist aber ganz klar ein Vorteil für den Einsatz im Sport, da so der Körper noch seine natürliche Bremse hat. Aber hohe Schmerzmittel-Dosen, da wird teilweise Ibu 800 als Einzeldosis eingesetzt, haben im Leistungsport nichts zu suchen. Sollten die Mittel zur äußeren Anwendung beziehungsweise natürliche Mittel keinen Behandlungserfolg bringen, dann muss man sich natürlich was überlegen und eventuell auch andere Wirkstoffe einsetzen. Dies dann aber nur in Verbindung mit einer Trainings- beziehungsweise Wettkampfpause.

tri2b.com: Mittlerweile weiß man durch Feldstudien bei großen Ausdauersportveranstaltungen, dass der Einsatz von Schmerzmitteln kein Einzelfall ist und auch im absoluten Hobbysportler-Niveau Verwendung findet. Fehlt hier das Problembewusstsein, dass dadurch die Gesundheit nachweislich geschädigt wird?
D. L.: Der vorbeugende Einsatz von Schmerzmitteln, wie er von manchen Athleten praktiziert wird – nach dem Motto „heute wird’s weh tun“ , die dann vor dem Start ein Diclofenac oder Ibuprofen einwerfen, ist ein extremes Gesundheitsrisiko, das bisher unterschätzt wurde. So was kann sehr schnell lebensgefährlich werden. Schon eine Tablette kann unter Umständen schon zum Nierenversagen und zum Kollaps führen. Zudem machen diese Athleten dies dann nicht nur im Wettkampf, sondern haben die Präparate auch oft schon im Vorfeld eingenommen, um beispielsweise trotz einer schmerzhaften Trainingsverletzung den lange ersehnten Wettkampfstart nicht zu gefährden.

tri2b.com: Im Vergleich zur Gefahr einer Herzmuskelentzündung durch zu frühe Belastung nach einer Grippe ist dies aber bisher nur sehr selten thematisiert worden.
D. L.: Die immer wieder auftretenden Fälle von kollabierenden Teilnehmer bei Ausdauersportveranstaltungen – im schlimmsten Fall mit Todesfolge - sind in der Tat nicht wie angenommen nur reine Herzproblematiken, sondern zum Teil auch auf Nierenversagen zurück zu führen. Das war lange nicht so bekannt, da war oft von der verschleppten Grippe die Rede. Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass ein Teil der Todesfälle auf den Gebrauch von Schmerzmitteln zurückzuführen ist. Im Alltag würde diese Einnahme absolut ungefährlich sein, aber durch den Flüssigkeitsmangel, der unweigerlich bei starker sportlicher Belastung auftritt, sind dann die Nieren stark gefährdet.

tri2b.com: Ein anderes wichtiges Thema für Wettkampfsportler, die Medikamente einnehmen, ist auch das Wissen über die Zulassung nach den Dopingregularien. Welche Empfehlung sollte hier beachtet werden?
D. L.: Die sicherste Methode ist sich vorab auf der Liste der verbotenen Substanzen der NADA zu erkundigen, ob das Präparat hier gelistet ist. In einer globalen Welt mit Internet kann die Liste jederzeit und von überall eingesehen werden, also auch im Trainingslager oder auf Wettkampfreisen. Und hier gilt das Ausschlussprinzip: Was dort drauf steht, ist absolut tabu. Was auf der “Beispielliste zulässiger Medikamente“ steht, kann ohne Einschränkung eingenommen werden. Die immer wieder zitierten Fälle von versehentlichen positiven Dopingbefunden sind unter Beachtung der Ausschlussliste nicht möglich. Geschichten, dass ein Präparat A im Körper des Athleten dann plötzlich eine verbotene Substanz B freigesetzt hat, gehören definitiv in die Märchenwelt.