Die medizinische Bewegungsanalyse

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 28.03.2012 um 16:42
Überlastungsschäden am Bewegungsapparat können ganz verschiedene Ursachen haben, wobei die häufigsten Auslöser bei Ausdauersportlern und Triathleten auf zu umfangreiches und zu schnell gesteigertes Training, Schwächen in der allgemeinen Athletik, sowie auf stark belastende Bewegungsmuster (passiver Laufstil) zurückzuführen sind. Um die Defizite beim Laufen ausfindig zu machen, bietet sich sowohl zur Vorbeugung als auch zur gezielten Behandlung eine medizinische Bewegungsanalyse an. Wir haben dazu den Münchner Physiotherapeuten Markus Kling befragt.

tri2b.com: Wie schaut typischerweise der Ablauf einer Bewegungsanalyse aus?
Markus Kling (M.K.): Klassischerweise beginnt man mit der Ursacheneingrenzung: Wie lange ist der Sportler schon im Training und aktiv im Triathlon unterwegs? In welcher Trainingsphase im Jahreszyklus befindet er sich? Welche Trainingsumfänge und Intensitäten werden absolviert? Werden regenerative Maßnahmen durchgeführt und wenn ja, welche? Gibt es schon ein Diagnostik, zum Beispiel Röntgenaufnahmen, Kernspintomographie, Ultraschall, um eventuell strukturelle Defizite zu erkennen, beziehungsweise auszuschließen?
Daran schließen sich eigene klinische Tests an, um Aussagen über die Gelenkbeweglichkeit, sowie der Muskel- und Gewebekonsistenz machen zu können. Danach wird das Bewegungsbild des Patienten aufgenommen, sowohl barfuß als auch in den eigenen Laufschuhen. Aus allen Informationen bilde ich dann eine Ursachenhypothese, anschließend werden mögliche Behandlungsmaßnahmen besprochen, beispielsweise Stoßwellentherapie, Detonisierung der Muskulatur, Veränderung des Stretchingprogramms, Veränderung der Regenerationszeiten, Anpassung der Lauftechnik.

Markus Kling ist ausgebildeter Physiotherapeut und behandelt am Standort München seit sechs Jahren Sportler verschiedenster Disziplinen. Dabei hat sich der 36-Jährige auf Bewegungsanalysen und manuelle Therapie spezialisiert. . Zur Website von Movilo ...



tri2b.com: Welche Kosten fallen bei einer Bewegungsanalyse für den Patienten an?
M.K.: Die reine Bewegungsanalyse ohne ärztliche Diagnose liegt bei 80 Euro plus Mehrwertsteuer. Bei allen weiteren Behandlungen kommt es immer auf den Versicherungsstatus des Patienten an. Privatpatienten bekommen meistens eine Stoßwellentherapie bezahlt, bei Kassenpatienten fallen hier 50 bis 80 Euro pro Einheit an. Klassische Physiotherapie und Einlagenversorgung gibt es über ärztliches Rezept. Verletzt sich ein Sportler direkt vor einem für ihn wichtigen Wettkampf, dann muss aber zum Beispiel auf schnellgreifende Maßnahmen wie eine Stoßwellentherapie zurückgegriffen werden. In so einem Fall, wenn es schnell gehen muss, kommen dann auf den Patienten meist schon Kosten von 200 bis 300 Euro zu, die er selbst tragen muss.

tri2b.com: Wie lange dauert es, bis eine Therapie normalerweise anschlägt?
M.K.: Hier muss man ganz klar verschiedene Krankheitsbilder unterscheiden. Ein Schienbeinkanten-Syndrom mit muskulärer Ursache, durch Fußaufsatz beispielsweise, bekommt man binnen vier Behandlungen einigermaßen in den Griff. Wenn sich aber ein Sportler über ein dreiviertel Jahr aufgrund von Überlastung eine Achillodemie angezüchtet hat, dann dauert so was deutlich länger. Die Achillessehne ist sehr schlecht versorgt und Umbauprozesse benötigen dort mehr Zeit bis sie greifen. Da sind auch drei Monate keine Ausnahme.

Athletische Defizite können durch entsprechendes Training innerhalb eine viertel Jahres ausgemerzt werden. Aber der Erfolg, sowohl bei symptomatischen Behandlungen als auch beim athletischen Aufbau, ist 100-prozentig proportional zur Vernunft und zum Einsatz des Patienten. Es kann nun mal nicht funktionieren, wenn Athleten während einer akuten Behandlungsphase ein Laufverbot ignorieren. Ziel einer jeden Rehabilitation ist, dass wir erst mal schauen, das die Behandlung anschlägt. So lange heißt es Pause und/oder Alternativtraining durchführen. Solche Empfehlungen werden sehr oft übergangen und die Motivation zu alternativen Trainingsformen geht oftmals gegen Null. Ich will aber auch die andere Seite darstellen. Wir haben auch Athleten in Behandlung, die durch Fleiß sowohl ihre Beschwerden in den Griff bekommen und sogar ihre Leistungspotential steigern können.

tri2b.com: Gibt es neben den Defiziten bei der Trainingsgestaltung und den athletischen Voraussetzungen auch Probleme beziehungsweise Defizite im Bereich Laufschuh- oder Einlagenversorgung?
M.K.: Das Thema Schuh wird öfter erwähnt als mögliche Ursache, als es tatsächlich der Fall ist. Ein guter Läufer kann überspitzt gesagt mit fast jedem Schuh laufen. Hauptursache ist wie schon erwähnt mangelnde Athletik und mangelndes Körpergefühl. Viele Athleten haben echte Probleme, auf Ansage ihren Fußaufsatz zu verändern, zum Beispiel von Rückfuß auf Mittelfuß, mit breiteren Fußaufsatz laufen usw... Es kommt dann sehr oft die Nachfrage, „wie soll ich denn das machen“. Die meisten Hobbytriathleten haben zudem einen sehr passiven Laufstil mit einem verheerenden Fußaufsatz, laufen aber unglaubliche Umfänge. Bei so einem passiven Laufstil kommen die Läufer meist extrem außenseitig auf der Ferse auf und entwickeln ein sehr ungünstigen Hebel auf das Fußgelenk mit den bekannten und meist schmerzhaften Folgen. Je aktiver, je geführter und flacher der Fußaufsatz ist, desto unproblematischer stellt sich die Sache dar. Einlegesohlen sind eher ein Thema bei Frauen. Wenn eine Athletin bei längeren Läufen im Vorfuß eine Spreizfuß-Problematik entwickelt, dann ist eine Einlegesohle zur Unterstützung des Quergewölbes sinnvoll. Ansonsten ist für aktive Läufer eine Einlagenversorgung nicht das Therapie-Mittel Nummer eins.