Die Energiebereitstellung: anaerob vs aerob

von C. und D. Wachter für tri2b.com | 12.01.2010 um 11:49
Der Körper will während jeglicher Belastung mit Energie versorgt werden. Verständlicherweise stellen aber verschiedenartige Anstrengungen unterschiedliche Ansprüche an das Herz-Kreislaufsystem und an die Muskeln. Deren „Arbeitseinsatz“ fordert spezifische Energie und dementsprechend muss auch die Energieaufnahme angepasst werden. Welche „Brennstoffe“ sind also die richtigen für welche Leistung?

Muskeltypen und Energieträger
Energie wird in drei Formen im menschlichen Körper eingelagert, dementsprechend auch im Vorfelde über die Nahrung aufgenommen. Es handelt sich hierbei um Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette. Die Fette sind hierbei die energiehaltigsten Energieträger mit einem Brennwert von ca. 9 kcal pro Gramm, gefolgt von Eiweiß und den Kohlenhydraten mit jeweils ca. 4 kcal pro Gramm. Die unterschiedlichen Energieträger versorgen unterschiedliche Muskeltypen, von denen es grundlegend zwei Klassen gibt: die roten Muskelfasern und die weißen. Rote Muskelfasern nennt man ST – slow twitch fibers (langsam zuckende Fasern). Dieser Typ wird hauptsächlich mittels Fetten „betrieben“, da die Muskelarbeit nicht intensiv, sondern umfangreich und verhältnismäßig langsam erfolgt. ST als auch Fette können somit dem Ausdauersport zugewiesen werden. Weiße Muskelfasern, FT – fast twitch fibers (schnell zuckende Fasern) hingegen arbeiten in intensiven Bereichen, wie z.B. bei Sprintern und bedienen sich hauptsächlich der Kohlenhydrate als Energielieferer, um den Muskel schnell mit Energie versorgen zu können.
Wie sieht allerdings der Prozess der Energiebereitstellung aus? Diese Frage gilt es essentiell zu beantworten, damit verständlich wird, warum Muskeln bei intensiver Arbeit keine Energie aus den Fetten gewinnen können.

Der Prozess der Energiebereitstellung
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten der Verwertung von Energieträgern (Energiestoffwechsel) im Körper: Die aerobe (von griech.: „aer“ = Luft) und die anaerobe Energieversorgung (ohne Luft).

Bei der aeroben Energiebereitstellung werden vornehmlich Fette (Fettsäuren) und Glucose mit Hilfe von Sauerstoff endoxidiert. Man sollte sich diverse Fette als lange Kette vorstellen, die nach und nach aufgebrochen wird bis nach der Glucose der Endbaustein ATP (Adenosintriphosphat) offen gelegt ist. Dieser wird letztendlich mittels Sauerstoff zu ADP (Adenosindiphosphat) reduziert, indem eine Phosphatgruppe vom ATP-Molekül abgespalten wird – man spricht auch von Zellatmung. Hierbei entsteht Energie. Eine lange Kette, wie es Fette bilden, bedarf eines längeren Prozesses, bis ATP zu ADP umgewandelt werden kann. Allerdings benötigt dieser Prozess eine längere Zeit, was sich deshalb auch determinierend auf die muskuläre Leistung auswirkt. In Langzeitausdauersportarten, zu dem auch der Triathlon gehört, ist diese Zeit meist vorhanden. Bei ausreichender Sauerstoffzufuhr und eher extensiven Belastung Fett in Energie umzuwandeln und somit doppelt so viel Energie aus einem Gramm Fett zu beziehen als aus einem Gramm Kohlenhydrate.

 
Die anaerobe Schwelle:
Ein wichtiges Stichwort ist die so genannte „anaerobe Schwelle“ (auch „Laktatschwelle“ oder „aerob-anaerobe Schwelle“ genannt). Sie beschreibt den Grenzwert, bei dem gerade noch ein Gleichgewichtszustand zwischen Laktatbildung und -abbau herrscht - es kommt somit zu keiner Übersäuerung. Sie ist naturgemäß individuell verschieden angesetzt, weswegen auch häufig von der „individuellen Anaeroben Schwelle“ (iANS) die Rede ist. Die Leistung (Schwellenleistung) an der iANS kann durch Training verbessert werden (sichtbar durch eine Rechtsverschiebung der Laktatkurve bei einem Laktatstufentest). Jenseits von ihr arbeiten die Muskeln also anaerob – der Körper benötigt viele kurzkettige Kohlenhydrate, die Muskeln übersäuern und die Leistung kann nur über einen sehr begrenzten Zeitraum aufrecht erhalten werden.

Wird nun die Muskulatur sehr stark beansprucht, so dass eine ausreichende Energiebereitstellung nicht mehr über die Zellatmung gewährleistet werden kann, disponiert der Körper in der Energiegewinnung um. Unter einem unter starker Last entstehenden Sauerstoffdefizit forciert der menschliche Körper den anaeroben Energiestoffwechsel. Hierbei wird deutlich weniger bis nahezu kein Sauerstoff (je nach Intensität: anaerob-alaktatzid = 6-10 Sekunden Belastungsdauer; anaerob laktatzid = bis ca. 45 Sekunden) benötigt und der Prozess der Energiegewinnung ist ein deutlich anderer als bei der Zellatmung. Dem Körper wird zur Energieaufrechterhaltung vermehrt Glucose aus dem Blut entzogen und auch hier kommt es zu einer finalen Spaltung von ATP zu ADP, allerdings fällt die ATP-Ausbeute aufgrund der geringeren Potenz des Kohlenhydrates im Verhältnis zum Fett deutlich geringer aus als bei der Zellatmung. Zudem ist das Vorhandensein von Glucose (Kohlenhydrate) im Blut stark limitiert und bedarf einer permanenten Nachversorgung. Bei einem plötzlich erreichten Mangel an Glucose kommt er zur muskulären Ermüdung, der gesamte Organismus fühlt sich ausgelaugt an (Hungerast, Unterzucker). Ein Nachteil der anaeroben Energiebereitstellung ist mangels des Sauerstoffes das Anfallen von Nebenprodukten wie Milchsäure – man spricht auch davon, dass die Energieträger nicht vollständig oxidiert werden. Hält man sich lange in einem sehr intensiven Bereich auf, entsteht zunehmend mehr Milchsäure (Laktat) und wirkt hemmend auf die Muskelfunktionen (man wird sauer/blau), bis hin zum Abbruch der sportlichen Leistung. Somit ist die Kombination aus schnellem Verbrauch der Glucose und dem Anstieg der Milchsäure verantwortlich für die Limitierung der muskulären Leistung. Fette verbrennen nur im Feuer der Kohlenhydrate Ein weiterer Punkt, der dem Ausdauersportler deutlich bewusst sein sollte ist, dass nie nur anaerob oder aerob Energie bereit gestellt wird (z.B. schnell anschwimmen im Ironman, taktischer Zwischensprint, Berganfahrten auf dem Rad in hoher Intensität). Bei einer Ausdauersportleistung über viele Stunden (Marathon, Ironman) werden immer auch Kohlenhydrate „verbrannt“. Deswegen müssen über die Wettkampfverpflegung neben dem Flüssigkeitsersatz auch Kohlenhydrate (z.B. Riegel und Gels) zugeführt werden. Allerdings holt sich ein gut ausdauertrainierter Körper im Langdistanztriathlon die meiste Energie aus Fetten (90 % des Energiebedarfs können bei niedriger Intensität aus Fettsäuren gedeckt werden) und ist so gewappnet für den Erhalt einer längeren, moderaten Leistungsfähigkeit. Warum dann eigentlich nicht auch Fette zu sich nehmen, um den Speicher aufzufüllen wäre eine legitime Frage, die allerdings damit beantwortet wird, dass der menschliche Körper, selbst wenn er sich eher fettreduziert ernährt, in etwa 70.000 kcal als Reserve speichert – mehr als ausreichend, um theoretisch gleich mehrere Ironmans zu bestehen. Die Kohlenhydratspeicher reichen bei intensiven Belastungen nur 1-2 Stunden (abhängig von Intensität und Füllung der Speicher) und müssen dadurch ständig nachgefüllt werden. Man sollte zudem nicht vergessen, dass neben der sportlichen Leistung auch Körpererhaltungsmaßnahmen Energie verzehren und dies geschieht auch über Kohlenhydrate (vor allem das Gehirn arbeitet gerne mit dem schnellen Brennstoff). “Geh nicht zu schnell an“ Aerobe und anaerobe Energiebereitstellung gehen also je nach Belastung unterschiedlich gewichtet einher. Die Kunst auf langen Wettkampfstecken erfolgreich zu sein ist, möglichst nur, bzw. möglichst lange, im aeroben Bereich zu bleiben, um nicht zu schnell „auszubrennen“, sprich die Kohlenhydratspeicher komplett zu leeren. Deshalb hat der immer wieder zu hörenden gute Tipp, „geh nicht zu schnell an“, seine Bedeutung von der nicht zu überlistenden biologischen Wirkungsweise der Energiebereitstellung. Ein generell zu hoch eingeschlagenes Wettkampftempo wird deshalb zwangsläufig zum einem starken Leistungsabfall im weiteren Rennverlauf führen. Während einer ausdauernden Belastung wie insbesondere einer Triathlon-Langdistanz ist der Anfänger also gut beraten, seine anaerobe Schwelle nicht zu überschreiten. Auch der ambitionierte Athlet muss beachten, dass bei der Zeitjagd ein zu frühes und zu starkes Übersäuern der Muskeln in jeden Fall einen zu starken Leistungsabfall bewirken wird und ihm daran gelegen sein muss, seine Pace in kalkulierten Dimensionen zu halten.