Anne Haug: Auf dem Rad kann ich die Welt noch nicht aus den Angeln heben

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 26.05.2018 um 10:45
Im Jahr 2012 katapultiert sich Anne Haug mit Rang zwei in der Gesamtwertung der ITU World Triathlon Series in die Weltspitze über die Olympische Distanz. Nach zwei Olympiateilnahmen (London 2012, Rio 2016) wechselte die Bayreutherin, die weiter am Olympiastützpunkt in Saarbrücken trainiert, im Vorjahr auf die Mitteldistanz und feierte gleich beim ersten Rennen auf Lanzarote den ersten Sieg. Bei der Challenge Family Meisterschaft "The Championship" im slowakischen Šamorín am 3. Juni zählt Haug nun zum Kreis der Mitfavoritinnen. Wir haben mit Anne Haug über Šamorín, den Umstieg auf die Mitteldistanz und dem anstehenden Abenteuer der ersten Langdistanz gesprochen.

tri2b.com:  Drei deiner bisher vier absolvierten Mitteldistanzrennen hast du als Siegerin beendet, einmal wurdest du Zweite. Eine beindruckende Bilanz. Mit welchen Erwartungen gehst du nun in Šamorín in das Challenge Championship-Rennen?
Anne Haug (A.H.): Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass es jedes Mal so weiter geht. Das Feld in Šamorín ist extrem stark besetzt und an einem guten Tag kann jede Athletin jede schlagen. Ich mache mir deshalb keinen Druck. Neben einer absoluten Topform braucht es auch mechanisches Glück, sprich mit einem Materialdefekt ist man schon raus aus dem Titelrennen. Ich versuche mich einfach bestmöglich vorzubereiten, dann wird man sehen. Es ist definitiv kein Wunschkonzert.

tri2b.com:  Der Radkurs in Šamorín ist topfeben. Hast du dich speziell darauf vorbereitet?
A.H.: Die flache Radstrecke an der Donau kommt natürlich den kräftigeren Athletinnen entgegen. Da hab ich es schwer, mit meinen nur 50 kg Körpergewicht dagegen zu halten. Ich kann halt keine Monsterwatt treten. Wir haben aber zuletzt im Training verstärkt im Kraftbereich gearbeitet, um dieses Defizit zu minimieren. Allerdings bin ich eben erst ein gutes halbes Jahr im Training für die längeren Raddistanzen, da kann man die Welt nicht gleich aus den Angeln heben.

Anne Haug war erstmals mit ihrem Ausrüster DT Swiss im Windkanal  - © Tom Schlegel

 

tri2b.com:  Und du warst erstmals mit deinem Laufradausrüster DT Swiss im Windkanal. Welche Erkenntnisse hast du vom Bodensee mitgenommen?
A.H.: So groß umgestellt an der Sitzposition haben wir gar nicht. Es ging vor allem auch herauszufinden, welche Felgenhöhen und Laufradkombination ich je nach Windbedingungen fahren kann.  Im Hinblick auf Šamorín wird das nun ein DT Swiss ARC 1100 DICUT Vorderrad mit 62 mm Felgenhöhe und hinten die DT Swiss RRC 2.0 Scheibe sein.

tri2b.com:  Du bist erst seit dem September 2017 auf der Mitteldistanz unterwegs. Wie verträgst du die Umstellung in der Trainingsbelastung und was wurde konkret umgestellt?
A.H.: Die Umstellung war gar nicht so groß, schließlich war der Gesamttrainingsumfang auch schon zu meiner Kurzdistanzzeit ziemlich hoch. Es sind vielleicht noch 3-4 Stunden im Wochenschnitt dazu gekommen. Insbesondere gab es Verschiebungen bei den Schwerpunkten. Das Schwimmen wurde weniger, das Radfahren entsprechend mehr. Neu ist auch, dass die harten Radintervalle deutlich länger wurden. Das kannte ich so bisher nicht. Und natürlich die Umstellung auf das Zeitfahrrad. Da hatte ich in der Aeroposition erst einmal deutliche Watteinbußen im Vergleich zur klassischen Rennradposition. Hier musste ich mich, unter Schwerstarbeit von meiner Physiotherapeutin Sabrina Hoppe, schrittweise ran arbeiten.

tri2b.com: Wie sieht es mit der veränderten Laufbelastung aus? Du hattest in der Vergangenheit bereits Ermüdungsbrüche, zuletzt nach Olympia 2016.
A.H.: Der Hüftbereich wird bei mir immer ein Schwachpunkt bleiben. Ich muss hier ständig an mir arbeiten. Ohne die Hilfe von Sabrina und die Unterstützung der ansässigen Sportsmed Saar, bei der ich optimale Reha-und Präventionsbedingungen vorfinde, sowie die Möglichkeit die vielfältigen Faszilitäten des Olympiastützpunktes in Saarbrücken zu nutzen, wäre das nicht möglich. Wir arbeiten hier u.a. ständig an der Beckenstabilität.

tri2b.com: Am 8. Juli kommt noch eine ganz andere Belastung auf dich zu. Du wirst an der Startlinie der Ironman EM in Frankfurt stehen und die erste Langdistanz in Angriff nehmen.  Mit welchem Gefühl sieht du diesem "längsten Tag des Jahres" entgegen?
A.H.:  Ich muss sagen, ich habe schon einen riesen Respekt vor der Distanz. Schließlich simuliert man die Ironman-Distanz im Training nicht. Zum Glück hab ich mit Dan Lorang einen Trainer, der weiß wie der Umstieg auf die Langdistanz funktioniert. Bei der Mitteldistanz war das jetzt nicht wirklich ein Problem, da die Belastung schon noch sehr mit einer Kurzdistanz vergleichbar ist. Ich weiß aber nicht wie sich mein Körper bei 9 Stunden Sport am Stück verhält, wie es mit der Ernährung klappt. Ich lasse mich am 8. Juli mal überraschen.

tri2b.com: Wie lang warst du bisher im Training unterwegs?
A.H.:  Bisher bin ich einmal zusammen mit Anja Beranek und Anja Knapp 180 km gefahren. Das war im vergangenen Herbst, als sich Anja Beranek auf Hawaii vorbereitet hat. Ansonsten waren es zuletzt bis 5 Stunden Belastungszeit. Ich bin gespannt, was mein Trainer noch die letzten Wochen mit mir vorhat.

tri2b.com: Wäre der Ironman Hawaii im Falle einer Qualifikation in Frankfurt schon ein Thema?
A.H.: Mein eigentliches Ziel für die zweite Saisonhälfte ist ganz klar die Ironman 70.3 WM in Südafrika. Bei meiner Langdistanz-Premiere in Frankfurt spielt das Kona-Proranking deshalb auch  eine untergeordnete  Rolle. Da will ich mich nicht unter Druck setzen. Sollte es mit einer guten Leistung dann für eine Kona-Quali reichen, dann würde ich diese allerdings auch wahrnehmen.  

Das Interview wurde von der Challenge Family im Rahmen der THE CHAMPIONSHIP in Šamorín vermittelt.

>>Alle Infos zur THE CHAMPIONSHIP in Šamorín ...