Der auf der beeindruckenden Geschichte von Andreas Niedrig basierende Film über seine zwei Leben als Junkie und Profi-Triathlet ist mit zum großen Teil stimmiger Story und sehr guten schauspielerischen Leistungen einen Besuch wert.
Kometenhafter Aufstieg mit Vorgeschichte
Nie zuvor und nie mehr danach hat ein Newcomer so schnell die Spitze erklommen wie Andreas Niedrig in den Neunzigern. Er tauchte plötzlich auf, lief nach sechs Monaten Training den Marathon in 2:43, den ersten Ironman finishte er in 8:06:57 Stunden in Roth, als schnellster Rookie jemals.
Niedrig, der trotz des kometenhaften Aufstieges bar jeglicher Starallüren immer einer der bescheidensten Athleten des gesamten Profifeldes blieb, erzählte etwas von Sport als Therapie gegen Kettenrauchen. Allerdings blieb mit steigendem Bekanntheitsgrad seine Vorgeschichte als Drogenabhängiger nicht verborgen. Er machte das Beste daraus, offenbarte dem Autor und ehemaligen Rauschgiftfahnder Jörg Schmitt-Kilian die ganze Story: das Buch „Vom Junkie zum Ironman“ erschien.
Drogen bestimmten den Alltag
Niedrig hat sich aber immer entschieden gegen das allzu gefällige Klischee gewehrt, der Sport habe ihn die Sucht besiegen lassen. Clean wurde er mit einer stationären Drogentherapie. Erst danach kam der Sport. So hält es auch die Dramaturgie des Films, das gelungene Regiedebüt von Adnan Günter Köse. Andreas flieht vor dem engen Elternhaus und dem autoritären Vater (Heino Ferch) zu seinen Freunden. Kiffen, Gelegenheitsdiebstähle „Shoppen“ genannt, immer mehr bestimmen die Drogen den Alltag, dann Heroin – Nur kurz kann ihn Freundin (Jasmin Schwiers) und Kind herausreißen, als er wieder einsteigt geht der Abstieg um so schneller weiter.
Max Riemelt verkörpert ihn in seiner labilen Verletzlichkeit sehr glaubwürdig, sehr gut ergänzt durch Robert Gwisdek und Ismail Deniz als seine Kumpels. Die größte Überraschung ist aber Axel Stein, als der Vierte im Bunde, der bisher auf tumbe Comedyrollen festgelegt war und hier mit sensibler Schauspielkunst endlich in einer ernsten Rolle zeigen kann, was wirklich in ihm steckt.
Nachdem sich Andreas bester Freund „Motte“ an seinem Geburtstag den goldenen Schuß gibt, scheint auch für ihn das Ende unausweichlich, ein mißglückter Selbstmordversuch bringt schließlich die Wende. Er macht eine Therapie. Gestärkt stellt er sich dem Leben und seinen Konflikten.
Triathlonkarriere
Die Zeit ist reif für Trainer und Radladenbesitzer Oscar, gespielt von Uwe Ochsenknecht, als geläuterten Lebemann mit Vorgeschichte. Während der erste Teil des Films detailverliebt und sehr überzeugend die 80er als Kulisse für die Drogenstory abbildet, gelingt dies bei der Triathlonkarriere des Ex-Junkies weniger gut, und auch die Rolle des Trainers beschränkt sich im Wesentlichen drauf, seinem Schützling Geduld zu lehren. Bei dem erkennbaren – und an sich lobenswerten – Versuch, keine der mittlerweile gängigen IRONMAN-Heldenstories zu erzeugen, leidet die Authenzität an allzugroßer Nüchternheit.
Packende Bilder
Wehmütig erinnert man sich an den Anfang: Die ersten zwei, drei Minuten des Films verdichten die Faszination Ironman in einer Intensität die man auch bei den preisgekrönten amerikanischen NBC-Hawaiireportagen selten gesehen hat. Das Team, live vor Ort beim IRONMAN Lanzarote, bietet das volle Programm: Packende Musik, Unterwasserkamera, im vollen Tempo vom Schwimmausstieg in die Wechselzone aus Athletensicht, rasante Kamerafahrten über die Köpfe hinweg, schnelle Schnitte mit anfeuernden Zuschauern, Presse, Helfern.
Der richtige „Kick“ zum Saisonanfang, nur viel zu wenig, gerade genug für „Entzugserscheinungen“, drängt sich einem in gerade gehörter Diktion angesichts der packenden Bilder vom Anfang auf. Andreas Niedrig hat selbst nie einen Hehl daraus gemacht, daß auch der Langdistanztriathlon mit seinen Adrenalin- und Endorphinschüben Suchtcharakter haben kann: „Ein Süchtiger bleibt immer süchtig und hört nie auf zu wachsen. Ich bin in meiner sportlichen Karriere über mich hinausgewachsen. Viele reden von Suchtverlagerung, aber ich bin lieber lauf- als heroinsüchtig…“ heißt es sehr früh in seinem Buch.
Und auch der Film stellt im letzten Teil den Zusammenhang her: „So viel Stress für ein bisschen Spaß? Das kannst du auch leichter haben.“ wird der verstorbene Drogenkumpel zitiert. Die Antwort ist klar, doch was kommt danach „Wenn das alles vorbei ist mit dem Sport?“ Zu schönen Landschaftsbildern aus Lanzarote gibt es die Antwort darauf: „Eigentlich ist es egal“, man müsse nur in Bewegung bleiben.