tri2b.com: Einen riesengroßen Glückwunsch zum Ironman Hawaii Agegroup-WM-Titel. Du hast hier schon einmal vor sechs Jahren deine Agegroup gewonnen und bist Ironman-Weltmeister geworden. Wie erging es dir dieses Mal im Rennen?
Hermann Scheiring (H.S.): Für mich war es diesmal viel, viel härter als 2018, um hier ins Ziel zu kommen. Das lag vor allem daran, dass ich schon beim Schwimmen Krämpfe bekommen habe. Das hat sich dann das ganze Rennen so fortgesetzt, bis zum Marathon. Irgendwie konnte ich nicht so richtig ans Limit gehen und trotzdem hat es gereicht zu einem ersten Platz. Das war grandios.
tri2b.com: Wie schätzt du die diesjährigen Bedingungen ein. Neben deinem Agegroup-Rekord gab es ja noch vier weitere neue Altersklassen-Bestzeiten?
H.S.: Eigentlich waren die Bedingungen optimal. Das Wasser war flach, fast wie im Schwimmbad. Beim Radfahren gab es insgesamt wenig Wind, lediglich auf dem Abschnitt hoch nach Hawi war etwas stärkerer Gegenwind. Im Marathon war es dann sogar teils bewölkt. Die letzten fünf Kilometer musste ich im Regen laufen. Das ist nicht so mein Ding, aber dafür war es jetzt nicht zu heiß. Wobei ich ehrlich gesagt auf richtig Hitze gehofft hatte, das wäre mein Ding gewesen.
Ich weiß, ich kann Hitze richtig gut. Andere müssen hier früher aufgeben oder deutlich rausnehmen.
tri2b.com: Wobei bei den Profis viele über die Hitze gestöhnt haben?
H.S.: Ich kenn die Diskussion und ich weiß, dass viele über die Hitze jammern. Für mich gilt aber, dass ich genau dann besser bin als viele andere meiner Konkurrenten. Keine Ahnung, woran das liegt. Außenstehende sagen immer, ich hätte eine andere Hitzeregulation. Vielleicht steigt meine Körperkerntemperatur nicht so wie bei anderen an. Ich weiß, ich kann Hitze richtig gut. Andere müssen hier früher aufgeben oder deutlich rausnehmen.
tri2b.com: Bereitest du dich speziell auf die Hitze vor?
H.S.: Ja, das mache ich schon. Ich suche bei uns im Sommer bewusst die heißen Tage raus. Wenn es dann am heißesten ist, laufe ich los. In diesem Jahr war das Hitzetraining allerdings nicht so ergiebig. Es gab vielleicht in Summe drei Wochen, wo es mal richtig heiß war.
tri2b.com: Du startest in der Altersklasse 65 – 69. Da ist es sicher noch ein größeres Thema und sozusagen der „Ironman“ vor dem „Ironman“, fit und ohne größere Wehwehchen an die Startlinie zu kommen. Wie ist das bei dir?
H.S.: Ich weiß nicht, wann das anfängt, aber ich bin jetzt 66 Jahre alt und ich bin durch so ziemlich alle Verletzungen durch. Ich könnte ein Buch schreiben über alle meine Verletzungen. Angefangen von der Schulter bis runter zu den Zehen. In dieser Saison konnte ich drei Monate nicht laufen bzw. nur sehr wenig laufen, weil ich eine Art Fersensporn hatte, beidseitig. Ein befreundeter Arzt hat mich dann sensationell behandelt und es ist rechtzeitig für Hawaii noch gut geworden. Ich konnte dann sogar wieder bis an die 80-100 Kilometer die Woche ran laufen. Die Schulter hat zeitweise auch etwas Probleme gemacht. Im Alter zwickt es überall mal, aber wenn man ganz ehrlich ist, dann sind das Luxusprobleme eines Sportlerlebens. Das sind keine wahren Probleme, die sehen ganz anders aus.
tri2b.com: Seit wann bist du im Triathlon aktiv und wie bist du zur Langdistanz gekommen?
H.S.: Ich habe lange Zeit nur Kurzdistanz gemacht. Mit Triathlon angefangen habe ich schon Anfang der 90iger Jahre. Auf Hawaii war ich aber erst 2018 das erste Mal. Ein Freund hatte mich dazu gebracht es mal mit der Langdistanz zu probieren. 2017 bin ich dann beim Ironman Emilia-Romagna in Italien gestartet. Das war mein erster Ironman und habe dort gleich die Quali für Kona geholt.
Also ich glaube Ironman hat eines der besten Sportprodukte der Welt und hat in den letzten Jahren katastrophale Entscheidungen gefällt.
tri2b.com: Wie hast du jetzt die Diskussion der Aufteilung der Ironman-WM wahrgenommen. Die Aufteilung zwischen Männer und Frauen und der Wechsel zwischen Kona und Nizza?
H.S.: Also ich glaube Ironman hat eines der besten Sportprodukte der Welt und hat in den letzten Jahren katastrophale Entscheidungen gefällt. Eine Entscheidung nach der anderen zum Nachteil dieser sensationellen Marke. Und das Nächste, was sie machen könnten, wäre, dass sie im Prinzip den Mythos Hawaii kaputt machen. Ich hoffe, dass jetzt irgendwann eine Trendwende kommt. Also eine bessere Marke als den Ironman Hawaii gibt es ja gar nicht. Ich möchte den Veranstaltern in Nizza nicht zu nahetreten. Ich bin dort auch schon gestartet bei der Ironman 70.3 WM 2019. Es ist eine wunderschöne Strecke, es ist super organisiert. Die Organisatoren geben alles, aber die Ironman-WM gehört einfach hierher nach Kona. Und die Frauen rein aus Gründen des Kommerzes separat starten zu lassen, sehe ich sehr, sehr kritisch und würde ich sofort wieder zurücknehmen. Die Startplätze für die Frauen in Nizza wurden ja wie auf dem Jahrmarkt angepriesen und „hergeschenkt. Bei den Pros müsste man jedoch über gleichberechtigte Berichterstattung und Sendezeiten nachdenken. Vielleicht bringt der neue Ironman CEO Scott DeRue irgendwelche Entscheidungen und Veränderungen in diese Richtung. Ich habe seine Worte hier gehört. Jetzt wird man sehen, ob das nicht nur Sonntagsreden waren oder er tatsächlich die vielen Anregungen aufgreift und etwas daraus macht.
tri2b.com: Wie hast du diesmal hier generell das Flair empfunden, im Vergleich zu 2018?
H.S.: Ich finde, da nur Männer gestartet sind, war es schon anders. Es hatte insgesamt was, dass Frauen und Männer, Profis und Agegrouper gemeinsam gestartet sind. Das ist etwas was es nur in dieser Sportart gibt und das würde ich wieder anstreben und als Ironman-CEO hätte ich mir das nie aus der Hand nehmen lassen. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, sowas macht man nicht kaputt. Zum Flair: Ich hab ja noch diesen Kanonenschuss für alle erlebt mit dieser berühmten Waschmaschine beim Start. Das war schon sehr speziell muss man sagen. Es war aber auch ein Privileg das machen zu dürfen. Dafür war damals das Radfahren in Pulks deutlich stärker verbreitet. Ich habe da 20er und 30er-Gruppen gesehen, die da eng aufeinander gefahren sind. Jetzt mit den vielen Wellenstarts war es besser verteilt. Das Radfahren war eigentlich sehr fair.
tri2b.com: Wie geht es bei dir weiter. Mit 66 Jahren Ironman-Weltmeister. Hast du noch Ziele im Triathlon?
H.S.: Aktuell weiß ich das noch nicht. Ich warte jetzt erst einmal ab und treffe dann die Entscheidungen. Auf Roth hätte ich definitiv noch richtig Lust. Die Challenge Roth habe ich noch nicht gemacht. Es ist ja fast einfacher die Quali für eine Ironman WM zu schaffen als einen Startplatz in Roth zu ergattern.
Ein Roth-Finish wäre der Knaller
tri2b.com: Ein Roth-Finish wäre also ein tolles Karriereende für dich?
H.S.: Das wäre der Knaller: Aber, mal schauen. Es gibt zwei, drei Gründe die für mich entscheidend sind weiter Triathlon zu machen. Der erste Grund wäre, wenn ich echt keine Lust mehr auf das ganze Ausdauertraining und den Wettkampf habe. Und zweitens. Wenn irgendwann jemand von meinen engsten Vertrauten sagt, das sieht nicht mehr ästhetisch aus wie du da läufst. Wenn das mal passiert, dann habe ich zu spät aufgehört. Das möchte ich verhindern. Ich schau jetzt einfach von Saison zu Saison.
tri2b.com: Als Agegroup-Weltmeister bist du automatisch für Nizza 2025 qualifiziert. Ist das ein Thema?
H.S: Genau, da könnte ich jetzt starten. Aber wahrscheinlich mache ich Nizza eher nicht. Es gibt viel Arbeit daheim. Es stehen Arbeiten am Haus an und mein Berufsleben klingt gerade so aus. In dieser Übergangszeit ist aktuell noch viel zu tun und zu organisieren. Aber vielleicht packt mich die Begeisterung für diese tolle Sportart früher wieder als gedacht.