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Daniel Unger: Auch die T100-Serie muss ihre Hausaufgaben machen

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Wer in Deutschland bei Triathlon-Rennen live vor Ort ist oder Triathlon im TV verfolgt, der wird die Stimme von Daniel Unger kennen. Der Oberschwabe, der im Jahr 2007 bei der ITU Heim-WM in Hamburg mit der Goldmedaille den größten Erfolg seiner Karriere feierte, kommentiert auf Eurosport als Experte die Triathlon-Übertragungen und ist bei der Triathlon Bundesliga, sowie vielen weiteren Events zwischen Hamburg und dem Allgäu als Sprecher am Mikrofon. Zum Saisonstart haben wir mit Daniel Unger über die T100-Serie, die Chancen der jungen deutschen Pros, über Vorbilder und den Umgang mit Social Media gesprochen. Außerdem gibt der 47-Jährige einen kurzen Einblick in sein Sportfreund-Trainingsprojekt.
Daniel Unger Triathlon Ingolstadt 2024
Daniel Unger in Aktion als Moderator beim Audi Triathlon Ingolstadt – Bildrechte: tri2b.com

Wer in Deutschland bei Triathlon-Rennen live vor Ort ist oder Triathlon im TV verfolgt, der wird die Stimme von Daniel Unger kennen. Der Oberschwabe, der im Jahr 2007 bei der ITU Heim-WM in Hamburg mit der Goldmedaille den größten Erfolg seiner Karriere feierte, kommentiert auf Eurosport als Experte die Triathlon-Übertragungen und ist bei der Triathlon Bundesliga, sowie vielen weiteren Events zwischen Hamburg und dem Allgäu als Sprecher am Mikrofon. Zum Saisonstart haben wir mit Daniel Unger über die T100-Serie, die Chancen der jungen deutschen Pros, über Vorbilder und den Umgang mit Social Media gesprochen. Außerdem gibt der 47-Jährige einen kurzen Einblick in sein Sportfreund-Trainingsprojekt.

tri2b.com: Die Triathlon-Saison 2025 steht in den Startlöchern. Wenn du kurz auf 2024 zurückblickst. Was war für dich der beeindruckendste Triathlon-Moment im Vorjahr?
Daniel Unger (D.U.): Für mich ganz klar die Olympischen Spiele in Paris. Allein die Strecke mitten in dieser Weltstadt. Der Triathlon hatte eine unglaubliche Kulisse, super viele Zuschauer waren da. Es war wirklich ein Triathlon-Fest. Aus deutscher Sicht kam dann die Goldmedaille in der Mixed-Staffel dazu. Viel mehr kann man sich als Triathlon-Fan nicht wünschen.

tri2b.com: Worauf freust du dich am meisten in der Saison 2025?
D.U.: Generell freue ich mich einfach auf die Raceaction. Das finde ich superspannend. Ich habe so ein paar Highlights im Jahr, wo ich einfach jedes Jahr gerne hingehe, wie beispielsweise Hamburg. Das ist so ein bisschen mein Wohnzimmer in sportlicher Hinsicht. Ich lebe und liebe eben diesen Sport und von daher freue ich mich einfach, wenn die Rennsaison wieder losgeht.

tri2b.com: Wie siehst du die aktuell die Entwicklungen im Triathlon. Verlieren die Rennen der World Triathlon Series und der Weltcup seinen Reiz und Einfluss durch die neue T100 Triathlon World Tour, die für Kurzdistanzler zunehmend interessant wird?
D.U.: Ich glaube, das Problem von World Triathlon ist einfach, dass sie noch mehr in diese Medienwelt eintauchen müssen. Die T100-Serie zeigt wie das funktioniert, indem man einfach die Plattformen über Discovery+, Eurosport und so weiter nutzt, um viele Menschen für den Triathlon zu begeistern. Es ist ja eigentlich eine große Chance für World Triathlon, denn die Rennen in der der WTCS-Serie sind super spektakulär und es sind auch viele große Namen dabei. Deshalb glaube, dass im Moment die Rennen von World Triathlon nichts verlieren, sondern eher dadurch etwas gewinnen können. Was der große Unterschied zwischen T100 und World Triathlon ist. Man kann sich nur über die World Triathlon-Rennen für die Olympischen Spiele qualifizieren. Dies hat eine Strahlkraft, die eine andere Rennserie so nie hinbekommen wird. Deswegen ist die Wertigkeit und auch die Daseinsberechtigung für die World Triathlon-Rennen weiterhin sehr, sehr groß.

tri2b.com: Als Eurosport-Kommentator hast du im Vorjahr die erste T100-Saison begleitet. Trotz der Weltklasse-Startfelder fehlt den Rennen im Vergleich zu echten Triathlon-Klassikern (noch) das gewisse Etwas. Was muss passieren, damit die T100-Serie für den Triathlon-Fan noch interessanter wird. Geld allein reicht wohl nicht?
D.U.: 2024 war sozusagen der Jungfernflug für die T100-Serie. Ich glaube man muss es schaffen Heroes zu kreieren. Damit der Zuschauer sagt, ich schaue nicht nur Triathlon an, sondern ich will meine Idole sehen und will den Fight zwischen den Topathletinnen und -athleten hautnah verfolgen. Dies schafft man eben nur über immer und immer wiederkehrende Geschichten und über Highlight-Shows. Viele andere Sportarten machen es vor, wie man diese mediale Präsenz schafft. Hier muss der Triathlon noch seinen Weg gehen.

T100 macht das gut. Sie zeigen auf, was man in dieser Richtung machen kann. Aber auf der anderen Seite ist es natürlich auch nicht so, dass sofort alles funktioniert. Auch in der T100-Serie müssen sie ihre Hausaufgaben machen. Am Ende macht es die richtige Mischung aus. Sie versuchen es mit spektakulären Kursen und bringen Topfelder an den Start. Allerdings sind je 20 Starterinnen und Starter wenig, das muss man auch mal sagen. Diese Gänsehautbilder, die man ja sonst kennt, von hunderten oder tausenden Triathleten, die produziert die T100-Serie nicht. Daran muss man sich erst noch gewöhnen. Und was man eben auch sagen muss. Drei oder vier Stunden ein Wettkampf live zu schauen, das machen ja auch nicht viele Zuschauer mit, sondern das ist was für die eingefleischte Fangemeinschaft. Hier muss im Nachgang eine Highlight-Show über 20-30 min kommen, die immer und immer wieder ausgestrahlt wird und so auch den allgemein Sportinteressierten erreicht.

tri2b.com: Ist es in diesem Zusammenhang der richtige Weg an Orte wie Katar zu gehen, wo jetzt im Herbst 2025 das Finale der T100-Serie stattfindet? Insbesondere wenn man an die viel kritisierte Fußball-WM 2022 zurückdenkt?
D.U.: Das ist ja ein Spiegelbild von vielen anderen Großveranstaltungen im Sport. Man kann eine Meinung dazu haben, aber letzten Endes ist es natürlich immer so, dass das Lockmittel logischerweise das Geld. Dort werden dann einfach Mittel freigesetzt, die vielleicht irgendwo anders nicht ganz so einfach freigesetzt werden. Klar, man muss es kritisch betrachten und sollte es jetzt auch nicht unbedingt abfeiern. Auf der anderen Seite glaube ich, dass es viele mittlerweile akzeptiert haben. Länder wie Katar spielen eben auf der Weltkarte des Sports mittlerweile eine Rolle. Da kommt man nicht mehr dran vorbei.

tri2b.com: Kommen wir zum Sportlichen. Die T100-Serie wurde bei den Männern im Vorjahr vom Belgier Marten Van Riel dominiert. Sein Landsmann Jelle Geens hat die Ironman 70.3 WM gewonnen. Können unsere deutschen Jungs um Rico Bogen, Mika Noodt und Co. in der neuen Saison den belgischen Durchmarsch verhindern. Was traust du ihnen zu?
D.U.: Ein ganz klares Ja. Es ist eine junge wilde Generation, die jetzt mit Rico Bogen, Mika Noodt und den anderen Jungs nachkommt. Die gehen ihren Weg. Sie können sich noch entwickeln und werden da Schritt für Schritt weiter in die Weltspitze vorstoßen. Letzten Endes bringen sie wirklich h alles mit, um auf der T100-Distanz vorne mitzumischen. Ich meine, wir haben ja schon einige deutsche Erfolge gesehen, sowohl bei den Frauen und bei den Männern. Jan Frodeno hat noch einmal im hohen Alter mit 41 Jahren die US-Open gewonnen. Auf der anderen Seite wechseln jetzt nach Olympia in Paris viele von der Olympischen Distanz auf die längeren Strecken. Ich nenne mal so ein, zwei Franzosen, die sicherlich ein Wörtchen mitreden werden und wollen. Ebenso Hayden Wilde aus Neuseeland. Das Niveau wird so über die T100-Distanz nochmals angehoben. Zuvor haben sich viele auf die  Qualifikation Richtung Paris 2024 fokussiert und die anderen Rennformate weggelassen. Und die kommen jetzt eben alle in dieses Haifischbecken mit rein.

tri2b.com: Schauen wir mal auf Mika Noodt und Rico Bogen im Zusammenhang mit dem genetischen Talentbegriff. Es sind vom Typ zwei sehr unterschiedliche Athleten. Wem traust du mehr zu?
D.U.: Ich denke beide haben super Grundvoraussetzungen. Es kommt auch immer so ein bisschen drauf an, was in dem jeweiligen Rennen gefragt ist. Es war bei mir z.B. so, dass ich mit Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit überhaupt nicht gut klargekommen bin. Bei mir waren eher kühle Bedingungen und Regen super. Jan Frodeno war genau das Gegenteil, bei ihm konnte es nicht heiß und schwül genug sein. Aber wehe es war bei ihm kalt und regnerisch.

Deswegen ist diese DNA-Geschichte aus meiner Sicht sehr wichtig, was das Physiologische betrifft. Es kommt aber eben auch noch diese mentale Stärke dazu. Genau mit solchen Dingen umzugehen, die einem nicht unbedingt liegen. Ich will jetzt nicht sagen, der eine oder andere von den Beiden bringt da mehr mit. Es ist wirklich abhängig von der jeweiligen Rennsituation und vom Wettkampf generell. Aus meiner Sicht bringen Mika und Rico diese Voraussetzungen mit, dass sie sich dauerhaft in der Weltspitze etablieren können.

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Daniel Unger auf dem Weg zu WM-Gold bei der Heim-WM in Hamburg im Jahr 2007 – Bildrechte: René Penno

tri2b.com: Als Event-Moderator bist du auch bei kleineren Veranstaltungen am Mikrophon. Hast du da nicht auch selbst mal wieder das Kribbeln, um in den Neo zu schlüpfen und Gas zu geben?
D.U.: Ja, das habe ich in der Tat und ich versuche das auch einmal im Jahr umzusetzen. Es ist so meine persönliche Challenge, jedes Jahr mindestens einen Triathlon zu finishen. Aber auf der anderen Seite bin ich natürlich auch absolut happy mit dem, was ich als Sportler erleben durfte. Ich hatte meine Zeit, ich habe meine Momente gehabt und habe auch mit dieser Lebensphase abgeschlossen. Wenn ich dann wieder im Triathlon-Race bin oder auch mal in anderen Sportarten irgendwie in diesen Rennmodus komme, dann bin ich wieder der alte Daniel, der eben auch ordentlich performen möchte. Auf der anderen Seite mache ich einfach zu wenig, um dem Anspruch genüge zu werden, den man da vielleicht im Kopf noch hat. Deswegen muss man irgendwann den Haken setzen und sagen, ja, alles hat seine Zeit gehabt, das war super und jetzt ist es einfach nur noch just for fun.

WM Hamburg 2023 AK Sprint 15
„UngerMan“ Daniel Unger als Agegrouper bei der World Triathlon WM in Hamburg im Jahr 2023 – Bildrechte: DTU/Jan Pappenfuss

tri2b.com: Als Trainer bist du mit vielen jungen Athletinnen und Athleten in Kontakt. Welchen Stars eifert der Nachwuchs heute nach, nachdem Idole wie Jan Frodeno und Sebastian Kienle ihre Karriere beendet haben?
D.U.: Wenn man mal rein hört und fragt, wer ist denn dein Vorbild, wer ist dein Idol, dann hat jeder eine andere Antwort. Manche sagen, ich habe gar kein Vorbild, andere sagen das ist jetzt Alex Yee, Hayden Wilde oder Patrick Lange, bzw. Cassandre Beaugrand oder Laura Philipp bei den Damen. Das ist ja was sehr Individuelles. Aber es ist meiner Meinung schon so, dass die jungen Sportlerinnen und Sportler ihre Vorbilder brauchen. Damit sie sehen, wie funktioniert eine erfolgreiche Karriere. Zum Beispiel die Geschichten von Jan Frodeno hören, wie er zum Sport kam und dann der beste Triathlet aller Zeiten wurde. Aber diese eine Idealvorstellung – so möchte ich auch mal werden – die gibt es im Moment glaube ich nicht.

tri2b.com: Wie gehst du als Trainer gegenüber deinen Athletinnen und Athleten mit dem Thema Social Media um. Stichwort: die richtige Balance finden
D.U.: Social Media ist ein sehr großes Thema geworden, weil man da sehr viel Zeit unnütz liegen lassen kann. Mein Tipp an die an die jungen Menschen ist, sich einfach auch da eine Grenze zu setzen und zu sagen, ich programmiere in meinem Handy eine Stunde pro Tag ein und da kann ich zum einen ein bisschen rumsurfen und zum anderen vielleicht auch ein bisschen produktiv sein. Schließlich geht es mir selbst auch oft so. Wie schnell bleibt man hängen und dann ist nochmal eine Viertelstunde und eine halbe Stunde weg. Bei einem Sportler geht aber um dieses vom Kopf her abschalten, dieses mentale Runterfahren. Ich finde das ist super wichtig und da ist es manchmal einfach besser, wenn man ein Buch liest oder schaut einfach mal nur eine Viertelstunde die Wand an bzw. macht die Augen zu. Anstelle sich nochmal durch irgendeine Story durchzuswipen und zu liken.

tri2b.com: Auf der anderen Seite ist Social Media die Plattform, um sich für Sponsoren ins rechte Licht zur rücken?
D.U.: Genau, es ist ein Spagat, den die jungen Athletinnen und Athleten. machen müssen, weil Social Media natürlich für viele Sponsoren einfach eine sehr wichtige Plattform geworden ist. Nur auf der anderen Seite gelten die Werte, die im Spitzensport gelten nicht unbedingt für Creator und Influencer. Und da muss man natürlich dann auch so differenzieren. Gehe ich jetzt wirklich in diesen Hochleistungsbereich, was den Sport betrifft, oder gehe ich in den Hochleistungsbereich was Social Media betrifft. Man kann nicht beides als junger Athlet parallel erfolgreich stemmen. Anders sieht es aus, wenn man im Hintergrund jemand hat der einem die Social Media-Arbeit abnimmt. Das ist aber meist erst der Fall, wenn sich gewisse Erfolge eingestellt haben und ein Management dahintersteht.

tri2b.com: Jetzt noch kurz zu dir und deinem Sportfreunde-Projekt mit Uwe Zocholl. Was steckt da dahinter?
D.U: Es ist mein Traum Menschen für Sport zu begeistern und meine Welt aus dem Hochleistungsbereich so ein bisschen herunterzubrechen. Für Firmen und für Menschen, die einfach ein Ziel auf sportliche Art und Weise verfolgen. Mit Uwe Zocholl habe ich eben einen mit im Boot, den ich seit Grundschultagen kenne, und es verbindet uns sozusagen diese Leidenschaft für den Triathlon-Sport seit vielen, vielen Jahren. Wir haben uns jetzt einfach zusammengetan und versuchen da unsere Leidenschaft auch ein bisschen im unternehmerischen Sinne auf die Straße zu bringen

tri2b.com: Ihr seid da ganz gut unterwegs, weil ihr sowohl im Breitensport viel anbietet und auch im Hochleistungsbereich mit Laktatmessung und personalisiertem Training vertreten seid?
D.U.: Genau, es steckt ja die Idee dahinter, dass wir das, was im Hochleistungssport funktioniert in den Breitensport mit einbringen. Wir brauchen Werte. Wir machen Atemgasanalysen, wir messen Laktat und sehen so, was gerade metabolisch im Körper passiert. Wir haben sehr gute Premium Partner, die Bikefittings machen oder Laufbandanalysen. So ist alles vorbereitet, um das Training strukturiert zu steuern und den Athleten und die Athletin besser werden zu lassen.

tri2b.com: Wird bei so einem Konzept die KI, wie ChatGPT, nicht zur Gefahr, die für alle Fragen rund ums Training immer eine schnelle Antwort parat hat?
D.U.: Entscheidend für den Trainingserfolg ist der persönliche Austausch zwischen Athlet und Trainer. Nur so kann man im richtigen Moment einen Gang hoch oder zurückschalten. Dazu kommt die emotionale Komponente, die die KI nicht leisten kann.

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