Bahrain Endurance Triathlon Team (BET): Du hast die letzten vier Wochen in Phuket trainiert, um dich für das große Rennen in Bahrain vorzubereiten – die Nasser bin Hamad Triple Crown. Wie geht es dir?
Daniela Ryf (D.R.): Ich denke für mich war Kona das Highlight des Jahres. Es war mein Saisonziel und es war einfach nur phantastisch, dort den WM-Titel zu gewinnen. Deshalb bin ich sehr, sehr glücklich mit dem, was ich in diesem Jahr bereits erreicht habe. Es war eine tolle Saison. Mein Ziel ist es nun, meine beste Leistung des Jahres zeigen. Ich hatte einige wirklich gute Rennen, aber ich bin noch auf der Suche nach dem perfekten Rennen und natürlich hoffe ich, das in Bahrain zu schaffen.
BET: Du bist die Ironman-Europameisterin, Ironman 70.3 Weltmeisterin und Ironman-Weltmeisterin und nun besteht die einmalige Chance, in Bahrain eine Million Dollar zu gewinnen. Eine tolle Situation?
D. R.: Ja, es ist sehr aufregend. Als ich in Dubai im Februar in die Saison startete, hätte ich nie gedacht, dass es möglich ist, zwei Rennen der Triple Crown zu gewinnen. Alle Konkurrenzen waren extrem stark besetzt – und nun bin ich als einzige übrig geblieben. Es ist eine große Chance für mich, wobei ich die Rennen nie nur wegen des Geldes bestreite. Das ist nicht die Motivation, die mich morgens aus dem Bett holt, um hart zu trainieren. Aber es ist definitiv für eine Triathlonsportlerin eine einmalige Chance, solch ein hohes Preisgeld zu gewinnen. Deshalb hoffe ich, dies zu schaffen, dort ein tolles Rennen zu zeigen und dann auch verdient den Jackpot zu gewinnen.
BET: Wie hast du dich zuletzt spezifisch auf die 70.3-Distanz vorbereitet, nach dem Langdistanztraining für Kona?
D.R.: Für mich ist die 70.3-Distanz immer noch meine Lieblingsdistanz, weil ich das Gefühl habe, ich kann von Start bis ins Ziel voll gehen und alles aus mir heraus holen. Es war ziemlich spannend, wieder auf das Mitteldistanztraining umzustellen, denn es ist auf jeden Fall ein wenig intensiver. Wir haben einige sehr harte Radausfahrten gemacht und auch sehr anspruchsvolle Laufeinheiten. – schnelle Intervalle auf dem Laufband, an denen ich richtig Spaß hatte. Nach Kona war ich in einer sehr guten Verfassung und in den letzten vier Wochen haben wir wirklich versucht, das gewisse Extra an Kraft und Geschwindigkeit heraus zu kitzeln. In der finalen Taperingphase heißt es nun, die Messer noch richtig zu schärfen.
BET: Du bist schon lang im Triathlonsport dabei und warst zweimal Olympiateilnehmerin für die Schweiz. Welchen Einfluss hat dein Trainer Brett Sutton, dass du nun so den Durchbruch geschafft hast?
D.R: Er hatte auf jeden Fall einen großen Einfluss auf meine Leistung und Renngestaltung, aber auch auf meine Denkweise. Er ist nicht nur ein großartiger Trainer, er ist auch ein großartiger Mensch, der die Athleten versteht. Er half mir auf jeden Fall, das Training nicht zu ernst zu nehmen. Er hat mit vielen Sportlern große Erfolge und er versteht es aber, je nach Charakter des Athleten, das Training entsprechend anzupassen. Ebenso passt er das Trainingsumfeld entsprechend der verschiedenen Möglichkeiten an. Mir persönlich hat er geholfen, die richtige Balance zu finden. Früher dachte ich immer, man muss vor allem hart trainieren und manchmal war es dann auch zu viel. Grundsätzlich liebe ich es hart zu trainieren, aber es gehört eben auch der andere Teil, die ruhigen regenerativen Einheiten, dazu. Sich manchmal einfach zurückhalten. Brett hält mich zur richtigen Zeit am Zügel und treibt mich an, wenn die Zeit für hartes Training angesagt ist. Ich denke, dies ist das Erfolgsgeheimnis. Wenn ich auf Wettkämpfe gehe, dann freue ich mich, hinauszugehen und dem Rennen meine Stempel aufzudrücken, Ängste es könnte irgendwas nicht klappen, verspüre ich überhaupt nicht. Brett versteht die Art, wie ich gerne meine Rennen gestalten möchte und er gibt mir den Plan dazu. Er weiß genau, was in einem Rennen alles passieren kann und kann dir so enorm viel Unterstützung geben. Seine Pläne funktionieren, wie man in meinen Ergebnissen sehr gut erkennen kann. ich bin sehr glücklich mit dieser Situation.
BET: Wie schaut eine normale Trainingswoche aus? Trainierst du lieber in der Gruppe oder alleine?
D.R.: Ich habe nichts dagegen, allein zu trainieren. Ich denke, es ist eine Fähigkeit, die im Triathlon benötigt wird. Vor allem auf dem Rad und beim Laufen bist du auch im Rennen da draußen oft alleine. Sich auf sich selbst konzentrieren zu können, gehört deshalb auch im Training dazu. Deshalb fahre ich sehr oft alleine. Hier in Thailand war mein Trainer ein paar Mal mit dem Roller dabei – er fuhr hinter mir – um zu überprüfen, ob mein Tempo passt. Eine Trainingsgruppe kann Vor- aber auch Nachteile haben. Beim Schwimmen daheim genieße ich das Training im Schwimmverein, da wir hier auch eine Menge Spaß haben. Das vermisse ich manchmal, wenn ich unterwegs bin. In St. Moritz trainiere ich morgens normalerweise mit dem Schwimmkader zusammen. Aber jeder schwimmt dort sein eigenes Programm, um gezielt an den eigenen Schwächen zu feilen. Das ist eine gute Mischung von Gruppengefühl und individuellem Training. Hier in Phuket hab ich ein paar Schwimmeinheiten mit jungen Athleten gemacht, die im nächsten Jahr bei den Olympischen Spielen in Rio antreten wollen. Es macht Spaß, so motivierten Athleten bei ihren harten Workouts zuzusehen.
BET: Wie viele Stunden trainierst du in einer umfangreichen Trainingswoche?
D.R: Ich habe aufgehört ein Trainingstagebuch zu führen. Das Gute daran ist, man vergisst, wie viel man trainiert hat und man kann nicht darüber klagen, wie schwer alles war. Ich denke, es ist nicht unbedingt der riesengroße Umfang an Trainingsstunden. Es ist definitiv mehr Qualität statt Quantität. Es werden so 25 bis 30 Stunden sein, nichts wirklich besonderes für einen Triathlonprofi. Es sind nicht die Stunden, die darüber entscheiden, ob man ein gutes Rennen machen wird. Es ist wirklich die Qualität des Trainings und deshalb machen wir oft kurze Einheiten, zum Beispiel drei kurze Läufe an einem Tag, die alle mit Tempo gelaufen werden. Das ist eine Art von Training, die ich lieber mag, als einfach nur möglichst viele Stunden herunterreißen.
BET: Wie viel musst du für das Training und die Wettkämpfe reisen und wie wählst du die Rennen aus?
D.R: In diesem Jahr war es etwas speziell, weil ich sehr lange unterwegs war. Ich war seit Juni nicht mehr zuhause. Aber ich versuche möglichst wenig zu reisen. So war ich den ganzen Sommer über in St. Moritz, wo auch mein Trainer lebt. Von dort bin ich dann zu den europäischen Rennen angereist. Das war wirklich gut, da ich meistens mit dem Auto anreisen konnte, was nicht so belastend wie eine Flugreise für den Körper ist. Danach gingen wir dann nach Jeju. Ich war immer vier oder fünf Wochen an einem Ort, so dass ich nie wirklich Reisestress verspürt habe. Trotzdem ist es aber eine sehr lange Zeit, die ich unterwegs war. Ich denke es ist wirklich wichtig, nicht zu viel zu fliegen. Ich wähle die Rennen zusammen mit Brett aus, beziehungsweise er wählt sie aus. Er hat ein wirklich gutes Händchen, welches Rennen für mich Sinn macht und passt dann das Trainingsprogramm entsprechend an.
BET: Nach deinen Vorjahreserfolgen haben viele von dir in diesem Jahr die Siege im Vorfeld erwartet. Hast du dadurch einen größeren Druck verspürt?
D.R: Ich sehe es als Kompliment, weil es mir die Rückmeldung gibt, dass die Dinge gut laufen. Sonst würden die Fans ja nicht so denken. Mein Ziel ist oft, einfach nur eine gute Leistung zu zeigen, schnell zu sein – das ist der Fokus in den Rennen. Gelingt dies, dann kommen die Ergebnisse von ganz alleine. Natürlich ist die Anspannung vor den Rennen nun größer, aber es beeinflusst mich nicht allzu sehr. Auch in Kona haben alle gesagt: die Ryf macht´s; aber es wird immer vergessen, man muss noch rausgehen und es wirklich machen. Da zählen die ganzen Vorschusslorbeeren und Ergebnisse der Vergangenheit nichts mehr. Hier ist es wichtig, sich nur auf seinen Plan und die Leistung zu konzentrieren und nicht auf das Ergebnis.
BET: Wer unterstützt dich, hält dich am Boden und hilft dir konzentriert und motiviert zu bleiben?
D.R: Es sind auf jeden Fall mein Trainer und meine Trainingsgruppe. Ich trainiere auch mit Nicola Spirig, sie ist schon Olympiasiegerin. Wenn wir nach einem guten Rennen am Montag zum Pooltraining kommen, dann ist einfach nur Training angesagt. Klar freut sich die Trainingsgruppe mit dir über ein gewonnenes Rennen, aber du bist immer noch der gleiche Mensch wie zuvor. Mein Trainer würde sicher sehr deutlich werden, wenn ich Blödsinn über die Trainingsaufgaben rede und den nötigen Ehrgeiz vermissen lasse. Da bin ich mir sicher. Bisher ist das aber noch nicht passiert. Außerdem sind meine Freunde sehr wichtig für mich. Daheim steht dann der Triathlon nicht so sehr im Fokus. Ich studiere ja auch noch. Wenn ich am Montag nach Bahrain nach Hause komme, dann gehe ich am Dienstag auf die Universität. Die meisten meiner Freunde von früher haben nichts mit Triathlon zu tun und es ist schön, andere Themen als nur Triathlon zu haben. Das hilft zu sehen, dass das Leben nicht nur aus Triathlon besteht.
BET: Kannst du uns etwas mehr über dein Studium erzählen?
D.R: Es ist ein Bachlor-Studium. Normalweise würde es drei Jahre dauern. Ich habe jetzt schon drei Jahre absolviert, aber seit eineinhalb Jahren habe ich wegen dem Sport nur noch in Teilzeit studiert. Zwei Semester sind es noch und dann steht noch die Diplomarbeit an. Schließlich würde ich gerne meinen Master in Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit bekommen. Ich bin sehr an diesem Thema interessiert und möchte das eines Tages mit dem Sport verbinden. Ich würde zum Beispiel gerne in einem Lebensmittelunternehmen als Produktmanager arbeiten und vielleicht an eine neuen Produktlinie mitarbeiten. Ich denke, die Auswahl an wirklich gesunden Fertiggerichten ist nicht sehr groß. Ich habe immer sehr witzige Ideen und vielleicht kann ich diese eine Tages, alleine oder mit einer Firma zusammen, in die Tat umsetzen. Aktuell habe ich meine Zukunft nicht geplant, aber ich bin für viele Dinge offen.
BET: Viele der starken Altersklassenathleten glauben, wenn sie nicht mehr arbeiten müssten, dann würden sie mit entsprechendem Training auch bei den Profis mithalten können. Dir gelingt es aber als Weltklasseathletin den Sport und das Studium zu händeln.
D.R: Es ist definitiv eine Sache der Balance. Wenn du arbeitest und Triahtlon als Hobby betreibst, dann ist dies aber sehr schwer zu erreichen. Die Leute arbeiten voll und trainieren oft ähnlich umfangreich wie Profiathleten. Das verdient wirklich viel Respekt. Auf der anderen Seite sind es die Profis, die viel Zeit für Training und der Regeneration haben. Jeder denkt, das ist ein Traumjob. Aber so einfach ist es nicht. Wenn es nicht so gut läuft, dann stehst du als Profi sofort unter absolutem Leistungsdruck. Bei mir war das so in den Jahren 2011 und 2012, als ich krank war. Triathlon ist dein Job und wenn du krank oder verletzt bist, dann hast du ein Problem. Bei mir ist es so, dass ich, seitdem ich studiere, hier ausgeglichener reagiere. Klar ist es manchmal etwas stressiger, dafür wird aber der Kopf etwas freier. Ich glaube, dies hat mir geholfen, besser zu werden. Ich trainiere in der Früh und gehe dann in die Uni und über das Training wird dann nicht mehr nachgedacht. Also Profi ohne andere Aufgaben grübelst dann rum, wenn ein Training mal nicht so gelaufen ist. Ich denke beides, Top-Agegrouper und Profi, ist ein harter Job. Ich weiß nicht, ob jemand, der 50 Prozent arbeitet, besser wird, wenn er nur noch trainiert. Vielleicht bekommt er die gleichen Probleme. Die Gefahr ist auch dann einfach, zu viel zu trainieren. Triathleten sind meistens extrem für ihr Training motiviert, was durchaus gefährlich ist. Ich habe das auch gelernt – mehr ist nicht unbedingt besser.
BET: Gibt es schon Ziele für das Jahr 2016?
D.R: Ehrlich gesagt, nicht wirklich. Ich habe mich sehr auf dieses Jahr konzentriert. Mit meinem Trainier ist vereinbart, dass ich im kommenden Jahr etwas mehr bei der Rennplanung mitbestimmen werde. Dieses Jahr war sehr intensiv und ich habe versucht alle Planungen bestmöglich in die Tat umzusetzen. Ich habe alles kompromisslos durchgezogen. Nächstes Jahr werde ich wohl ein wenig später in die Saison starten, denn dieses Jahr war schon sehr lang. Ich hatte noch nie eine so lange Wettkampfsaison, die im Februar begann und nun erst im Dezember endet. Ich werde auf jeden Fall eine kleine Pause machen und dann neu aufbauen. Mein Ziel wird sein, meine Grenzen auszuloten. Über die Ironman-Distanz glaube ich noch ein wenig schneller zu können. Das motiviert mich im Training zu bleiben.
BET: Wie schaut die Off-Season aus?
D. R.: Ich habe keinen großen Urlaub geplant, da langweile ich mich eher. Ich werde daheim die Familie und meine Freunde treffen. Das ist es, worauf ich mich freue. Ich war so viel unterwegs, da findet mein Urlaub zuhause statt. Ich werde Weihnachtsmärkte besuchen, etwas fürs Studium tun und einfach die Zeit daheim genießen. Ein bisschen Bewegung wird es auch geben. Eine kleine tägliche Einheit von 30 Minuten wird dem Körper sicher nicht schaden. Es geht drum, sich besser zu fühlen. Von fünf Stunden auf Null runter funktioniert halt nicht.
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