tri2b.com: Herr Zöll, die Triathlonsaison neigt sich hierzulande sportlich gesehen langsam dem Ende entgegen. Wie geht es Ihnen?
Matthias Zöll (M. Z.) Die ersten Monate meiner Tätigkeit als Geschäftsführer der DTU haben viel Kraft gekostet. Von außen ist einem, selbst wenn man schon einen gewissen Einblick hatte, nicht klar, wie groß der Verwaltungsapparat eines Verbandes mit knapp 50.000 Mitgliedern ist. Allen dabei gerecht zu werden, ist eine große Herausforderung und nahezu unmöglich. Das ging schon an die Substanz und ich habe gemerkt, dass so ein Job ähnlich auslaugt wie leistungssportliche Aktivität. Ich freu mich jetzt auf fünf Tage Urlaub, die demnächst anstehen. Ich denke jedoch, dass die viele Arbeit täglich beweist, dass die Einführung einer Geschäftsführungsposition für die DTU absolut der richtige Schritt war.
tri2b.com Sie sprechen Ihren leistungssportlichen Background an. Hilft Ihnen das in ihrer neuen Position?
M.Z.: Auf jeden Fall. Ich bin schon seit 18 Jahren im Triathlonsport dabei und ich habe in der Zeit Vereinsstrukturen mit 20 Mitgliedern genauso kennengelernt wie mit fast 1.000 Mitgliedern, wie in Witten. Hinzu kommt der tiefe Einblick in die leistungssportlichen Strukturen durch meine Funktion als Leistungssportreferent. Das hat die Einarbeitung erheblich verkürzt.
tri2b.com: Wie ist es um die Zusammenarbeit mit dem DTU-Präsidium bestellt? Schließlich fehlt nach dem Rücktritt von Dr. Hemker ein gewählter Präsident an der Spitze des Verbandes?
M.Z.: Ich bewerte die Zusammenarbeit mit dem Präsidium und den Vizepräsidenten als sehr positiv. Alle haben dazu beigetragen, dass wir viele Dinge sachlich und pragmatisch abarbeiten konnten und vor allem Ruhe eingekehrt ist.
tri2b.com: Ein heikles Diskussionsthema war in der Vergangenheit immer wieder die Zusammenarbeit mit den großen kommerziellen Veranstaltern des Ironman Germanyund der Challenge Roth. Gab es hier unter Ihrer Führung Annäherungen?
M.Z.: In der Vergangenheit wurden meiner Meinung nach alle großen kommerziellen Veranstalter von Seiten der DTU etwas verprellt. Ich kann aber ganz klar herausstellen, dass die Veranstalter durchaus mit dem Verband zusammenarbeiten wollen und der Verband will dies auch. Natürlich stehen wirtschaftliche Interessen bei den kommerziellen Veranstaltern im Vordergrund, aber auch der Verband kann davon profitieren. Ein Beispiel für die Annäherungen: Kai Walter vom Ironman Germany hat uns angeboten, für die DTU einen Workshop für Veranstalter durchzuführen, in dem er sein Wissen weitergeben will. Der Hamburger Veranstalter unterstützt den Anti-Doping-Tag der DTU und auch mit der Challenge Roth herrscht wieder ein reger Austausch.
tri2b.com: Ein anderer Punkt, der hitzige Diskussionen zur Folge hatte, war und ist die Triathlon-Bundesliga. Sie sind selbst jahrelang für Witten in der Liga gestartet. Können Sie uns schon sagen, wie die Liga im Jahr 2012 ausschauen wird?
M.Z.: Es wird derzeit noch diskutiert, in welcher Form die DTU auch 2012 die Organisation und Durchführung der Liga an die Bundesliga GmbH abgibt. Auf jeden Fall sollen die Vereine der Liga weiterhin durch die GmbH vertreten werden und so die Liga mitgestalten. Ich sehe die Bundesliga als originäre Plattform, wenn es um die Außendarstellung des Triathlon-Leistungssports in Deutschland geht. Wir möchten hier deshalb als Verband mehr machen und maßgeblich eingebunden sein. Meine sportlichen Wurzeln liegen in der Bundesliga, von daher weiß ich auch um ihre Bedeutung. Wie die genaue Rollenverteilung zwischen DTU und GmbH aussehen wird, werden wir bis zum Verbandstag entscheiden. Damit sind wir um einiges früher als im letzten Jahr dran.
tri2b.com: Ein anderes leidiges Thema ist die Wertung der Liga im Jahr 2010. Können Sie uns sagen, wer Deutscher Meister bei den Männern ist?
M.Z.: Auch wenn es viele anders verlautende Meldungen gab. Bis heute gab es keine offizielle Siegerehrung und damit auch keinen Deutschen Mannschaftsmeister bei den Männern. Es gibt jetzt einen Schiedsspruch der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit, welchen die DTU umsetzen muss. Die zuständigen Gremien befassen sich momentan mit der korrekten Umsetzung, dies soll innerhalb der nächsten 14 Tage passieren.
tri2b.com: Kommen wir zu etwas Erfreulicherem. Die deutschen Nachwuchsathleten sind gerade mit drei Medaillen von der WM in Peking heimgekehrt. Wie sehen Sie die Entwicklung?
M.Z.: Das Ergebnis im Juniorenbereich mit den Medaillengewinnern Justus Nieschlag und Hanna Philippin freut uns sehr und macht uns auch zuversichtlich für die Zukunft. Wir haben wirkliche viele tolle Talente, schließlich gab es ja noch drei weitere Topplatzierungen deutscher Nachwuchsathleten.
tri2b.com: Und die nahe Zukunft? In knapp elf Monaten ist Olympia in London?
M.Z.: Ich will das hier nicht im Detail analysieren, dafür ist unser Sportdirektor Wolfgang Thiel zuständig. Zusammengefasst würde ich die Saison mit Licht und Schatten beschreiben. In kaum einem Team der Welt ist bei den Männern die Konkurrenz so groß wie bei uns in Deutschland. Deshalb stand bei uns sicher noch mehr als bei anderen Nationen das Olympia-Qualifikations-Rennen in London im Saison-Fokus. Dort hat unser Team mit drei jetzt fix für Olympia 2012 qualifizierten Athleten fast das Optimum herausgeholt. Besonders gefreut hat mich dabei die tolle Leistung von Anja Dittmer, mit dem Novum der vierten Olympia-Qualifikation. Außerdem hat sich Svenja Bazlen mit tollen Ergebnissen im Bereich der Weltspitze etabliert und die Quali nur um Haaresbreite verpasst.
tri2b.com: Und der Schatten?
M.Z.: Nach den Medaillen 2009 (Maik Petzold) und 2010 (Steffen Justus) konnten wir keinen Athleten in die Top Ten der WM-Serienwertung bringen. Über den gesamten Saisonverlauf betrachtet hat sich im Männerbereich ein größerer Graben zur aktuellen Weltspitze aufgetan. Hier gilt es aufzupassen, den Zug nicht zu verpassen. Für 2012 lassen wir unseren Topleuten aber ganz klar die Möglichkeit, sich speziell auf die Olympischen Spiele zu fokussieren. Bei Titelverteidiger Jan Frodeno zum Beispiel wird sich Roland Knoll voll auf den Einzelathleten konzentrieren. Er wurde eigens hierfür von der Gesamtbetreuung der Mannschaft freigestellt. Sportdirektor Wolfgang Thiel rückt dafür wieder weiter ins Trainingsgeschehen und übernimmt für diesen Zeitraum wieder die komplette Rahmenplanung der Mannschaft. Diese Kombination hat in den Jahren 2007 und 2008 auch hervorragend funktioniert und einen Weltmeister und Olympiasieger produziert.
tri2b.com: Vielen Dank für das Interview.