tri2b.com: Wir haben heute das Interview um ein paar Stunden verschieben müssen, weil du in deiner Funktion als Familienvater eingespannt warst und das Training zunächst hinten anstehen musste. Wie gelingt dir der Spagat als Triathlonprofi und Familienvater?
Maurice Clavel (M.C.): Mal mehr und mal weniger gut. Heute war es zum Beispiel mal wieder schwierig. Da denkt man dann schon mal kurz dran, wie es jetzt im Trainingslager wäre. Trotzdem will ich mich nicht beklagen, ich konnte heute drei Einheiten machen. Um 6:30 Uhr war Schwimmen angesagt. Dann am Nachmittag eine 2,5 Stunden Radeinheit, gefolgt von einem Koppellauf. Im Endeffekt leidet natürlich die Regeneration etwas darunter. Bei Hobbyathleten, die neben der Familie auch noch ihren Beruf stemmen müssen ist das aber noch viel problematischer. Wir haben hier im Freiburger Stadtteil Sankt Georgen zudem sehr kurze Wege. Zur Kita sind es nur 500 Meter und ich bin nach wenige Metern auf tollen Trainingsstrecken in den Weinbergen.
tri2b.com: Kann man solche nicht ganz nach Plan verlaufenen Trainingstage auch besser mit der Gewissheit verkraften, die Ironman Hawaii-Quali schon in der Tasche zu haben? Mit Rang 3 beim Ironman in Südafrika hast du schon ein richtig gutes Saisonergebnis stehen.
M.C.: Es ist schon eine schöne Sache, dass die Hawaii-Quali gleich bei ersten vorgenommenen Versuch geklappt hat. Im muss mir nun keinen Stress machen, wie ich die weitere Saison so durchziehe. Es geht jetzt erst mal zur "The Championship" nach amorín und dann könnte im Anschluss die Ironman 70.3 EM im dänischen Elsinore auf dem Plan stehen.
So lieben ihn seine Fans: Maurice Clavel fletscht die Zähe zur Attacke – © BrakeTrough-Media
tri2b.com: Ist eine weitere Langdistanz kein Thema?
M.C.: Ich habe schon mit Roth geliebäugelt, das war so geil im letzten Jahr. Aber mein Trainer Lubos Bilek meint, dass ich dann im Oktober nicht mehr frisch bin. Wo er wohl auch recht hat. Nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Man sagt ja auch immer: Hawaii wird im Kopf entschieden.
tri2b.com: Du wirst in Kona dann ja sicher auch noch ein paar Teamkollegen aus deinem BMC-Vifit Sport Pro Triathlon Team an deiner Seite haben. Wie stark hast du bisher von dem Team profitiert?
M.C.: Von den Athleten habe ich mir vor allem von Ronnie Schildknecht und Bart Aernouts was abschauen können. Wenn wir mit dem Team unterwegs sind, dann bin ich immer mit Will Clarke auf dem Zimmer. Auch da nimmt man was mit, allein schon weil er als Engländer eine etwas andere Mentalität hat. Im Training konnte ich mir grad bei den langen Sachen was abschauen. Wo ich vorne reinhaue, das schaut sich das ein Ronnie Schildknecht erst einmal 3 Stunden von hinten an und kommt dann zum Zug. Außerdem profitiere ich natürlich von der Team-Infrastruktur. Rad für die neue Saison? Das ist nur eine kurze Email mit der Angabe der Rahmengröße. Das ist schon so ein Rundum-Sorglos-Paket.
tri2b.com: Du hast gerade Will Clarke genannt. Er war Ende April bei dem sehr umstrittenen Ironman Rennen in den Woodlands in Texas dabei und wurde dort Dritter, als reihenweise Rekordzeiten aufgestellt wurden. Die Distanz aber wohl kürzer war und ein dickes Fragezeichen hinter der fairen Fahrweise der Athleten steht. Wie stehst du selbst zur der ganzen Rekordthematik?
M.C.: Mich interessieren solche Zahlen und Rekorde überhaupt nicht. Die einen sagen, es war deutlich kürzer in Texas. Will hat mir gesagt, es hätte nach seinen Aufzeichnungen aber schon nahezu gepasst. Er ist jetzt enttäuscht, dass alle das Rennen und die Leistungen so schlecht reden. Aber klar, irgendwas muss nicht gepasst haben, wenn gleich die ganze Top Ten unter 8 Stunden ins Ziel kommt. Sonst müsste das in Roth ja auch möglich sein. Zu Will habe ich gesagt, dass er seinen Erfolg genießen soll, zwei waren stärker an diesem Tag, der Rest in doch egal!
tri2b.com: Wie sieht deine Konsequenz aus?
M.C.: Ich bin immer ein Fan von fairen Rennen, weil es für meine offensiv gestaltete Rennanlage von besonderer Bedeutung ist. Deshalb bin auch zum Ironman nach Südafrika gegangen. Da musst du schauen, dass du die Radflaschen im Halter behältst. Oder jetzt amorín, mit der 20 Meter-Regel. Alle haben im Vorjahr gesagt, bei dem flachen Kurs wird es keine Selektion geben. Das Gegenteil war der Fall. Ich denke es müsst auch möglich sein, die 20 Meter-Regel flächendeckend in den Profifeldern einzuführen. Bereits bei korrekter Einhaltung der 10 Meter-Windschattenregel profitiert man nachweislich vom Vordermann, das sollte einfach nicht so sein. Aber grundsätzlich ein schwieriges Thema, nicht zuletzt hat man ja beim Schwimmen und Laufen auch Wasser – bzw. Windschatten, auch wenn der Vergleich etwas hinkt. Vielleicht tut sich auch was im technischen Bereich. Ich denke da an ein Messsystem am Rad, das bei zu geringem Abstand rot aufleuchtet. Bei dreimal Rot bist du dann raus oder bekommst eine Zeitstrafe.
"Roth war so geil" – Maurice Clavel beim Challenge Roth-Debüt 2017 – © tri2b.com
tri2b.com: Du hast gerade amorín angesprochen. Dort triffst du Anfang Juni auf Sebastian Kienle und auch auf Lionel Sanders, die sich im Vorjahr an der Donau ein packendes Duell geliefert hatten. Wie kann man Sanders auf der Mitteldistanz knacken?
M.C.: Sanders ist ein Viech. Im Sprint vielleicht. Sebi war im Vorjahr ja in amorín zwischenzeitlich schon ein paar Meter vorne. Aber Sanders ist halt ein richtiger Beißer, der dann immer wieder zurückkommt. Wenn er einen guten Tag hat, dann muss man ihn mit einer scharfen Attacke richtig überraschen, sonst wird man ihn nicht los.
tri2b.com: Dein heutiges Radtraining hast du auf der Rolle absolviert. Färbt der Sanders-Style schon ab?
M.C.: Ich muss sagen, ich fahre schon lieber draußen Rad und bin kein Fan von der Rolle. Die Rolleneinheit heute, war dem schlechten Wetter geschuldet. Aber amorín ist topfeben, da geht es drum möglichst gleichmäßig die Power auf die Pedale zu bringen. Das kann ich halt sehr gut auf der Rolle simulieren. Heute waren es nach einen grundlagenorientierten Auftakt noch 3x 10 min. Kraft.
tri2b.com: 2018 ist dein zweites Langdistanzjahr. Wie hältst du es mit den ganz langen Trainingseinheiten. Wie lange bist du maximal auf dem Rad und in den Laufschuhen unterwegs.
M.C.: Meine absolut längste Radeinheit war mal eine Tour im Trainingscamp. Die war 240 km lang. Das war aber schon im Jahr 2014 und war mehr als Jux zu verstehen. Aktuell sind die längsten Radausfahren so 180 km. Beim Laufen waren 28 km die Obergrenze. Aber es gibt eben verschiedene Typen von Athleten. Die Britin Emma Pallant, die bei uns im Team ist, lief in Vorbereitung auf den Ironman Südafrika 35 km. Schlussendlich muss jeder aber für sich selbst das richtige Maß finden. Das Sprichwort – "Viel hilft nicht immer viel" – sollte man aber durchaus im Hinterkopf haben.
Das Interview wurde von der Challenge Family im Rahmen der THE CHAMPIONSHIP in amorín vermittelt.
>>Alle Infos zur THE CHAMPIONSHIP in amorín …