tri2b.com: Ein halbes Jahr leben wir jetzt schon mit der Corona-Pandemie und den Einschränkungen. Wie hat sich deine Einstellung zu Corona in dieser Zeitspanne verändert?
Ronnie Schildknecht (R.S.): Also ich muss sagen meine Einstellungen und die Erwartungen haben sich in der Zeit natürlich geändert. Man wird sich bewusst, dass sich relativ schnell alles ändern kann. Eigentlich hatte ich das Ziel die Saison mit einigen coolen Rennen abzuschließen. Aber es ändern sich die Dinge ständig in dieser Zeit der Corona-Pandemie. Man wird sich bewusst, dass es schnell gehen kann und dass man vielleicht dankbarer für die alltägliche Dinge sein sollte. Dankbar dafür, dass wir trotz Corona gesund sind. Man hatte viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe mir dann ja auch gesagt, ich will doch noch ein Jahr als Profiathlet dranhängen, um einen schönen Abschluss zu machen. Eigentlich wollte ich schon in diesem Jahr mit einem guten Wettkampf aufhören. Jetzt habe ich mich aber so entschieden, weil mir der ganze Triathlonsport immer noch sehr viel Spaß macht.
Ronnie Schildknecht war auch vom Rennabbruch der Challenge Davos betroffen
tri2b.com: Anfangs bestand die Hoffnung, dass der Triathlon in der zweiten Saisonhälfte vielleicht noch richtig Fahrt aufnehmen könnte. Leider mussten auch sehr viele zunächst verschobene Rennen endgültig abgesagt werden. Wie siehst du das Vorgehen der Behörden bei dir in der Schweiz bzw. international. Wird der Triathlon im Vergleich zu anderen Sportarten fair behandelt?
R.S.: Der große Unterschied zum Fußball ist, dass der Triathlon als reiner Profisport derzeit nicht lebensfähig ist. Fußballspiele finden abgeschottet ohne oder mit wenigen Zuschauern statt, das könnte beim Triathlon genau gleich sein. Aber es ist immer ein Interessenskonflikt der Veranstalter, die schließlich von den vielen Agegrouper leben. Es ist ja eigentlich der besondere Reiz am Triathlon. Profis und Hobbyathleten starten zusammen. Jetzt in der aktuellen Situation ist dies aus Profisicht eher ein Nachteil. Die PTO unterstützt jetzt ja einige Rennen, damit die Profis Startmöglichkeiten haben. Auf der anderen Seite gibt es kleine überschaubare vereinsorganisierte Triathlons, die die Vorgaben leichter erfüllen können als beispielsweise ein großer Event wie der Ironman 70.3 Rapperswil.
Ob das Vorgehen der Behörden richtig ist, wird man erst im Nachhinein sagen können. Man versucht halt jetzt auf der sicheren Seite zu sein. Schwer zu sagen ob es da ein Falsch oder Richtig gibt. Im nächsten Jahr werden wir das besser beurteilen können. Zumindest konnten jetzt schon einige Rennen stattfinden und ich hoffe, dass es jetzt so weitergeht, sofern sich die Lage nicht wieder verschärft.
tri2b.com: Du wolltest eigentlich 2020 deine Karriere als Profiathlet beenden, jetzt willst du noch bis 2021 weitermachen und dann Abschied nehmen. Wie steht es mit deiner Motivation und wie groß ist die Angst, dass vielleicht auch 2021 mit großen Corona-Einschränkungen zu rechnen ist?
R.S.: Die Motivation ist groß und Angst habe ich da keine. Wenn es in 2021 so weiter geht wie jetzt, dann ist es halt so. Ich hoffe für die anderen Athleten, ich selbst bin ja am Ende meiner Karriere, das es bald wieder normaler weiter geht. Mehr Sorgen mache ich mir für die jungen Athleten, die jetzt Anfang 20 sind und am Beginn der Profikarriere stehen und einen Weg einschlagen wollen, wie ich es damals durfte. Die ihre ersten Sponsoren haben und sich jetzt entsprechend präsentieren wollen. Für mich wäre es natürlich toll, wenn es im kommenden Jahr mit meinem Abschlussrennen klappt. Wenn nicht, ist es auch ok. Es gibt Schlimmeres.
tri2b.com: Du kannst auf eine lange sehr erfolgreiche Karriere zurückblicken. Wie gut kannst du dich in junge Athleten hineinversetzen, die jetzt im Endeffekt fast ein komplettes Jahr verloren haben?
R.S.: In meiner Karriere konnten wir ja jede Saison voll durchziehen. Ich kann mich aber trotzdem sehr gut in deren Situation hineinversetzen. Man kann die aktuelle Lage aber auch als Chance sehen. Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Klar ist es, wie schon gesagt, schwierig für die jungen Athleten. Aber man könnte auch sagen jetzt arbeite ich an etwas, was ich bisher noch nie konnte. Oder ich nehme die Phase als Pause. Es gibt ja auch Athleten, die mitten drin sind in ihrer Karriere Ende 20, Anfang 30, denen schadet so eine Pause vielleicht gar nicht. Mir hätte so ein Break damals sicher gutgetan, hatte ich aber nicht. Aber für die jungen Wilden ist es schon schwierig, die wollen vorwärts gehen. Ich denke, wenn es dann in 2021 weitergeht, dann ist nix verloren. Schwarzmalen für die nächsten zehn Jahre brauchen wir sicher nicht.
tri2b.com: Als Manager von Sebastian Kienle und dem hep Sports Team bist du mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise sicher gut betraut. Wie ist hier deine Einschätzung. Wie treu sind die Ausrüster und Sponsoren, die ja teilweise schwer von der Krise betroffen sind?
R.S.: Die wirtschaftlichen Auswirkungen merkt man natürlich schon. In der Sportbranche kamen manche Sparten aber ganz gut bisher durch die Krise. Viele Menschen haben angefangen Rad zu fahren oder zu laufen. Die Nachfrage nach Rädern, mit Ausnahme der Highendräder, war deshalb sehr groß. Laufschuhe sind glaube ich auch nicht so schlecht verkauft worden. Von daher denke ich, dass andere Branchen noch mehr von der Corona-Pandemie gebeutelt wurden. Aber klar, in so einer Krise wird eher mal die Handbremse gezogen, als mit dem Geld rumgeschmissen und die Sponsoringetats erhöht. Man bleibt eher bei dem was bisher war. Aber ich bin auch hier sehr positiv für die Zukunft gestimmt, wenn demnächst ab 2021 die Möglichkeit einer Corona-Impfung besteht. Ich habe schon das Gefühl, dass wir dann wieder in normale Bahnen geraten.
tri2b.com: Wie steht hier der Triathlonsport im Vergleich zu anderen Sportarten da. Du hast hier durch deine Management-Aufgaben den entsprechenden Einblick?
R.S.: Im Vergleich zum Profifußball, der über die TV-Rechte an Einnahmen kommt und sich so auch präsentieren kann, fehlt das im Triathlon komplett. Das ist schon ein Nachteil für die Triathleten, weil die Möglichkeit zur Darstellung über Wettkämpfe komplett wegfällt. Du musst andere Wege finden, um deinen Sponsoren einen Mehrwert zurück zu geben. Leichter hat es zum Beispiel auch ein Bergsportler, der irgendeine Dokumentation dreht. Der ist nicht angewiesen auf irgendeinen Wettkampf. Der nimmt einfach seinen Kameramann mit und seine Ausrüster und Partner werden so genauso präsentiert. Egal ob mit oder ohne Corona. Als Profitriathlet bist du aber eben auf den Wettkampf und damit auch auf die Agegrouper und die Veranstalter angewiesen.
tri2b.com: Es heißt immer, Triathlon funktioniert nur in der Kombi aus Profi- und Agegroup-Athleten, da nur so die Wirtschaftlichkeit der Rennen gesichert ist. Allerdings sind aufgrund der Auflagen richtig große Veranstaltungen nicht möglich. Siehst du eine Lösung dieses Dilemmas?
R.S.: Es gäbe sicher die Möglichkeit reine Profirennen zu machen. Aber dann muss man es anders aufgleisen. Zum Beispiel die Übertragung, den Livestream, besser machen. Bei Ironman hat man gemerkt, das ist nicht wichtig für sie. Deshalb war deren Livestream-Angebot über die Jahre auch immer so schlecht. Aber wenn man das wirklich gut vermarktet, die Triathleten auch in den Mittelpunkt stellt, dann ist vieles möglich. Das sieht man ja an der von Chris McCormack mit initiierten Super League Triathlon. Das läuft gar nicht so schlecht, braucht aber eben auch noch etwas Zeit. Der Stil geht sicher auch auf der Langdistanz. Die PTO geht ja jetzt etwas in diese Richtung. Es muss gut gemacht sein, die Rennen müssen z.B. aus mehreren Kameraperspektiven verfolgbar sein. Man muss die Leute pushen, man muss Stars und Typen kreieren. Die Leute müssen nachher sagen, ah cool das ist ja ein richtig lässiger Typ oder komischer Typ. Es braucht verschiedene Charaktere aus der dann die Story gemacht wird. Also nicht nur das Rennen zeigen, sondern auch die Story drum herum. So könnten auch reine Profirennen auf den längeren Strecken funktionieren.
tri2b.com: Auf Insta sieht man dich hauptsächlich auf dem Rad. Wie trainierst du, wenn unklar ist, wie es weiter geht?
R.S.: Beim Schwimmen habe ich keinen Fotografen (lacht). Ich trainiere natürlich alle drei Disziplinen, Schwimmen vielleicht wirklich etwas weniger. Im Laufen mache ich sehr viel, wir haben ja noch einen Hund, mit dem ich sehr oft unterwegs bin. Fast täglich. Und Radfahren sowieso.
tri2b.com: Du bist ja auch als Coach unterwegs. Wie trainierst du deine Athleten?
R.S.: Das Coachen ist eigentlich mehr ein Hobby. Momentan betreue ich gar keine Athleten. Aber wenn jemand will, dann mache ich das. Maximal so drei, vier Leute. Ein paar Kollegen coache ich noch, aber das ist jetzt kein Business, sondern Hobby. Ich bin jetzt nicht der neue Coach im Triathlon-Himmel, das ist nicht mein Ding. Aber ich gebe gerne mein Wissen weiter, wenn mich jemand fragt. Das mache ich wirklich sehr gerne. Dann mache ich auch ab und zu ein paar Pläne. Aber alles wirklich sehr lokal.
tri2b.com: Du warst auch online im virtuellen Triathlon unterwegs. Wo werden sich virtuelle Wettbewerbe hin entwickeln, bzw. ist es eine echte Alternative zum Live-Triathlon?
R.S.: Ja, ich war auf Zwift bei einigen Rennen dabei. Zunächst nur Radrennen, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Wenn man da das Schwimmen irgendwie vernünftig integrieren könnte, Laufband geht ja, dann wäre das durchaus eine interessante Alternative. Ich finde es selbst cool, andere Athleten sagen das ist gar nix. Mal schauen, wie sich das weiterentwickelt.
tri2b.com: Ein Blick in die Glaskugel: Wie wird deiner Meinung nach die Triathlon-Saison 2021 aussehen?
R.S.: Ich als Optimist sehe da in der Glasgugel, dass die Saison normal durchgeführt wird, weil ich denke die Situation sollte so ab April, Mai 2021 im Griff sein. Ich weiß aber auch, dass ebenso eine komplett andere Situation eintreten könnte. Ich hoffe sehr auf eine tolle Saison im kommenden Jahr. Wenn es doch anders kommt, dann ist das aber auch nicht das Ende der Welt. Dann gibt es vielleicht schon wieder neue Ideen, die auf ihre Umsetzung warten.
tri2b.com: Ronnie, vielen Dank für das Interview. Wir hoffen sehr, dass dein Blick in die Glaskugel Wirklichkeit wird und wir dann im Sommer 2021 von deinem Abschlussrennen berichten können.