tri2b.com: Was sind die größten Fehler, die einer Verbesserung der Leistungsentwicklung im Schwimmen entgegenstehen?
Marco Henrichs (M.H.): Das ist in erster Linie eine unzureichende Kraultechnik. Die häufigsten Fehler sind hierbei eine schlechte Wasserlage, ein ineffizienter Armzug, ein zu steifer Beinschlag und eine suboptimale Atmung. Je länger man in einer falschen Technik schwimmt, desto schwieriger wird es, diese Fehler auszumerzen.
Eine fehlende wirksame Trainingsstruktur, wie eine langfristige Progressivität, effiziente Trainingsreize sowie mangelnde Konzentration auf den jeweiligen Schwerpunkt, sind weitere Fehler.
Ergänzend muss man auch sagen, dass die Trainerqualität im Triathlon, insbesondere die Vermittlung der Kraultechnik und die Arbeit am Beckenrand, gemessen an den Entwicklungswerten von Athletinnen und Athleten, gelegentlich keine gute Arbeit ist. Wenn beispielsweise Trainer ihre Athletinnen und Athleten zu große Umfänge mit Paddles schwimmen lassen, obwohl die Zugtechnik sehr schlecht ist und es an der Kraft fehlt, sind das ebenfalls Faktoren, die einer Leistungsverbesserung im Schwimmen entgegenstehen. Dass ist leider ein Negativphänomen, das ich häufig in Schwimmhallen beobachte. Zudem gehören Trainer auch ab und an mal ins Wasser, um die Athletinnen und Athleten in allen Perspektiven beobachten zu können und direkt zu korrigieren.
tri2b.com: Dazu passend das Stichwort: Einzeltraining vs. Vereinstraining. Wo sind Triathleten besser aufgehoben?
M.H.: Beides hat seine Vor- und Nachteile. Ein Einzeltraining ermöglicht eine individuellere Anpassung des Trainingsplans und eine gezielte Arbeit an persönlichen Schwächen, erfordert jedoch Selbstdisziplin und fundiertes Wissen. Im Vereinstraining profitiert man von der Gruppendynamik, regelmäßigen Trainingszeiten und der Anleitung durch einen Trainer, der u. a. auf Technikfehler aufmerksam macht – sofern dieser eine gute Arbeit leistet. Ideal ist eine Kombination aus beidem: Vereinstraining für die Grundlagenausdauer, ergänzt durch individuelles Technik- und Tempotraining.
tri2b.com: Wie bringt man mehr Variation ins Training?
M.H.: Zunächst möchte ich zwischen einer sinnvollen Variation unterscheiden. Mit dem Ziel der Leistungssteigerung und dem Ziel, das Schwimmtraining abwechslungsreicher zu gestalten, um mehr Spaß zu haben. Letzteres ist ein zunehmendes Negativphänomen, bei dem Spaß, Abwechslung und Motivation im Vordergrund stehen, statt sich gezielt zu verbessern.
Wenn wir jedoch über Variationen zur Verbesserung sprechen, sollten zunächst Prioritäten gesetzt werden, welche Trainingsinhalte einen wirklich voranbringen. Mit einfachen Worten: was, wann und wie häufig trainiert werden sollte, um sich messbar zu verbessern. Erfahrungsgemäß dienen folgende Variationen am ehesten einer guten Weiterentwicklung:
- Gezieltes Korrekturtraining nach individuellen Technikdefiziten
- Gezielte Trainingsreize mittels kontrolliertem Tempotraining
- Grundlagenumfänge so häufig wie möglich im Freiwasser absolvieren, primär auch bei schlechten Bedingungen und wenn möglich ohne Neoprenanzug
- Periodisierung und Zyklisierung des Trainingsplans in Makro-, Meso- und Mikrozyklen, um unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen. Innerhalb der Phasen sollten auch die Mikrozyklen (z. B. Wochen) unterschiedlich gestaltet werden.
tri2b.com: Welche Technik-Drills bringen wirklich etwas, und wie geht man bei einer Korrektur der Schwimmtechnik vor?
M.H.: Zuerst muss eine detaillierte Analyse der Technikfehler stattfinden, oft mittels Videoanalyse. Dann folgt die Arbeit an spezifischen Aspekten der Technik wie Wasserlage, Armzug, Beinschlag oder Atmung. Hierfür werden gezielte Technikübungen eingesetzt. Wichtig ist, die Technikänderungen schrittweise umzusetzen und regelmäßig zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die Anpassungen beibehalten werden.
Die meisten Technikübungen haben ihre Daseinsberechtigung. Es gibt daher zunächst kein richtig oder falsch. Die Kernfrage sollte jedoch lauten, welche Technikübungen einen hohen „messbaren“ Mehrwert erfüllen und wie viel Umfang einer bestimmten Übung sinnvoll ist, damit sich Athletinnen und Athleten messbar weiterentwickeln. Triathleten haben die zusätzliche Schwierigkeit, dass ihre Trainingszeit im Wasser weitaus geringer ist als die eines Schwimmers. Daher ist Zeitmanagement umso wichtiger, und das Techniktraining sollte so effizient und zielgerichtet wie möglich sein.
Zu meiner damaligen Triathlonzeit wurde ich leider von den meisten Triathlontrainern oder Ex-Profis falsch beraten und habe mittels deren Trainingspläne über Jahre hinweg Übungen wie Badewanne, Scheibenwischer, Hundepaddeln und weitere atypische Kraulbewegungsabläufe absolviert. Eine messbare Weiterentwicklung blieb jedoch aus. Irgendwann habe ich diese Art von Techniktraining verständlicherweise zunehmend in Frage gestellt.
Mit meinem Schritt ins Langstreckenschwimmen und meiner Trainerzeit im russischen Schwimmsport wurde ich in meiner Skepsis zunehmend bestätigt. Während meines Trainerdiploms sagte mir seinerzeit ein erfahrener Schwimmtrainer: „Das beste Techniktraining ist stets eine gezielte Korrektur.“ Daraufhin soll man im nächsten Schritt mit fehlerfreier Technik in die Umfänge und Tempoarbeit gehen. Die Technikübungen sollten zudem immer im Kraulbewegungsablauf sein und in einzelnen Technikbausteinen gezielt korrigiert und trainiert werden.
Im ersten Schritt hilft eine Videoanalyse, um zu zeigen, wo eigentlich die Defizite sind. Als Beispiel eines gezielten Korrekturschwimmens nehmen wir einen Athleten, dessen Arme im Übergang der Zug- und Druckphase (Unterwasserphase) nach unten zu gestreckt sind. Hierbei helfen halbe Armzüge, das heißt, wir steuern die Zugphase vor und zurück im Wechsel an (Bild Seitenaufnahme mit Pfeilen). Als Unterstützung kann hier ein einfacher kostengünstiger Frontschnorchel (Centre snorkel) sowie als lockere Tempounterstützung Kurzflossen helfen. Dabei ist es wichtig, im ständigen Wechsel immer wieder kurze Distanzen von ca. 50m mit und ohne Techniktools zu arbeiten. Schließlich wollen wir ja lernen, ohne Techniktools fehlerfrei zu schwimmen.
In der Praxis könnte ein Technikblock von beispielsweise 6 x 100 m wie folgt aussehen:
- 25m halbe Armzüge (Ansteuern der Druckphase und zurück) mit Kurzflossen und Frontschnorchel im ständigen Wechsel, jeweils 3 x rechter und 3 x linker Arm. Direkt im Anschluss 25m normale bzw. vollständige Kraularmzüge mit Fokus auf Kraftübertragung im Armzug. Dabei muss im Übergang von Zug- zur Druckphase der Ellenbogen im rechten Winkel sein und die Fingerspitzen auf Schulterachse.
- Nach den 50 m werden die Techniktools abgelegt und es werden weitere 50 m ohne Techniktools gekrault. Dabei konzentrieren wir uns primär auf einen fehlerfreien Armzug in der Zug- und Druckphase.
Mit meinen Athletinnen und Athleten verfahre ich ausschließlich nach ähnlichen Prinzipien. Die Rückmeldung ist nahezu immer gleich: Sie haben sich noch nie so schnell messbar weiterentwickelt. Analog dazu habe ich in unseren Kraultechnikcamps in den vergangenen Jahren tausende Athletinnen und Athleten gehabt, die über Jahre hinweg „Wassergefühlsübungen“ bis zum Erbrechen trainiert haben, jedoch nicht in der Lage waren, die Kraultechnik-Basics einigermaßen fehlerfrei schwimmen zu können. Kurioserweise schwimmen sie am Ende unserer Trainingscamps meist um einiges fehlerfreier und damit zum ersten Mal schneller. Warum? Weil sie dort korrigiert werden, wo ihre Defizite sind, statt einfach planlos irgendwelche Technikübungen zu absolvieren.
tri2b.com: Wenn die ärgsten Technikfehler ausgemerzt sind, wie wird man dann schneller?
M.H.: Die Geschwindigkeitsentwicklung im Schwimmen ist ein langfristiger Prozess, der ein strukturiertes Training erfordert. Zunächst benötigen die Athleten ein ausgeprägtes Grundlagenfundament. Da Triathleten erfahrungsgemäß zu lange Distanzen zu intensiv trainieren, sind Fettstoffwechseleinheiten (lange, sehr langsam und möglichst nüchtern) im Trainingsalltag unverzichtbar. Für eine gute Tempoentwicklung sollte im Training ein höchstmöglicher Belastungskontrast gelebt werden: zwischen langen, sehr langsamen gegenüber kurzen, wiederholend höchstintensiven Einheiten.
Ein weiterer wichtiger Punkt für eine effiziente Tempoarbeit ist ein veränderter Kraulbewegungsablauf. Unsere Athletinnen und Athleten lernen in den Camps, wie man richtig sprintet, um einen effizienten Trainingsreiz abzurufen. Dafür lernen sie, weg vom Front-Quadrant-Kraulstil hin zum Kayaking zu kommen. Einem Bewegungsablauf, mit dem beispielsweise Alexander Popov mit Hilfe seines Trainers Gennadi Touretskizahlreiche Goldmedaillen gewann. Dabei schaufeln die Arme wie ein Mühlenrad durch das Wasser, um u.a. Geschwindigkeitslöcher zu vermeiden. Im Tempotraining sollt man diesen Kraulstil ebenfalls einsetzen, um die Herzfrequenz bewusst hochzutreiben (Stichwort Trainingsreiz). Dabei ist es wichtig, sich während der kurzen Intervalle von maximal 25m auch auf eine durchweg maximale Beinfrequenz zu konzentrieren.
Zusammengefasst gibt es drei wichtige Bausteine für eine effizientere Tempoarbeit:
- Bewegungsablauf: Kayaking-Kraulstil für eine bewusst höhere Armfrequenz, um somit einen effizienteren Trainingsreiz zu erzielen.
- Höhere Frequenzfokus: Konzentration auf hohe Bewegungsfrequenz = hohe Herzfrequenz = hoher Trainingsreiz
- Kürzere Sprintstrecken: Sprintstrecken von maximal 25 m. Sprintserien von beispielsweise 100 oder 200 m sind erfahrungsgemäß zu ineffizient.
Der erste Schritt der Zusammenarbeit ist zunächst eine Analyse des Bewegungsablaufs und eine Zeitnahme über 25 m und 1.000 m. Nach gezielten Korrekturen der Technik liegt der Fokus ausschließlich auf 25 m-Sprints mit festgelegten Abgangszeiten. Die Wiederholungen und Abgangszeiten werden progressiv aufgebaut. Wichtig sind dabei auch regelmäßige regenerative Trainingsphasen. Die Athletinnen und Athleten schwimmen bereits nach einigen Wochen auf längeren Distanzen deutlich schneller, was die monatlichen 1.000 m-Tests belegen. Dabei trainieren sie nicht mehr, sondern effizienter. Wie dieses Training anschlägt, möchte ich exemplarisch an einem meiner Athleten darstellen, der sich aktuell innerhalb von nur acht Trainingswochen bei seiner 1.000 m-Testzeit von 15:04 min auf 13:11 min verbessert hat. Ich habe in den letzten Jahren zahlreiche Athletinnen und Athleten weiterentwickeln dürfen, deren Geschwindigkeit zuvor in der Auftaktdisziplin stagnierte und sich dann ähnlich entwickelt haben.
tri2b.com: Welche Verbesserungen sind realistisch für einen Schwimmer bzw. eine Schwimmerin auf der 3,8 km Ironman-Distanz, wenn die Bestzeit aktuell 1:15 – 1:20 Stunden liegt?
M.H.: Hier möchte ich auf den Erfahrungswert bei meinen Langstreckenschwimmern und Triathleten verweisen, die bei mir langfristig trainieren. Diese schwimmen die 3,8 km im Durchschnitt:
- bei vier Trainingseinheiten à 4.000 m pro Woche < 0:50 h
- bei drei Trainingseinheiten à 3.000 m pro Woche < 0:55 h
- bei zwei Trainingseinheiten à 3.000 m pro Woche < 1:05 – 1:15 h
Wichtig sind dabei der vorab beschriebene Trainingsweg, eine gezielte Korrekturtechnik und die Fokussierung auf hochintensive Temporeize im Training. Die Grundlagenblöcke sind zudem nie länger als 200 m am Stück, da die meisten Athleten mit zunehmender Ermüdung unsauber schwimmen. Passiert dies zu häufig, wird ein falscher Bewegungsablauf adaptiert. Die Grundlagenblöcke umfassen beispielsweise 10–15 x 200 m mit 5 Sekunden Pause. Die 5-Sekunden-Pausenblöcke dienen der Konzentration auf die nächsten 200 m. Sie haben keinen regenerativen Charakter, ermöglichen jedoch ein sauberes Schwimmen über die Gesamtdistanz von 2.000–3.000 m. Dadurch wird eine bessere Kraultechnik adaptiert, was sich im Wettkampf positiv auswirkt.
tri2b.com: Welchen Einfluss hat das Athleten-Alter auf eine Verbesserung beim Schwimmen?
M.H.: Mit zunehmendem Alter nimmt die Erholungsfähigkeit ab, und es kann länger dauern, Fortschritte zu erzielen. Dennoch ist es möglich, auch im fortgeschrittenen Alter signifikante Verbesserungen zu erzielen, insbesondere wenn die Technik optimiert wird. Viele Altersklassen-Triathleten haben Verbesserungspotenzial, da sie oft Technikfehler haben, die sich leicht beheben lassen. Kontinuität und strukturiertes Training sind entscheidend.
tri2b.com: Wie sollten Triathleten im Freiwasser schwimmen?
M.H.: Zunächst ist es wichtig, jederzeit verschiedene Kraulbewegungsabläufe schwimmen zu können, beispielsweise mit mehr oder weniger Schulterrotation. Es ist ein Unterschied, ob man Druck (Wellen oder Strömung) von vorne, seitlich oder von hinten hat. Dementsprechend sollte der Körper dem Freiwasser angepasst werden. Dazu gehört auch eine gute Sichtung der Fixpunkte oberhalb gesteckter Bojen, sowie das Anpassen an unterschiedliche Strömungsverhältnisse von Boje zu Boje.
Bei Druck von vorne oder seitlich sollte man sich lang und schmal machen und tendenziell axialer mit den Armen arbeiten (statt schulterbreit) und damit mit mehr Schulterrotation schwimmen, um weniger Widerstand zu erzeugen. Bei Druck von hinten sollte man flacher schwimmen, um den Schub zu nutzen. Beide Bewegungsabläufe werden über die Armarbeit gesteuert, ob die Arme tendenziell auf Körperachse oder schulterbreit arbeiten.
Ein weiterer Baustein ist ein synchroner Armzug. Wer bei gleichmäßiger Kraftübertragung bzw. synchronem Armzug krault, schwimmt bei ruhigem Gewässer geradeaus. Was nicht bedeutet, dass ein regelmäßiger Orientierungsblick vernachlässigt werden sollte. Bei einem nicht synchronen Armzug schwimmt man trotz Orientierungsblicken tendenziell schief und muss jedes Mal korrigieren, was zusätzliche Distanz verursacht. In unseren Trainingscamps müssen die Athleten zu Beginn eine Bahn mit Dreieratmung blind schwimmen. Es ist erstaunlich, wie stark sich manche in die falsche Richtung bewegen. Oft ist eine einseitige Verkürzung der Druckphase die Ursache, oder einer der Arme befindet sich im Übergang von der Zug- zur Druckphase zu weit außen bzw. innen. Im nächsten Schritt lernen die Athleten, den Armzug gezielt zu korrigieren. Ein Großteil schwimmt dann eine gesamte Bahn blind geradeaus, was sich im Freiwasser positiv bemerkbar macht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das effiziente Schwimmen im Sog sowie das taktische Verhalten im Wettkampf. Die eigene Orientierung sollte dabei jedoch immer im Vordergrund stehen.
tri2b.com: Welcher Umfang ist grundsätzlich nötig, um stabil seine Schwimmleistung verbessern zu können?
M.H.: Zunächst sollte man unterscheiden, ob ein Triathlet zeitlich mehr trainieren kann oder ob die Umfänge gleichbleiben. Können Triathleten mehr trainieren, sollten Umfänge und Intensität in kleinen Schritten gesteigert werden. Bleiben die Umfänge gleich, gibt es nur den Weg über Technikverbesserung und intensivere Tempoarbeit, bei maximal 25 m Sprintdistanzen in Wiederholung. Mit der Trainingshärte sinken die Zeiten über kurz oder lang zwangsläufig. Wichtig ist, alle drei bis vier Wochen im ausgeruhten Zustand 1.000 m auf Zeit zu schwimmen, um zu kontrollieren, wie das eigene Training wirkt. Je intensiver die Inhalte werden, desto mehr muss auf Regeneration geachtet werden.
Ich wünsche allen Triathletinnen und Triathleten eine erfolgreiche Saison 2025 und bedanke mich für das Interview.
Marco Henrichs
u. a. Trainerdiplom Schwimmen und Athletiktrainer
Autor u. a. von Kraultechnik – Mit mehr Individualität zum Erfolg
Standorte seiner Trainingscamps seit 2015:
- Radevormwald (NRW)
- Leverkusen (NRW)
- Heilbad Heiligenstadt (Thüringen)
- Immenstadt (Allgäu)
- Fuschlsee – Hotel Jakob (Österreich)
- Mallorca – Hotel Viva Blue & Spa (Spanien)
Sowie Trainingspläne Schwimmen und Triathlon
Seit 2015 über 4.000 zufriedene Athletinnen und Athleten
Webseite: www.mh-sportsacademy.com