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Sebastian Kienle: Ich bin auf das kalte Wasser beim Norseman gut vorbereitet

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Sebastian Kienle war das letzte Jahrzehnt seiner nun endenden Triathlonprofi-Karriere als Orca-Athlet unterwegs. Der zweimalige Ironman 70.3-Weltmeister und Ironman Hawaii Sieger von 2014 vertraute auf die Wetsuits und die Triathlonbekleidung der neuseeländischen Kultmarke und war auch maßgeblich in die Produktentwicklung miteinbezogen. Am kommenden Samstag startet der 39-Jährige beim legendären Norseman Xtreme Triathlon, wo beim Schwimmen im Hardanger Fjord richtig kalte Wassertemperaturen zu erwarten sind. Aus diesem Grund haben wir mit Kienle ausführlich über das Wetsuit-Schwimmen, seine Funktion bei den Orca-Produktentwicklungen, seine typische Freiwassereinheit, das Wetsuit-Regelwerk und wie man sich am besten vor kaltem Wasser schützt, gesprochen.

tri2b.com: Du bist seit dem Jahr 2012 Orca-Athlet. Was waren aus deiner Sicht die bahnbrechendsten Orca-Innovationen im Wetsuit-Bereich in diesen 11 Jahren?
Sebastian Kienle (S.K.): Für mich persönlich war eigentlich der allererste Predator-Anzug ein richtiger Eye-Opener. Das war damals, als  ich mit dem Triathlon angefangen habe, die absolute Benchmark. Einfach in Sachen Flexibilität, vor allen Dingen aber auch im Verhältnis von Auftrieb zu Flexibilität. Außerdem war das Neo-Coating des Predators für die damalige Zeit extrem gut, verbunden mit einem wirklich reduzierten Wasserwiderstand. In meiner Zeit als Orca-Athlet war es vor allen Dingen das extrem dünne 0.88-Material an den Armen, weil mir immer die Arme nach 400-500 Metern quasi explodiert sind. Für mich ging das Schwimmen halt immer mit einem All-Out über 400 Meter los. Außerdem war für mich der Hip-Stabilizer sehr wertvoll, weil ich eher eine instabile Hüfte habe und mir das wirklich geholfen hat. Ein Riesenvorteil waren auch die Weiterentwicklungen beim Innenfutter, dass immer weniger Wasser aufgenommen hat, was insbesondere auf der Langdistanz spürbar ist.
tri2b.com: Über ein Jahrzehnt auf die gleiche Wetsuit- und Bekleidungsmarke zu vertrauen ist im schnelllebigen Triathlon-Profigeschäft eher unüblich. Warum die Treue zu Orca, bzw. warum hast du generell in deiner Karriere mit deinen Partnern sehr langfristig zusammengearbeitet?
S.K.: Zunächst habe ich meine Partner nach ihrem Produktangebot ausgesucht. Im zweiten Schritt war es dann so, dass eine Zusammenarbeit entstanden ist, die über das reine Marketing hinaus ging. Ich habe schnell gemerkt, dass auf mein Produkt-Feedback gehört und eingegangen wurde. Was ein großer Vorteil für mich war. Und letztendlich ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, wenn man alle zwei Jahre erzählt, jetzt ist aber das hier das Beste. Das glaubt einem irgendwann auch niemand mehr.
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Lange Ausrüster-Partnerschaften waren Sebastian Kienle immer wichtig: "Was zählt ist die Glaubwürdigkeit" – © Orca
tri2b.com: Wie haben sich deine Ansprüche und Vorlieben bei der Wahl des Wetsuits im Laufe deiner Karriere verändert?
S.K.: Was ich bei Orca vor allem gelernt habe, war nicht primär auf ein Gefühl zu achten, sondern wir haben wirklich sehr viel getestet. Was das Gefühl versus der Zahlen angeht, das ist im Triathlon-Neopren-Bereich oft sehr frappierend. Bei mir ist es aktuell so, dass sich der Apex Flex am besten anfühlt, weil er auch der Flexibelste ist. Es ist aber so, dass der Apex Float bei mir über einen 3000 Meter-Test am Schluss der schnellste Wetsuit war. Das hat sich auf jeden Fall verändert in der Zeit, dass ich nicht einfach einen Neo geschwommen bin, der sich gut angefühlt hat. Es waren teilweise ziemlich aufwendige Tests die ich mit Orca gemacht habe, die auch viel Zeit gekostet haben und oft in dem Moment auch etwas nervig waren. Aber langfristig echt einiges gebracht haben. Mit Orca habe ich für alle Gegebenheiten letztendlich einen Top-Wetsuit.
tri2b.com: Ist deine Wetsuit-Wahl abhängig von der Schwimmdistanz?
S.K.: Ich hatte es gerade schon angesprochen. Der Apex Float funktioniert bei mir beim reinen 3000 Meter Test auf jeden Fall am besten. Ich entscheide je nach Rennen und Konkurrenz, ob ich ein sehr aggressives, schnelles Anschwimmen erwarte und der Apex Flow für mich die bessere Wahl ist oder eher über die Distanz schnell sein will. Was die Wassertemperatur angeht, ist der Apex Float ein bisschen besser isoliert. Beim Norseman werde ich deshalb sicherlich den Apex Float, ehemals 3.8, schwimmen. Wenn eine höhere Anfangsgeschwindigkeit gefragt ist, schwimme ich den Flow, ehemals Predator.
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Der erste Orca Predator war für Sebastian Kienle ein Eye-Opener – später war er bei den Weiterentwicklungen mit involviert – © Orca
tri2b.com: Du warst bei einigen Orca-Produkten maßgeblich bei der Entwicklung mit involviert. Bei welchen Produkten insbesondere?
S.K.: Das Orca-Produkt, bei dem ich am meisten mit einbezogen war, ist der Dream-Kona-Wettkampf Einteiler. Da haben wir von Anfang an getestet, u.a. auf der Bahn. Eher durch Zufall haben wir dann ein paar Sachen entdeckt, die es damals nach meinem Wissen so noch nicht gegeben hat. Ich kann mich noch erinnern, dass damals die Test-Ingenieure plötzlich die Augen ganz weit aufhatten. Wir hatten fünf Durchläufe mit dem Anzug gemacht, weil er einfach so viel schneller war wie die anderen und wir das erstmal auch nicht wirklich glauben konnten, dass es kein Messfehler war.
Ich will jetzt nicht sagen wir haben das damals entdeckt mit den rauen Ärmeln und der Stoffstruktur. Aber es war meines Wissens eben einer der ersten Anzüge, der das im Jahr 2014 schon hatte mit dem Netzmaterial an den Ärmeln. Es ist dann ein Produkt geworden, was vielleicht beim Endkunden gar nicht so super angekommen ist, weil der Trisuit eben keine Taschen hatte. Ich hielt das damals für nicht nötig, da es mir um die beste Aerodynamik ging. Für den einen oder anderen Amateur war es eher ein Nachteil, aber was die Aerodynamik angeht, war dieser Trisuit einfach kompromisslos und sicher lange Zeit der mit Abstand beste auf dem Markt. Beim Schwimmen war es ähnlich, da durfte ich eine Wunschliste machen, was meinen Anzug angeht. Ich wollte einfach dieses unheimlich schwere Gefühl, was ich immer nach dem Anschwimmen in den Armen hatte, vermeiden. Deswegen haben wir daran gearbeitet das superdünnes 0.88-Material für die Arme zu entwickeln.
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2014: Zum Ironman Hawaii-Sieg mit dem Orca Dream-Kona Trisuit – © Michael Rauschendorfer
tri2b.com: Wie bist du aktuell, als bald Triathlon-Rentner, noch mit eingebunden?
S.K.: Auch jetzt ist es noch so, dass ich immer wieder Sachen entdecke, die man vielleicht besser machen könnte. Aktuell gabs zum Beispiel ein bisschen Probleme mit der Qualität von der Nahtverarbeitung in der Produktion. Da ist einfach wichtig, dies auch immer direkt weiterzugeben. So kann schnell darauf reagiert werden. Ich denke, dass ich die Produkte oft auch intensiver im Einsatz habe wie ein normaler Endverbraucher. Das Material auf Herz und Nieren zu testen, sehe ich daher immer noch als meine Aufgabe an.
tri2b.com: Hast du ein bestimmtes Wetsuit-Ritual?
S.K.: Mein Vorgehen ist immer so, dass ich tatsächlich immer vier Triathlon-Wetsuits parallel im Einsatz habe. Zweimal den Apex Flow und zweimal den Apex Float und dann immer eine Rotation habe. Ich schwimme die Neos meistens ein- bis zweimal vor den großen Wettkämpfen ein. Dann ist der Wetsuit im Rennen sozusagen noch neu. Später gehen sie dann ins Trainingsarsenal über. Was tatsächlich richtig geil ist, ist das Neopren-Shampoo. Gerade wenn man öfters im Pool mit Chlorwasser schwimmt, ist das Neopren-Shampoo richtig gut und hält das Neoprenmaterial schön weich. Da kommen dann alle vier Wetsuits daheim in die Badewanne und bekommen ihr Bad. Das Shampoo-Bad hilft auch gut, wenn man viel im See schwimmt und der Wetsuit irgendwann zum müffeln anfängt. Das ist mein Ritual der Neopflege.
tri2b.com: Wie sieht eine typische Freiwasser-Trainingseinheit bei dir aus?
S.K.: Eine typische Freiwassereinheit war bei mir ein Training, das ich zusammen mit Nils Frommhold regelmäßig im Hardtsee bei Ubstadt-Weiher absolviert habe. Zwei Runden auf der Ironman- 70.3 Kraichgau-Wettkampfstrecke. Die erste Runde einfach ruhig im GA1-Tempo. Bei mir war es dann so, dass ich ein sauberes G1 an den Füßen von Nils schwimmen konnte. In der zweiten Runde gab es dann oft zwei Steigerungen. Nils hat das Tempo immer weiter erhöht, bis ich irgendwann auch abgeflogen bin. Die Temposchraube schrittweise immer weiter anzudrehen, das ist eigentlich ein ziemlich geiles Freiwassertraining. Beim Partnertraining lernt man eben auch sauber an den Füßen im Wasserschatten zu schwimmen und sich dabei zu orientieren. Zu zweit macht es auch viel mehr Spaß, wie allein im See unterwegs zu sein. Allerdings muss ich generell sagen, dass mir das Freiwasserschwimmen immer unheimlich viel Spaß gemacht hat. Das hängt auch mit den schönen Locations zusammen, wie jetzt zuletzt am Fuschlsee, wo ich mal hin und her durch den ganzen See geschwommen bin. Es ist auch ein besonderer Reiz sich ein Ziel auszusuchen und in einem größeren See mal wirklich nur in eine Richtung zu schwimmen.
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Beim Norseman gibt´s das volle Wetsuit-Wärmeprogramm – © Orca
tri2b.com: Beim diesjährigen Ironman Frankfurt mussten die Profrauen ohne Neo schwimmen. Leider war die Außentemperatur am frühen Morgen am Langener Waldsee sehr kühl. Mit dem Ergebnis, dass einige Frauen (u.a. Svenja Thoes und Daniela Bleymehl) das Rennen aufgrund von Unterkühlung vorzeitig beenden mussten. Sollte für diese spezielle Temperaturkombination das Regelwerk angepasst werden?
S.K.: Ich muss hier differenzieren zwischen meinen persönlichen Vorlieben und das, was ich von anderen höre und was ich auch von anderen sehe. Meine persönliche Meinung ist, dass die Neo-Regel genauso bleiben kann, wie sie aktuell ist. Ich denke oft, dass liegt dann an den Athletinnen und Athleten, die sich nicht sauber genug vorbereiten auf ein Schwimmen bei kühleren Temperaturen. Aber wie gesagt, das ist meine persönliche Einschätzung.
Was ich allerdings sehe, spricht eindeutig dafür, dass man die Neo-Regel insofern anpassen muss, als dass man eben die Außentemperatur mit einbezieht. Das Vorstartprozedere in Frankfurt, als die Pro-Frauen nach dem Einschwimmen wieder aus dem Wasser raus mussten und noch 10 Minuten ohne Neo nass an Land im kühlen Wind bei 12 Grad Lufttemperatur rumstanden, war schon richtig krass. Für die Athletinnen, die beim Körperfett schon ziemlich am Limit sind, wäre es auch aus gesundheitlichen Gründen angebracht die Regel insoweit anzupassen. Mann könnte zum Beispiel bei einer Außentemperatur unter 15 Grad sagen, dass dies so bewertet wird, als wenn das Wasser zwei Grad kälter ist und dann der Neo doch zum Einsatz kommen darf.
tri2b.com: Für dich geht es in ein paar Tagen zum Norseman nach Norwegen, wo im Wasser des Hardanger Fjords ziemlich sicher bibbern angesagt ist. Welche speziellen Vorkehrungen triffst du für ein Schwimmen in sehr kaltem Wasser?
S.K.: Für den Norseman habe ich mir natürlich ein paar Gedanken gemacht. Da kommt das volle Equipment zum Einsatz. So kann man tatsächlich auch bei richtig kalten Temperaturen schwimmen. Es geht durchaus auch noch bei Wassertemperaturen von 6 bis 7 Grad, wenn man entsprechend eine richtige Neoprenhaube aufhat, die eben die Ohren, den Hals und auch noch Brust so leicht bedeckt. Dazu unbedingt Neoprensocken. Handschuhe sind im Rennen ja nicht erlaubt, im Training aber schon. Zusätzlich kann man eben auch noch ein Neopren-Shirt darunterziehen. Und wenn man dazu noch ein bisschen Vaseline aufs Gesicht reibt. dann ist man für richtig kalte Wassertemperaturen gewappnet. Als speziellen Tipp empfehle ich warmes Wasser in der Thermosflasche mitzunehmen und sich das vorher noch mal am Hals in den Neo zum Vorheizen einfüllt. Ansonsten ist es vor allem Übungssache. Es macht wenig Sinn, ein Rennen wie den Norseman zu machen und dann dort zum ersten Mal ins kalte Wasser reinzuspringen. Dann bekommt man 100-prozentig einen Schock. Gerade im Gesicht verlaufen unheimlich viele Nerven, die dann von einer Sekunde auf die andere kalt melden. Wobei das eigentlich kein großes Problem ist, weil das unangenehme Kältegefühl nach 5 bis 10 Minuten weitgehend verschwindet, Ich habe bis jetzt wenig Probleme mit Kälte beim Schwimmen gehabt. Das sagt man immer, bis man sie dann doch hat. Von daher bin ich sehr gespannt, wie das beim Norseman wird.

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