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Ironman Hawaii 2010: Der eiserne Wille der letzten Rennstunde entscheidet

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Wenn es nach 28 km um den letzten Wendepunkt und wieder raus aus dem gefürchteten Energy-Lab geht, dann fängt der Ironman Hawaii erst richtig an. Denn dort begegnen sich die Athleten ein letztes Mal auf der Laufstrecke und erkennen in den Gesichtern ihrer Mitstreiter, was auf den letzten Kilometern durch die Lavafelder noch möglich sein kann. Andreas Raelert könnte dort den vierten deutschen Sieg perfekt machen ...

Wenn es nach 28 Laufkilometern um den letzten Wendepunkt und wieder raus aus dem gefürchteten Energy-Lab geht, dann fängt der Ironman Hawaii erst richtig an. Denn dort begegnen sich die Athleten ein letztes Mal auf der Laufstrecke und erkennen in den Gesichtern ihrer Mitstreiter, was auf den letzten heißen Kilometern durch die Lavafelder zurück nach Kailua-Kona noch möglich sein kann. Nach dem dritten Platz beim Debüt 2009 hat Andreas Raelert in diesem Jahr beste Aussichten als vierter Deutscher Ironman Weltmeister zu werden. So kann es im Finale durchaus zu einem Deja-Vu mit Craig Alexander kommen, der das Triple perfekt machen möchte und sich damit in die Liste der Ironman-Heroen eintragen kann. Diese Chance hatte Chrissie Wellington 2009 bereits genutzt und ist in Kona bisher seit 2007 ungeschlagen.

„Sieger werden nicht im Training gemacht. Sieger sind aus etwas gemacht, dass sie tief in ihrem Inneren haben – einen Wunsch, einen Traum, eine Vision … sie müssen die Fähigkeit und den Willen haben. Jedoch muss der Wille stärker sein als die Fähigkeit“ (Mohammed Ali).

Wer am kommenden Samstag am frühen Nachmittag, wenn die Sonne noch hoch über Kailua-Kona steht, als Erster die Palani Road herunter läuft und dann über den Kuakini-Highway und die Hualalai Road in den Alii Drive in Richtung Zielkanal biegt, der hat eisernen Willen bewiesen. Der hat aber nicht nur gegenüber seinen Mitstreiter bestanden, der hat vor allem das Rendezvous mit der Lavagöttin „Pele“, den Widerstand des oft stürmischen „Mumuku“-Fallwindes und das heiße Einöd des „Energy Lab“ am besten gemeistert. Der ist zurecht Ironman World Champion und die Chancen stehen diesmal gut, dass es ein Deutscher wird.

Die Chance für den Europameister
Der Saisonverlauf von Andreas Raelert macht deutlich, wo derzeit der Maßstab im Triathlon über die Langdistanz zu finden ist. Der 34-Jjährige Rostocker hat 2010 mit einer beeindruckenden Leistung auf dem Rad die Ironman-EM in Frankfurt gewonnen. Er hat dabei nicht nur einen unglaublichen Vorsprung von elf Minuten auf dem Rad herausgefahren, was ihn selbst überraschte. Raelert ist anschließend auch einen schnellen soliden Marathon gelaufen, was die Konkurrenz keine Chance ließ, den Rückstand entscheidend zu verkürzen. Dass Kona aber ein ganz anderes Rennen sein wird, das ist dem zweimaligen Olympiateilnehmer durchaus bewusst. Besonders der Rennverlauf und die äußeren Bedingungen auf Big Island werden ihm deutlich mehr Geduld abverlangen. Ein derart unkalkuliertes Risiko, wie auf seiner Tempohatz durch das Main- und Niddatal, könnte sich auf Hawaii spätestens beim Laufen rächen. Die Vorbereitung zusammen mit seinem Bruder Michael lief für Andreas hervorragend. Mit einem Formcheck und Sieg über die Mitteldistanz in Köln sind die Beiden nach Clermont ins abschließende Trainingslager gestartet.

Wenn die Stunde schlägt und Titel nichts mehr zählen
Gut vorbereitet wird aber nicht nur Andreas Raelert sein. Mit 14 deutschen Profis ist die Konkurrenz aus der Heimat größer denn je und neben den Arrivierten Timo Bracht, Normann Stadler und natürlich Faris Al-Sultan wollen auch Athleten wie Maik Twelsiek die Top Ten anvisieren. Doch die Rechnung kann nicht ohne den Meister der letzen beiden Jahre gemacht werden, da wird „Crowie“, wie Craig Alexander von vielen genannt wird, ein Wörtchen mitreden. Der Australier hat die einmalige Gelegenheit, zum dritten Mal in Folge in Hawaii auf den Thron zu steigen und dann die Krone des „King of Kona“ ein weiteres Jahr auf seinem Haupt zu tragen. Darauf hat der 37-Jährige seit einem Jahr akribisch hin trainiert und kommt mit der Empfehlung von vier Siegen bei Rennen IM 70.3-Serie höchst motiviert auf die Insel. Doch auf dem Weg hinab ins Energy Lab und zurück auf den Queen Kaahumanu Highway sind Siege in den Vorbereitungsrennen und schon gesammelte Titel nur noch Makulatur. In der letzten Rennstunde des Ironman Hawaii, wenn die endgültige Entscheidung um Sieg oder Niederlage, Finish oder Aufgabe, fällt, dann zählt einmal mehr der unbedingte Wille zum Siegen. Beispiele aus über 30 Jahren Ironman-Geschichte gibt genug, als sich dem Wendepunkt im Energy Lab noch die Spitzenposition veränderte. Erst im Vorjahr fing Alexander den lange führenden Chris Lieto auf dem Rückweg nach Kona noch ab. In den 90iger Jahren musste Thomas Hellriegel zweimal (1995/Mark Allen und 1996/Luc van Lierde) noch den schon greifbar nahen Sieg überlassen.

Wellington unschlagbar?
Während bei den Männern sich auch in diesem Jahr wieder ein spannender Showdown ankündigt, in dem am Ende wohl auch die größte Willenskraft über den Sieg entscheidet, ist die Frage nach der Topfavoritin eher rhetorischer Art. Chrissie Wellington ist seit ihrer Langdistanz-Premiere beim Ironman Korea im Jahr 2007 ungeschlagen über diese Distanz. Streckenrekord in Frankfurt 2008, Weltbestzeit in Roth 2009 und 2010, Streckenrekord in Kona 2009. Die Dominanz der Britin lässt selbst ihre schärfsten Konkurrentinnen, die sich mit ihren Bestzeiten auch deutlich unter der früher für Frauen magischen 9-Stunden-Marke bewegen, wie Statistinnen aussehen. Deshalb wäre alles andere als ein vierter Sieg von Wellington die Überraschung des Ironman Hawaii 2010 und viele Experten tippen eher auf ein Top 20-Finish der Weltbestzeithalterin, als dass ihr Sieg ernsthaft in Gefahr gerät. Doch trotzdem beginnt das Rennen auch für sie am Samstag von Null und es sei nur am Rande erwähnt, dass auch die Topfavoritinnen in der Hitze Konas verwundbar sein können. So erlebte die Rekordsiegerin Paula Newby-Fraser (8 Siege) im Jahr 1995 kurz vor dem Ziel einen Totaleinbruch und verlor das Rennen und auch die zweitbeste in der ewigen Ironman Hawaii-Bestenliste, die Schweizerin Natascha Badmann (6 Siege) musste 1997 als Vorjahreszweite auf dem Rad schon zur Halbzeit entkräftet aufgeben.

Sollte Wellington eine Schwäche zeigen, dann könnte auch im Frauenrennen dem Blickkontakt der Führenden auf dem flimmernden Asphalt des Energy Labs entscheidende Bedeutung zukommen. Gerade die besten Läuferinnen wie Mirinda Carfrae, Rebekah Keat und die Deutsche Sandra Wallenhorst hätten dann die Chance für die Sensationsmeldung aus Kona zu sorgen und das legendäre Energy Lab wäre vielleicht wieder um eine Geschichte reicher.

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