Auf Hawaii ticken die Uhren anders, nicht nur wegen des Zeitunterschiedes. Hier geht man die Dinge etwas gelassener an, Hang Loose, in der Ruhe liegt die Kraft. Doch in der Vorwoche des Ironman herrscht bereits morgens um sechs Uhr reges Treiben am Pier von Kona. Dort trifft man sich, unterhält sich. Dazwischen geben Profi-Triathleten Interviews und die Strecke wird abgeschwommen. Das hat neben dem Training noch einen weiteren Grund.
Die Inseln im Herzen des Pazifiks sind nicht nur für die besten Wellen und den Ironman bekannt, sondern auch wegen ihres guten Kaffees. An jeder Ecke gibt es frischen Kaffee verschiedener Röstereien und in zahlreichen Geschmacksrichtungen. Den Geschmack von Kaffee macht auch eine Prise Salz etwas intensiver und so schmeckt er nach einer Schwimmeinheit im Meer gleich noch viel besser. Wer sich jetzt wundert, was das mit Triathlon zu tun hat, der wird das spätestens am Wendepunkt der Schwimmstrecke bei seinem morgendlichen Training erfahren. Denn genau dort gibt es eine Coffee-Bar mitten im Wasser. Das ist auch die Ursache vieler aufeinander treffender Umstände früh Morgens am Pier.
Entspannte Atmosphäre
Denn man könnte ja auch Laufen, so wie es Chris McCormack macht – der wurde beinahe stündlich in Kona gesichtet, mal laufend, mal auf dem Rad. Ständig präsent, wie auch am Renntag. Präsent war auch Chrissie Wellington und hat auch gleich ein Interview gegeben. Glücklich seisie, wieder hier in Kona zu sein, betonte Wellington, und sie freue sich sehr auf den Wettkampf am Samstag. Wellington hat in den vergangenen Wochen hauptsächlich regeneriert, um erholt für den Ironman Hawaii zu sein. Dennoch lässt sich das Rennen wegen seiner besonderen Bedingungen nicht planen und ein Sieg sei keineswegs selbstverständlich, dämpfte die Weltmeisterin der vergangenen drei Jahre die Erwartungen. Dass Chrissie Wellington es zum vierten Mal in Folge packt und dabei noch näher an die Top Ten in der Gesamtwertung aufrückt, trauen ihr dennoch viele zu.
Am Pier war auch Jan Sibbersen, allerdings nicht wegen eines Kaffees. Er war im Gespräch mit Michael Raelert, bevor dieser selbst eine Runde schwamm. Ein Test für 2011? Geschwommen ist auch Nicole Leder, die drei Tage vor dem Saisonhöhepunkt sehr entspannt wirkt. Sandra Wallenhorst blickt auch zuversichtlich auf den Rennsamstag.
Drahtiger Favorit
Andreas Raelert hingegen ist diesmal ein gefragter Gesprächspartner aller Medien. Eisernen Willens, das Rennen am Samstag ähnlich dem von Frankfurt mit zu gestalten, baut er seine letzten Trainingseinheiten zwischen den zahlreichen Interviews und Verpflichtungen eines favorisierten Profis ein. Nicht nur die Leser von tri2b.com sind sich zu 60 Prozent einig, auch international sieht man im amtierenden Europameister schon den nächsten deutschen Weltmeister. Dem Erwartungsdruck sei er gewachsen, meint Raelert. Er mache sich da schon selber mehr Druck. Verändert hat er in diesem Jahr einiges und auch auf die Ernährung als vierte Disziplin großen Wert gelegt. Er wirkt drahtiger und deutlich schlanker als bei seinem ersten Start auf Hawaii 2009. Vielleicht das Ergebnis seiner bewussten Ernährung oder des harten Trainings im Rahmen seiner Vorbereitung. Möglicherweise steckt darin der Vorteil, wenn es am Samstag wieder raus aus dem Energy Lab geht.
Die Form passt
Den Vorteil einer gezielten Ernährung vor Wettkämpfen hat Timo Bracht längst entdeckt. Seiner Oma gefällt das gar nicht, wie er meint. Die mache sich immer Sorgen, wenn er so schlank ist. Für ihn dann stets ein Zeichen, dass die Form passt. Eine spezielle Diät, wenige Tage vor einem Wettkampf, soll seine Speicher voll machen und ihm die nötige Energie geben. Meist hat er unmittelbar nach Omas Kritik so die besten Resultate gebracht. Für Hawaii hat sie ihm natürlich viel Glück gewünscht und dass er Spaß haben soll, das sei das Wichtigste. Den hat er genau dann, wenn die Form stimmt und er seine selbst gesetzten Ziele erreicht. Wie das dann am Ende in der Ergebnisliste aussieht, läßt sich kaum planen. Wenn nichts dazwischen kommt, so wie zuletzt in Frankfurt oder die Probleme im Wasser vergangenes Jahr, dann sind für den Eberbacher die Top 5 drin. In Frankfurt ist Bracht vor allem auch wegen seiner guten Schwimmleistung Zweiter hinter Raelert geworden und kommt mit dem Titel des Vize-Europameisters und einem gestärkten Selbstbewusstsein nach Kailua-Kona. Vielleicht ein Grund, weshalb wir ihn heute nicht am Pier gesehen haben.
Paradiesvogel oder Realist?
Selbstbewusst am 9. Oktober ist auch Faris Al-Sultan. Mit der Leistung von Regensburg und der Gabe einer schnellen und guten Anpassung an das Klima hier auf Hawaii, sieht auch er eine Chance auf die Top 5. Einen möglichen Sieg schließt der Münchener aber allein schon wegen seiner Verletzung vom Frühling unter normalen Umständen aus. „Da bin ich Realist, so Al-Sultan. Er konnte sich zwar gerade am Laufen noch etwas steigern, aber eine Verbesserung der Gesamtleistung von einem Sommer-Ironman bis Hawaii sei kaum möglich. Vor elf Jahren war Al-Sultan erstmals dabei, verändert hat sich seit dem einiges, am meisten natürlich für ihn. Der Spirit von Hawaii sei schon noch da, von besser oder schlechter als früher kann man da nicht reden. Anders eben, gerade im Hinblick auf die Herangehensweise und die Zahl der Paradiesvögel in der Szene.
Anders trifft es am besten, denn familiär geht es beim wohl bedeutendsten Triathlon immer noch zu, auf alle Fälle am Pier. Was die Herangehensweise betrifft, so hat man ausgerechnet beim Ironman auf Hawaii das Gefühl, dass alles etwas entspannter ist. Hang Loose eben und die richtige Prise Salz im Kaffee.