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IRONMAN Hawaii: Dem Mythos auf der Spur

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Warum zieht der IRONMAN Hawaii alljährlich die Triathleten aus aller Welt magisch an? Auf der Suche nach Erklärungen ...

An einem Abend im Oktober: Ankunft Keahole Airport. Nach der obligatorischen Begrüßung mit dem hawaiianischen Blumenkranz geht es für die vom annähernd 20-stündigen Flug müden Eisenmänner endlich Richtung Kona. Auf dem Transfer dorthin sind im Dunkel der Nacht die großen grünen Straßenschilder nur schemenhaft zu erkennen – Energy Lab, Queen Kaahumanu Highway und Palani Road lassen aber das Herz der müden Triathleten nochmals höher schlagen. Bei Tageslicht am nächsten Tag dann die Ernüchterung: Ein gerades Asphaltband durch die Lavawüste, flankiert von einigen Industriebauten. Dies soll in ein paar Tagen die Szenerie des wichtigsten Triathlonrennens der Welt sein? Zumindest die mannshohen Buganvilla-Sträucher vermitteln etwas Südseezauber.

Eigentlich unvorstellbar, dass von diesem gut 80 Kilometer langem Highway durch den Norden von Big Island eine derart große Faszination ausgeht, dass weltweit zig-tausende Athleten versuchen, sich einen Platz im mittlerweile auf über 1.800 Teilnehmer angewachsenen Starterfeld zu sichern. Aber Hawaii gilt immer noch als der Ritterschlag im Triathlonsport. Wer 3,8 Kilometer durch den aufgewühlten Pazifik schwimmt, 180 Kilometer mit dem Rad durch die glühend heißen Lavafelder fährt und dann noch 42,2 Kilometer durch die Nachmittagshitze Konas läuft, gilt als Inbild des eisenharten Ausdauersportlers – ein wahrer Ironman. Ein Hawaii-Sieg in der Vita heben einen Triathlonprofi auf Augenhöhe mit Olympiasiegern. Agegrouper, die am Alii Drive finishen, sind sich zumindest der Sportlerehrung ihrer Heimatgemeinde und der vereinsinternen Hall of Fame sicher.


Der Weg zur Massenbewegung
Triathlon und Hawaii ist ein Begriffspaar wie Tennis und Wimbledon. Und diese Ausnahmestellung hat sich schon in den 80er Jahren entwickelt, als das Rennen noch eine Domäne der Amerikaner war. Dave Scott, Scott Tinley und Scott Molina – dreimal Scott, zusammen neun Hawaii-Siege. Der Schnauzbart von Scott Tinley war auch unter talentierten deutschen Triathleten zu dieser Zeit En Vogue. In den Neunziger Jahren folgten zuerst die Siegesserie von Mark Allen und Paula Newby-Fraser setzte ihre bis heute unangetastete Serie von acht Siegen fort. Als mit Dirk Aschmoneit 1991 in Neuseeland erstmals ein Deutscher einen IRONMAN gewann, war endgültig die Zeit der Europäer gekommen. Schritt für Schritt kamen die Deutschen dem Treppchen näher. Wolfgang Dietrich war dann 1993 als Dritter der erste Deutsche auf dem Siegerpodest. Mit Thomas Hellriegels Sieg vor zehn Jahren war der vorläufige Höhepunkt erreicht. Im Sog dieser Erfolge zog es auch die Masse immer mehr auf die 226 Kilometer lange Triathlon-Urdistanz.

Bis Mitte der Neunziger Jahre gab es als Hawaii-Quali-Rennen in Europa nur Roth und den erstmals 1992 veranstalteten Exoten-IM auf Lanzarote. Zürich, zuerst als Euroman benannt, folgte, und Klagenfurt mit der Trimania-Premierenveranstaltung im Jahr 1998 waren dann die Startpunkte des mitteleuropäischen IRONMAN-Hype.

Ausgebuchte Starterfelder innerhalb von 24 Stunden. Immer weitere neue Rennen unter dem M-Dot Zeichen und die seit dem Jahr 2006 installierte IRONMAN 70.3 Serie machten das IRONMAN-Label zum Massenprodukt. Die Vielzahl der Rennen kann dabei unter ganz verschiedenen Aspekten betrachtet werden. War früher ein Ironman-Sieg etwas ganz außergewöhnliches, so finden sich heute schon mal eher unbekannte Namen ganz oben auf der Siegerliste. Viele Rennen gleichen heute außerdem oftmals mehr einer nationalen Meisterschaft. Deutsche in Frankfurt, Österreicher in Klagenfurt und die Eidgenossen in der Schweiz. Mehr Rennen gibt aber auch mehr Athleten die Chance zumindest ein wenig vom Triathlonsport zu leben.

Nur Hawaii zählt
Umso größer wird durch diese Konstellation aber auch der Stellenwert von Hawaii. „Es ist das einzige Rennen, was wirklich zählt“, hat Faris Al-Sultan deshalb auch klar erkannt. Dort treffen im Oktober die weltbesten Triathleten aufeinander, die sich vorher zwölf Monate lang meist tunlichst aus dem Weg gehen. Wer an diesem Tag als erster Mann oder Frau über die Ziellinie am Pier von Kona läuft, hat seine Schäfchen erst mal eine Zeit lang ins Trockene gebracht. Das ist aber andererseits auch das große Risiko. Wer auf Hawaii in Bestform sein will, darf nur wenige Rennen bestreiten und muss auf mögliche Preisgelder verzichten. Ein Scheitern kann dann die ganze Rechnung schnell über den Haufen werfen.

Ein Agegrouger hat diese Probleme zum Glück nicht. Ihn plagen andere. Rechtzeitig anmelden, um überhaupt einen Startplatz zu ergattern. Und dann im großen unüberschaubaren Feld zu bestehen. Geht es um Qualizeiten, dann fällt meist bald auch das Wort Windschattenfahren. Die Dichte im Bereich der Qualiaspiranten steigt immer weiter an. Der Kampf um den begehrten Hawaii-Slot kann so schnell zur Sekundenentscheidung werden, die nicht immer sportlich auch wirklich fair abläuft.

Wie geht es weiter?
Je knapper ein Gut, desto höher der Preis. Diesem grundlegendem ökonomische Merksatz folgt auch der Ironman. Für 2008 melden schon jetzt fast alle Rennen ausgebucht. Deshalb wird erst einmal alles so bleiben wie es ist. Beim Lesen der überdimensionalen grünen Verkehrswegweiser wird vielen weiter ein angenehmer kühler Schauer über den Rücken laufen. Ein Glück bei Konas Temperaturen. Und die Asphaltpiste Namens Highway 19 ist zumindest glatt wie ein Kinderpopo. Zum Vergleich: Der heilige Rasen in Wimbledon gleicht oft schon nach ein paar Turniertagen einem abgeernteten Kartoffelacker.

In diesem Sinne auf einen unvergesslichen 13. Oktober 2007.

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