Daniela Ryf: Im Marathon wird es mit den Downhills brutal werden

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 30.04.2022 um 18:11
Viermal in Folge hat Daniela Ryf in den Jahren 2015 bis 2018 den Ironman Hawaii gewonnen und dabei zweimal auch den Streckenrekord verbessert. 2019 setzte sich Anne Haug die Ironman-Krone auf und so geht die 34-jährige Schweizerin bei der nach St. George verschobenen Ironman World Championship diesmal nicht als Titelverteidigerin ins Rennen. Ihre finale WM-Vorbereitung absolvierte die Solothurnerin bereits in Sedona im US-Bundestaat Arizona. Im tri2b.com-Interview erzählt Daniela Ryf über ihre schwierige Vorsaison, dem Training nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Brett Sutton und ihrem Antrieb sich immer wieder aufs Neue zu motivieren. Außerdem zeigte sie im Gespräch deutlichen Respekt vor der Streckenführung in St. George.

tri2b.com: Zwei Jahre ohne Ironman WM sind in wenigen Tagen endlich vorbei. Wie groß ist die Vorfreude bei dir?
Daniela Ryf (D.R.): Die Vorfreude ist riesig. Es war für die Langdistanz-Athleten schon eine sehr harte Zeit und ich muss gestehen, dass ich letztes Jahr eigentlich nicht mit der Kona-Absage gerechnet hatte. Das war dann schon demotivierend. Jetzt die Möglichkeit zu haben, zwar nicht in Hawaii, bei der Ironman WM zu starten ist toll und ich freue mich sehr darauf. Es wird ein anderes Rennen werden wie auf Hawaii und deshalb eine besondere Herausforderung.

tri2b.com: Im Vorjahr gab es bei dir auch einen Cut. Trainer-Wechsel, sowie eine Pause vom Triathlon nach der Ironman 70.3 WM und einer wegen gesundheitlicher Probleme holprig verlaufenen Saison. Was hast du aus 2021 für das Jahr 2022 mitgenommen?
D.R.: Das Jahr 2021 war für mich mit einigen Herausforderungen bestückt. Es war eine schwierige Zeit, eben auch wegen der gesundheitlichen Probleme. Aber auch das ist ein Teil des Profiseins. Ich hatte schon einmal im Jahr 2010 mit Magenproblemen zu kämpfen. Solche Phasen gehören leider auch dazu und da braucht man Geduld. Diese Zeit hat mir auch gezeigt, dass ich den Triathlonsport wirklich sehr liebe. Dies hat mir geholfen, als ich mich durch einige schwierige Momente durchbeißen musste. Zudem habe ich wieder gelernt, dass man Geduld haben muss mit dem Körper und man muss ein Ziel haben. Es war wichtig, dass ich zum Ende der Saison für eine längere Zeit das Training unterbrochen habe und meinem Körper die nötige Ruhe gegeben habe.  

Jetzt hatte ich über gut sechs Monate einen guten Aufbau. Wenn man mal wieder etwas unfitter wird, dann schätzt man auch wieder was es bedeutet fit zu sein. Die Fortschritte sind nach so einer Pause auch wieder etwas größer, was sehr motivierend war. Das Ziel ist natürlich, dass ich zur absoluten Hochform zurückkomme. Ob ich dort jetzt schon bin, kann ich ehrlich gesagt noch nicht beantworten. Ich fühle mich gut, ich habe mein Immunsystem definitiv wieder im Griff und habe da auch für mich ein paar gute Lösungen gefunden. Für St. George bin ich sehr positiv gestimmt.

tri2b.com: Gab es beim Neuaufbau im Training andere Schwerpunkte bzw. Veränderungen im Vergleich zu früheren Jahren?
D.R.: Ich habe das beibehalten, was bei mir funktioniert. Von Brads (Brad Sutton) Trainingsphilosophie habe ich sehr viel gelernt und übernommen. Ich trainiere eigentlich schon immer noch so als zu seiner Zeit. Ich bin mit ihm ab und zu noch in Kontakt und er gibt mir immer noch den einen oder andern Tipp. Zudem habe ich gemerkt, dass mir das Training zuhause guttut, da ich mich so im täglichen Training weniger mit anderen vergleiche. Ich schwimme zwar daheim mit einer Schwimmerin, aber sonst mache ich sehr viel beim Radfahren und Laufen allein. Früher war ich öfters in Camps und ließ mich hier und da dazu verleiten ein bisschen zu viel zu machen. Vor allem vor der Corona-Hochphase war ich sehr viel unterwegs. Jetzt habe ich aber bemerkt, dass es mir guttut im Winter einige Monate zuhause zu sein und Menschen um mich herumzuhaben, die mir nahestehen.

tri2b.com: Kannst du einen Einblick geben, wie du dich immer wieder aufs Neue motivieren kannst? Schließlich hast du im Triathlonsport schon fast alles gewonnen was es zu gewinnen gibt!
D.R.: Ich hatte damit nach 2018 wirklich ein bisschen Mühe, da ich auf Hawaii eines der extremsten Rennen hatte. Es fiel mir danach einige Zeit schwer, weil ich jemand bin, der immer noch mehr will. Im Sinne von: Ich will es noch besser machen. Aber es schien mir in dem Moment schwierig, die Leistung vom Ironman Hawaii 2018, als ich beim Schwimmen von einer Qualle gebissen wurde und dann nach einer Aufholjagd mit Streckenrekord gewinnen konnte, nochmals zu toppen. Ich glaube dieser Rückschlag im Vorjahr zeigt einem auf die harte Art, dass man es schätzen muss gesund zu sein. Für mich ist es schwierig damit klarzukommen, wenn man seine gewohnte Leistung nicht mehr erreicht. Ich zähle nicht die Titel, in dem Sinne ich möchte so und so viele Titel erreichen. Wichtig ist für mich ein großes Ziel zu haben, das mich täglich zu Höchstleistungen anspornt. So wie der Ironman Hawaii und jetzt die WM in St. George.

tri2b.com: Du hast den Ironman 70.3 Dubai und den Ironman 70.3 Oceanside als Vorbereitungsrennen in den Beinen. Wie beurteilst du deine Leistung und die der Konkurrentinnen?
D.R.: Mit dem Rennen in Dubai war ich mit etwas Abstand sehr zufrieden. Das Schwimmen war dort ok und beim Radfahren war ich eher überrascht, denn ich hatte bis dahin nur so fünf Radausfahrten draußen gemacht und der Rest fand ausschließlich auf der Rolle statt. Mein Ziel war endlich wieder etwas Wettkampferfahrung zu sammeln. Mir war auch klar, dass ich dort noch keine Topform haben werde. Das Laufen lief dann auch nicht optimal, aber mit der Formkurve war ich insgesamt schon zufrieden. Laura (Philipp) war dort superfit und hat ein ganz starkes Rennen gezeigt.

Mit Oceanside war ich nicht zufrieden. Ich hatte einige Fehler gemacht. Einige davon bewusst. Für mich war es ganz klar ein Trainingsrennen. Ich hatte zuvor auf Gran Canaria einen super Trainingsblock gehabt, dort direkt bis vor dem Abflug nach Oceanside sehr hart trainiert und war dann  zu müde für ein hartes Rennen. Die Konkurrenz war aber auch enorm stark. Taylor Knibb zeigte eine Topform und es ist auch schön zu sehen, wie jetzt junge Frauen nachkommen. Meine Beine waren definitiv nicht so schnell, wie sie hätten sein müssen, um mitzuhalten.

tri2b.com: Die Ironman WM in St. George ist bereits Anfang Mai. Es ist ein absolutes Novum, dass so früh im Jahr schon alle Topathletinnen aufeinandertreffen. Wie hast du darauf reagiert?
D.R.: Zuerst bin ich einmal froh, dass die WM nicht auf dem Februar-Termin geblieben ist. Das wäre aus meiner Sicht sehr viel schwieriger gewesen. Anfang Mai kann man richtig fit sein. Es ist immer noch früh in der Saison, aber der Termin war ja jetzt lange bekannt. Klar haben einige der Konkurrentinnen wenige Rennkilometer in den Beinen. Aber schlussendlich spielt das alles keine Rolle, der größere Faktor wird ganz klar die Strecke in St. George sein. Der Kurs ist enorm hart und ich denke, dass dort andere Athletinnen stark sein können als vielleicht auf Hawaii. Ich habe mich daher sehr spezifisch auf die Topografie vorbereitet, vor allem beim Laufen. Der Respekt ist echt groß, weil ich glaube das es selbst an einem guten Tag brutal wird.

tri2b.com: Kannst du noch etwas genauer auf die Bedingungen vor Ort eingehen? Du kennst St. George bestens durch deine Starts bei den 70.3-Rennen.
D.R.: Am meisten ist mir die trockene Luft aufgefallen, was schon sehr speziell ist. Das Klima ist zwar nicht extrem heiß, aber es kann durchaus sehr warm werden. St. George liegt knapp 800 m über dem Meer und die Radstrecke geht sogar bis über 1.400 m Höhe hinauf. Deshalb habe ich für die finale Vorbereitung bewusst Sedona gewählt. Ich wollte nicht mehr ins Höhentraining gehen, denn das Immunsystem wird in der Höhe noch viel mehr gefordert. Dort habe ich mich drei Wochen schrittweise akklimatisiert und auch nochmal hart und umfangreich trainiert. Bei den Strecken ist vor allem das Laufen die große Herausforderung, auch wenn auf dem Rad schon über 2000 Höhenmeter zu bewältigen sind. Beim Laufen sind es die vier langen Downhills, zwei pro Runde, die den Beinen alles abfordern werden. Leichte Athletinnen könnten auf dem Kurs Vorteile haben, aber nur wenn trotzdem noch ein hohes Kraftniveau vorhanden ist.

tri2b.com: Du bist diesmal in St. George nicht die Gejagte, sondern die Jägerin von Anne Haug. Wie gefällt dir diese neue Situation?
D.R.: Also ich bin ja tendenziell lieber die Jägerin. Ich mag es auch, wenn ich nicht als Erste aus dem Wasser komme und jemand vor mir habe, denn ich jagen kann. Ich fühle schon auch sehr mit Lucy (Charles-Barclay) mit, die ich sehr gerne an der Startlinie gesehen hätte. Ich will nicht gewinnen, nur weil starke Konkurrentinnen nicht dabei sind. Aber das ist leider auch ein Teil des Spiels, dass man es zuerst gesund an die Startlinie schaffen muss. Anne Haug ist die Titelverteidigerin und somit hat sie diesmal die Favoritenrolle, aber es sind auch noch andere superstarke Athletinnen dabei. In erster Linie fokussiere ich mich aber sowieso nur auf meine eigene Leistung. Allerdings verspüre ich jetzt auch nicht weniger Druck als sonst. Ich denke es wissen alle, dass ich nicht an den Start gehe, nur um ein bisschen mitzumachen. Das war nie meine Art.