Agegrouper-Story Ironman Brasilien: Hawaii-Quali fernab der Heimat gesichert

von tri2b.com | 06.06.2009 um 21:29
Beim Stichwort Brasilien denkt man gewöhnlich nur an die üblichen Klassiker: Pele, Caipirinha, Samba und Copacabana. Seit dem 31. Mai 2009 gehört für mich definitiv noch ein weiteres brasilianisches Highlight dazu - der „Brasil Ironman Florianópolis“. Sechs Tage zuvor bestieg ich in München den Flieger in Richtung Südamerika, um in Brasilien meinen Angriff auf einen Hawaii-Slot zu starten.

Der IM Brasilien findet auf der Insel Santa Catarina statt, deren Hauptstadt Florianópolis ist (ca. 420.000 Einwohner). Die Anreise aus Europa erfolgt üblicherweise per Zwischenstopp über Sao Paulo (Flugzeit aus Deutschland etwa 11 Std.), von dort geht es dann noch einmal 700 Kilometer bzw. 50 Flugminuten weiter nach Süden. Der Hauptteil von Florianópolis liegt auf der „Ilha da Magia“ (Insel der Magie), der kleinere Rest auf dem über eine 500m lange Brücke erreichbaren Festland. Berühmtester Sohn der Stadt ist der Tennisspieler Gustavo Kürten, der 3-mal bei den French Open siegreich war.

Das Hauptareal des Ironman befindet sich in Jurere, an der Nordküste der etwa 50 Kilometer langen Insel. Ein kleines Örtchen mit Florida-Style – zahlreiche von Palmen umgebene Luxusvillen gibt es hier, die reiche Brasilianer und Argentinier als Stranddomizil nutzen. Direkt am 3 Kilometer langen, wunderschönen Sandstrand ist hier der Start- & Zielbereich, beide Wechselzonen, die Veranstaltungshalle für die Pasta- und Awardsparty sowie die Triathlonmesse gelegen. Zahlreiche Unterkünfte in sogenannten Pousadas gibt es allerdings erst in etwa 2-3 Kilometer Entfernung. Mein Geheimtipp: „Mar de Jurere“ – eine relativ günstige Pension (ca. 60 Euro pro EZ) im deutschen 60er-Jahre-Stil (inkl. „Zimmer-Frei-Schild“), mit tollem Frühstücksbuffet und einem Supermarkt direkt nebenan (der Strand ist nur 300m entfernt). Busse fahren von hier direkt zum Ironman-Gelände.

Veranstalter selbst ein Eisenmann – in diesem Jahr in Roth am Start
Der erste Ironman Brasilien fand im Jahre 2000 noch weiter nördlich in Porto Seguro statt, seit 2001 organisiert die Agentur „Latin Sports“ dieses Ironman-Rennen nun schon in Florianópolis. „Damit sind wir die am längsten bestehende lateinamerikanische Qualifikationsveranstaltung für die IM-Weltmeisterschaft auf Big Island“, berichtet Veranstalter Carlos Galvao stolz. Der 40-Jährige nimmt selbst regelmäßig an Triathlon-Langdistanzen teil – zuletzt im November 2008 beim IM Arizona (Endzeit: 11:08). Am 12. Juli startet er erstmals bei der Challenge in Roth und pikanterweise nicht beim deutschen IM-Bruder in Frankfurt.

Drei Tage vor dem Rennen erwacht das sich eigentlich im Winterschlaf befindende Jurere so langsam. Zahlreiche Triathleten sieht man auch so kurz vor dem Rennen noch beim intensiven Radeln, Joggen und Schwimmen. Auffällig ist das extrem gute und somit auch teure Equipment der überwiegend südamerikanischen Teilnehmer (besonders hoch im Kurs stehen hier die Räder der kanadischen Edelmarke Cervélo). In Europa habe ich bei einem Ironman noch nie so viele tiptop ausgestattete Teilnehmer gesehen. Man merkt also schnell: Triathlon ist in Südamerika der Sport für einen exklusiven Zirkel der Reichen.

Harter Kampf gegen Lutscher
Auf der englischsprachigen Wettkampfbesprechung, die bereits am Donnerstag stattfindet, ist von brasilianischer Lockerheit keine Spur. Der sehr sympathische Organisationschef Carlos Galvao präsentiert hier hoch professionell die Streckenverläufe und den genauen Ablauf des Rennens. Sein besonderes Anliegen ist der Kampf gegen das Windschattenfahren. Eine hohe Anzahl an Wettkampfrichtern (Galvao ist in dieser Funktion beim Rennen höchstpersönlich im Einsatz) soll dies auch in diesem Jahr so erfolgreich verhindern wie 2008, als es über 80 Gelbe Karten und 3 Rote Karten gab. Auch den Betrügern, die eine andere Person unter ihrem Namen starten lassen (ja, so was soll es tatsächlich geben!) hat Galvao den Kampf angesagt: So werden während des Rennens Fotos gemacht, die mit den Originalfotos der Athleten (aufgenommen beim Abholen der Startunterlagen) verglichen werden. Ein aufwendiges aber anscheinend auch sinnvolles Prozedere.

Sambatänzerinnen fordern den Testosteronspiegel
Am Freitagabend steht die Pastaparty auf dem Programm. Es gibt eine üppige Auswahl an Nudeln, Salaten, dazu gebratenes Hühnchen und zum Nachtisch kann man sich an riesigen Obstbergen bedienen. Der Höhepunkt des Abends ist allerdings ein anderer: Vier knackige Sambatänzerinnen heizen mächtig ein und sorgen für „tumultartige“ Szenen. Die zuvor noch ruhig vor sich hin essenden Eisenmännchen sind auf einmal wie von Sinnen und stürmen mit ihren Fotoapparaten in Richtung Bühne. Schnappschüsse Arm in Arm mit den Tänzerinnen stehen besonders hoch im Kurs – vor allem die Mexikaner scheinen besonders viel Testosteron angestaut zu haben…

Samstags checke ich bei tristem Regenwetter und nur etwa 18 Grad mein Rad ein. Leider gibt es hier vom Veranstalter keinen Plastikschutz für die Räder – in Europa ist dieser Service zum Glück selbstverständlich. Viele hatten wohl damit gerechnet und haben ihre eigenen Plastikplanen und –tüten dabei. Ich leider nicht. So kann ich mir leider nur mit einem kleinen Abfallsack aus der Herrentoilette aushelfen – kein optimaler Regenschutz, aber immer noch besser, als mein treues „Specialized“ einfach so nackt im Regen übernachten zu lassen.

Am Rennmorgen zeigt sich morgens um 4 Uhr erstmals in dieser Woche der Sternenhimmel. Eigentlich gute Vorzeichen für ein hoffentlich stabiles Wettkampfwetter. Nach dem Frühstück berichtet mein norwegischer Zimmernachbar allerdings von einem „heute etwas unruhigerem Atlantik“. Noch ahne ich zu diesem Zeitpunkt nicht, was für eine „Schwimm-Schnitzeljagd“ heute für uns auf dem Programm stehen soll.

Auf dem Weg von der Wechselzone runter ans Meer spürt man an diesem Morgen nun schon den heftigen Wind. Dann der Schock: Die in der kompletten Woche so ruhige Bucht ist nicht wiederzuerkennen – hohe Wellen klatschen an den Strand, das Meer tanzt heute Samba. Die Schwimmstrecke des Ironman Brasilien verläuft in einer M-Form, nach 2,1 Kilometern von einem 100m langen Landgang unterbrochen. Gestartet wird vom Strand aus.

Zehn Germans am Start – Schwimmen extrem steht an
Zehn Minuten vor dem Start hat sich draußen auf dem Meer die erste und einzige große Wendeboje gelöst und ist weit nach rechts abgedriftet. Das Startfeld bewegt sich ebenfalls am Strand nach rechts, der Hauptteil der Triathleten will natürlich möglicht den kürzesten Weg einschlagen. Doch dann kurz vor dem Startschuss wieder alles retour, ein Boot hat die Boje wieder nach links zurückgezogen und nun kann es endlich losgehen. Kurz nach 7 Uhr rennen 1.500 Triathleten (Rekord!) aus 38 Ländern los, darunter 10 Deutsche.

Erst einmal müssen die an Land schwappenden Wellen übersprungen werden, dann erst kann man mit dem Kraulen beginnen. Doch mit normalem Hallenbadschwimmen hat das hier rein gar nichts zu tun. Wie in einer Achterbahn geht es auf dem aufbrausenden Meer ständig rauf und runter. Alles was ich monatelang geübt hatte (langer Armzug, 90°-Winkel im Ellbogen, aktiver Beinschlag,…) kann ich hier in dieser Waschmaschine total vergessen. Es ist ein reiner Überlebenskampf! Außerdem fällt die Orientierung im salzigen Meerwasser extrem schwer. Die erste große Boje nach ca. 1 Kilometer ist noch recht gut zu erkennen, doch anschließend geht´s im „Blindflug“ weiter. Jeder orientiert sich nur noch am Nebenmann, von weiteren Bojen ist weit und breit nichts zu sehen.

Erst nach knapp über 40 Minuten habe ich den ersten Waschgang hinter mir, den Hawaii-Slot habe ich gedanklich schon abgeschrieben. Die zweite kleinere Schwimmrunde läuft dann ein bisschen besser. Doch kurz vor dem Ende schwimme ich mit einer kleinen Gruppe in die falsche Richtung. Ein Kajak zeigt uns den richtigen Weg und wir müssen einen kleinen Umweg um die letzte Boje schwimmen. Per Bodysurfing werde ich nach 1:15 Std. endlich von den Wellen an Land gespült. Der „Horror“ ist zu Ende…

Die Radstrecke teilt sich auf in 2 relativ flache 90km-Runden (ca. 500 Höhenmeter). Eigentlich also wie geschaffen für neue persönliche Rekordzeiten. Fast die komplette Strecke wird allerdings nur auf einer abgesperrten Spur zurückgelegt – Überholmanöver sind hier also oft „enge Kisten“. Auch die Straßenverhältnisse sind mit europäischen Maßstäben nicht zu vergleichen. Hier gibt es keinen Flüsterasphalt, sondern zahlreiche Schlaglöcher, ausgebesserte Stellen und oftmals auch herumliegende Glassplitter. Gleich 3-mal laufen Hunde direkt neben mir am Straßenrand und lassen meinen Puls in die Höhe schnellen. Auch der Wind ist heute leider stärker als an den Tagen zuvor von „Brasilien-Experte“ Olaf Sabatschuss (2-facher IM Brasilien-Gewinner: 2004 und 2005) wurde die Radstrecke also zurecht als windanfällig beschrieben. Mit einem Bike-Split von 5:07 Std. erreiche ich nach einigen persönlichen Hochs und Tiefs die 2. Wechselzone.

Laufen mit dem Traum von Hawaii
Als ich loslaufe habe ich eine Gesamtzeit von 6: 29 Std. auf dem Zeiger. Letztes Jahr ging hier der letzte Hawaii-Slot in meiner Altersklasse mit einer Zeit von 9:49 über den Tresen – ich muss mich also sputen. Beim Marathon wird eine große 21km-Runde und zwei kleine 10,5km-Runden zurückgelegt. Das „Highlight“ dieser Laufstrecke sind zwei heftige Hügel, mit einer Steigung von ca. 10-20% - die keinen brasilianischen Schwestern der Eigernordwand. Bei Kilometer 8 geht´s rein ins bergige „Vergnügen“: Die zwei Hügel muss man sich jeweils von beiden Seiten hoch kämpfen, dazwischen liegt eine flache 5-Kilometer-Schleife zum Erholen. Bei Kilometer 17 ist der anstrengendste Teil dieses Marathons dann endlich vorbei und die restlichen 25 Kilometer geht es nun ziemlich eben dahin. Toller Service an den Getränkestationen: Es werden noch verschlossene kleine Wasserbecher gereicht – man muss nur ein kleines Loch in den Deckel drücken und kann ohne großes „Rumsabbern“ trinken.

Beim Bodymarking vor dem Schwimmstart gab es hier neben der Startnummer auf den Oberarmen auch den jeweiligen Buchstaben der Altersklasse auf die Wade. Auch wenn man im Rennen nicht genau weiß, auf welchem Platz man liegt, so kann man sich wenigstens an den Buchstaben ein bisschen orientieren. Auch auf den letzten 4 Kilometern kann ich mein konstantes Lauftempo halten und sogar noch ein paar Läufer mit einem „D“ auf der Wade überholen. Da ich Kompressionssocken trage, laufe ich quasi inkognito und bin damit gegen eventuelle Gegenangriffe meiner Altersklassenkollegen ein wenig gefeit. Mit einer Marathonzeit von 3:17 Std. und einer Gesamtzeit von 9,47h überquere ich überglücklich die Ziellinie vor der kleinen Zuschauertribüne.

Im Zielbereich gibt es lecker Pizza, Käsepfannkuchen, Eis, Obst, Kekse und Kuchen – richtig leckere Verpflegung. Ja und selbst das Finishershirt hat hier ausnahmsweise Mal Top-Qualität und eine tolle rote Farbe. Nicht wie bei vielen Sportveranstaltungen in Europa irgendein ein Shirt mit „Lulli-Farbe“, das die Hersteller nur schwer verkaufen können. Einziger Negativpunkt: Es gibt hier für die Finisher keine Duschen - sehnsüchtig denke ich da zurück an die heißen Duschen und die Badewannen beim IM Frankfurt.

Geschafft: Die Erfolgsmeldung kam von Zuhause
Erst 2h später telefoniere ich mit meiner Freundin in Deutschland und erfahre, dass ich mir als 7. meiner Altersklasse den Hawaii-Slot gesichert habe. Insgesamt 45 Age-Group-Slots werden beim IM Florianopolis vergeben (plus 5 für die Profis), ich habe einen davon – einfach nur irre!!!

Der nächste Ironman Brasilien findet am 30. Mai 2010 statt – eine tolle Veranstaltung, die ich wirklich nur jedem empfehlen kann…

Aloha do brasil,

Frank

(frank.aurich@impire.de )