Agegrouper-Story Ironman Lanzarote: Von taumelnden Adlern und dicken Engländern

von Michael Schwarz für tri2b.com | 14.05.2014 um 21:56
Das Unterbewusstsein arbeitet erstaunlich präzise: wie meist vor wichtigen Ereignissen wache ich kurz vor Klingeln des Weckers auf – in diesem Fall um 3:58 Uhr. Es ist Samstag, der 18. Mai 2013. In drei Stunden wird der Startschuss zum 22. Ironman Lanzarote erfolgen, einem klassischen Langdistanztriathlon mit 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und dem abschließenden Marathonlauf über 42,2 km. Was „IM Lanza“ besonders macht, sind die Bedingungen: Schwimmen im Atlantik, Radrunde mit 2.550 Höhenmetern und in der Regel strammem Nordostwind, Marathon in Hitze und Sonne. In Triathlonkreisen gilt er als einer der härtesten Ironmans weltweit. Von Paula Newby-Fraser, der erfolgreichsten Triathletin aller Zeiten, stammt die Aussage: „Your Ironman charisma is not complete without doing this race”. Als einer von 1,900 Triathleten werde ich heute versuchen, diese Herausforderung meiner Sammlung hinzuzufügen...

Der frühe Renntermin Mitte Mai erleichtert die sowieso schon recht umfangreiche Vorbereitung auch nicht gerade – zumindest wenn man sich als „normaler“ Mittel- oder Nordeuropäer nicht monatelang für’s Training in den Süden absetzen kann. Mein erster „offizieller“ Trainingstag war der 1. November 2012. An diesen Tag erinnere ich mich noch sehr genau, da meine geplante Radeinheit nach circa 600 Metern am Schäftlarner Kreisverkehr ein jähes Ende fand. Altes Streusalz des ersten Schneefalls einige Tage zuvor, Rauhreif von der kalten Nacht sowie möglicherweise etwas Öl hatten eine geradezu perfekt glatte Oberfläche geschaffen, auf der ich mit meinen Rennradreifen nicht den Hauch einer Chance hatte. Das Vorderrad rutschte nach rechts weg, ich schlug mit der linken Seite auf, zerdepperte mir die Brille und schlidderte auf Hüfte und Ellbogen an den Straßenrand. Der Schaden hielt sich einigermaßen im Rahmen: Schürfwunden, Prellung an der Hüfte, blutende Augenbraue, zerbrochener Helm, beschädigtes Rad. Nach kurzer Begutachtung und Wundversorgung zuhause beschloss ich, den „freien“ Tag (Feiertag und Familie unterwegs) doch noch für Training zu nutzen und eine 25 km-Laufrunde durch den Forstenrieder Park zu absolvieren.

Jetzt bleiben mir also noch drei Stunden bis zum Start. Genug Zeit, um erst einmal ausgiebig (aber leicht) zu frühstücken. Im Hotel „Fariones“ in Puerto del Carmen findet man um diese Uhrzeit selbstverständ-lich keine der typischen Inseltouristen an – weder pensionierte Deutsche (trotz längst vergangenem Boris-Becker-Boom gerne nach wie vor in weissen Tennissocken) noch dicke Engländer (je nach Dauer des bisherigen Inselaufenthalts entweder kalkbleich oder krebsrot). Lediglich ausgemergelte Triathleten sitzen meist alleine und in sich gekehrt an den Esstischen. Die enge Funktionskleidung bringt die Bräune ihrer rasierten Beine noch mehr zur Geltung. Es wird so gut wie kein Wort gesprochen. Die Anspannung ist mit Händen zu greifen. Man erkennt mehr Zweifel als Zuversicht.

Der frühe Renntermin Mitte Mai erleichtert die sowieso schon recht umfangreiche Vorbereitung auch nicht gerade – zumindest wenn man sich als „normaler“ Mittel- oder Nordeuropäer nicht monatelang für’s Training in den Süden absetzen kann. Mein erster „offizieller“ Trainingstag war der 1. November 2012. An diesen Tag erinnere ich mich noch sehr genau, da meine geplante Radeinheit nach circa 600 Metern am Schäftlarner Kreisverkehr ein jähes Ende fand. Altes Streusalz des ersten Schneefalls einige Tage zuvor, Rauhreif von der kalten Nacht sowie möglicherweise etwas Öl hatten eine geradezu perfekt glatte Oberfläche geschaffen, auf der ich mit meinen Rennradreifen nicht den Hauch einer Chance hatte. Das Vorderrad rutschte nach rechts weg, ich schlug mit der linken Seite auf, zerdepperte mir die Brille und schlidderte auf Hüfte und Ellbogen an den Straßenrand. Der Schaden hielt sich einigermaßen im Rahmen: Schürfwunden, Prellung an der Hüfte, blutende Augenbraue, zerbrochener Helm, beschädigtes Rad. Nach kurzer Begutachtung und Wundversorgung zuhause beschloss ich, den „freien“ Tag (Feiertag und Familie unterwegs) doch noch für Training zu nutzen und eine 25 km-Laufrunde durch den Forstenrieder Park zu absolvieren.

Jetzt bleiben mir also noch drei Stunden bis zum Start. Genug Zeit, um erst einmal ausgiebig (aber leicht) zu frühstücken. Im Hotel „Fariones“ in Puerto del Carmen findet man um diese Uhrzeit selbstverständ-lich keine der typischen Inseltouristen an – weder pensionierte Deutsche (trotz längst vergangenem Boris-Becker-Boom gerne nach wie vor in weissen Tennissocken) noch dicke Engländer (je nach Dauer des bisherigen Inselaufenthalts entweder kalkbleich oder krebsrot). Lediglich ausgemergelte Triathleten sitzen meist alleine und in sich gekehrt an den Esstischen. Die enge Funktionskleidung bringt die Bräune ihrer rasierten Beine noch mehr zur Geltung. Es wird so gut wie kein Wort gesprochen. Die Anspannung ist mit Händen zu greifen. Man erkennt mehr Zweifel als Zuversicht.

 

Man fühlt sich in solchen Situationen nicht ganz so als arme Wurst, wenn man von ähnlichen Erfahrungen anderer „verrückter“ Athleten erfährt. So lese ich zum Beispiel von Christian Müller, letztes Jahr schnellster Amateur auf Hawaii, dass dieser seine finalen Freiwassereinheiten frierend und bei völliger Dunkelheit zu Ende bringen musste, wobei er nur aufgrund einiger beleuchteter Gebäude eines nahen Kieswerks noch den Weg zurück ans Ufer fand.

Endlich: Der Renntag ist da!


Am Ende war ich jedenfalls froh, dass der Renntag 18. Mai näherkam. Die abschließende Saltin-Diät (3 Tage so gut wie keine, dann 3 Tage vor dem Rennen ganz viel Kohlenhydrate, um eine überdurchschnitt-liche Glykogen-Einlagerung zu erreichen) überstand ich auch noch. Anreise und ein paar letzte lockere Einheiten auf Lanzarote verliefen problemlos. Lediglich meine rechte Wade fühlte sich verhärtet an, so dass ich noch eine kurzfristige physiotherapeutische Behandlung bei „Meister Miguel“ (Miguel Labrador, 10-maliger IM Lanzarote-Finisher; er behandelt auch einige Profis) einschieben musste. Dann war ich bereit für das Race.

Zurück im Zimmer gilt es Schritt für die Schritt die weitere Vorbereitung auf das Rennen abzuarbeiten – in voller Konzentration und einem hundert Mal durchdachten Plan folgend: Sonnencreme, Scheuer-schutz, Sattelgel, Pulsgurt, Pulsuhr, Timing-Chip, Tacho, Trinkflasche, Salztabletten, Energie-Riegel/-Gels, Gummi-Bänder zum Fixieren der Radschuhe, Renntrikot, Wärmekleidung, Neo, Schwimmbrille, Badekappe. Rad- und Laufutensilien hatte ich bereits am Vortag „eingecheckt“.

Um 5:30 Uhr mache ich mich auf den Weg runter in den Startbereich. Die 1.900 Mitstreiter scheinen bereits alle da. Wie beim Frühstück ist die Stimmung gedämpft, die Stimmen sind leise, nur selten hört man ein kurzes Lachen, aus den Gesichtern spricht Verunsicherung statt Vorfreude. Letzte Vorbereitungen am Rad werden getroffen. Es beginnt zu regnen – auf Lanzarote. Das letzte Mal war das am Renntag vor 13 Jahren der Fall. Wir Athleten leiden darunter weit weniger – da inzwischen in unsere Neos gezwängt – als die trotz Dunkelheit bereits zahlreich anwesenden „Fans“.
Dass ich mit meinen absolvierten vier Langdistanz-Triathlons kein absoluter Anfänger mehr bin, wird mir im Umkleidezelt bewusst. Hier beobachte ich einen – eher der Kategorie „Jumbo“ zuzuordnenden – Athleten, wie er seinen Neoprenanzug über eine weisse Baumwoll-Unterhose in Grösse XXL zieht. Einen anderen Mitstreiter hat der Regen wohl kurzfristig zu dem Entschluss gebracht, mit Windweste Rad zu fahren – diese aber auch schon unter dem Neo beim Schwimmen zu tragen.

Überhaupt reicht es nicht, sich physisch und mental entsprechend auf das Rennen vorzubereiten – auch das Equipment und die „Logistik“ müssen stimmen. Während der Registrierung zwei Tage vor dem Rennen sieht man auf der „Expo“ z.B. immer wieder Athleten, die sich noch mit neuem, noch nie getestetem Material eindecken. Selbst erfahrenen Cracks wie meinem Freund Hauke, der bereits mehr als 10 Ironman-Rennen gefinisht hat, unterlaufen „technische“ Fehler: aufgrund ausgebuchter Radtransport-Kapazitäten der aus Deutschland einfliegenden Airlines leiht er sich vor Ort auf Lanzarote drei Tage vor dem Rennen ein Rad. In Teguise bei Kilometer 90 wird er entnervt vom Bike steigen und das Rennen aufgeben.