Challenge Bahrain oder: Was lange währt … wird – einfach – genial!

von Anja Kobs für tri2b.com | 11.12.2014 um 22:01
Wie alles begann: Die Nachricht von dieser Premiere auf der arabischen Halbinsel im Nahen Osten erreichte mich im Mai – auch auf einer Insel – kurz nachdem ich mich für die 70.3 WM in Kanada qualifizierte. Mein allererster Gedanke: DA musst DU hin!! Aber warum eigentlich? Zum einen eine Erstaustragung (aus Veranstalterbrille immer ein Schlager), dazu in einem islamischen Staat mit einem vielversprechender Kursverlauf (Wüste, Wildtierpark, Formel-1 Kurs). Zum anderen meine positive Bindung durch meine ehemals berufliche Tätigkeit in der Region.

Die Rechnung wurde aber ohne den Wirt gemacht. Die erste Reaktion meiner Trainerin: „Hm, ungern, passt nicht so rein“. Aus der Traum. Ein zweiter Versuch ist es immer wert, Neuauflage des Gespräches bei der 2015er Saisonplanung: das Rennen wurde als Trainingswettkampf systematisch in das 9-monatige Langdistanztraining (Oktober – Juni) bis zum Ironman Nizza eingebaut: Juchu, meine Reise nach Bahrain war besiegelt und eine Mitteldistanz im Dezember geht doch, alles eine Frage der Einstellung und Auffassung!

Stolpersteine


Meine Saison habe ich erfolgreich und konstant hinter mich gebracht, die „Off-season“ zur Erholung von Geist und Körper ging dann gründlich daneben. Jeder kennt das, es gibt Phasen im Leben, da kommt einfach alles zusammen. Die Details sind zum jetzigen Zeitpunkt wieder nebensächlich, dennoch habe ich bis Ende Oktober arge Mühe gehabt, daran zu glauben, dass ich am 6.12 eine Mitteldistanz absolviere. Geplatzter Traum – Reloaded? Nein, „Aufstehen, Krönchen richten und weiter geht’s“.

Rückblickend betrachtet bekräftigt sich immer wieder die These, dass eine (unfreiwillige) Unterbrechung einen Überkompensationseffekt durch Regeneration bewirken kann: Die kommenden Wochen liefen dann super, ich hatte wieder immens viel Spaß am Sport - und überhaupt - und freute mich zunehmend auf meinen Flug am 2.12. Dann, der nächste Schock, welcher mich über Radio auf der Rückreise von der „Sailfish-Night“ am 30.11 traf: Lufthansa-Streik. Aus der Traum – Teil III? Das darf doch nicht wahr sein? Aber ein Streik sollte mich nicht stoppen: Nach ein paar langen und „busy“ Stunden mit hin- und her buchen, stornieren und organisieren, ging es dann doch kurzfristig am 2.12 mit Ethihad von München über Abu Dhabi nach Bahrain. Äh, und dann? Angekommen am „Immigration Desk“ die nächste Prüfung: Das Visum hatte ich zwar schon elektronisch erledigt, allerdings hat dem Immigration Officer mein Pass mit all seinen Stempeln der unzähligen (beruflichen) Reisen und einem US-Visum nicht so ganz gefallen. So ging es zum „ausführlichen Einreise-Check“; nochmal ein paar bange Momente. Um 22.35Uhr Ortszeit, d.h. 12h nach Reiseantritt in meinem Heimatort, betrat ich überglücklich den Bahrainischen Boden. Die Mühe sollte es wert gewesen sein.

Eindrücke: Die Tage vor dem Wettkampf


Wie eingangs erwähnt, bin ich mit der Region um den Persischen Golf etwas vertraut. Dennoch fasziniert mich die unglaubliche Gastfreundschaft und der hohe Servicestandard immer wieder. An der Münchner Passkontrolle wurde ich schnell und unsanft wieder in die Realität zurückgeholt. Zum Glück hatte ich zuvor ein paar Tolle Tage:

Los ging es am Mittwoch mit der Streckenbesichtigung in Form eines „Pre-Race“ Fotoshoots mit dem tri2b.com-Fotographen Michael Rauschendorfer. Neben dem „Wassertest“ im Bahrain Bay war das „cruisen“ am Bahrain Internation Circuit (BIC - Formel 1 Kurs), das absolute Highlight; ich hatte richtig viel Spaß.

Kurzzeitig hatte ich ein wenig moralische Zweifel als ich, beim Versuch eine Batterie für meinen Leistungsmesser zu bekommen, durch die Straßen von Manama zog: Ist dieser Wettkampf wirklich in den Straßen von Bahrain „angekommen“? Bereits Tage vor dem Rennen gab es vom Veranstalter eine E-Mail-Info bezüglich Kleidervorschrift: Auch wenn beim Zweiteiler maximal 15cm nackte Haut zwischen Top und Hose gezeigt werden kann, ist meine Wahl aus Respekt auf den (vom Veranstalter) gewünschten Einteiler gefallen!

Donnerstag und Freitag war Ruhephase angesagt, mit den üblich verdächtigen Aktivitäten wie Registration, Race-Briefing, Wettkampf-Beutel herrichten, mentale Vorbereitung, Bike-Check-in und einer Pasta-Party, die man noch nicht gesehen hat. Die durchaus normale Verköstigung von „Nudelpampe auf Plastiktellern“ wurde durch eine umfangreiches arabisches Antipasti-Menü und 7 verschiedenen Nudelspeisen, gedeckten Tischen, Service und Porzellantellern zur absoluten Superlative. Zusammen mit den $500‘000 Preisgeld für die PRO-Athleten, dem Live-Auftritt der Dire Straits und der Bekanntgabe der Triple-Crown Series mit $1Mio Preisgeld ist es unschwer zu erkennen, wer (finanziell) hinter der Veranstaltung steht. Seine Hoheit, Sheikh Nasser, war ja selbst als schneller Altersklassenathlet am Start (und ist vermutlich „Auslöser“ der Veranstaltung). Mit Geld ist alles möglich, in diesem Falle sehe ich den royalen Kapitalismus zur regionalen und medialen Förderung unseres Sports noch positiv.

Endlich – Samstag 6.12.: Race-Day


Der Amateurfrauenstart war auf 8.15Uhr angesetzt. Während sich zu Hause die Massen über die gefüllten Nikolausstiefel hermachen, war es für mich eine nicht mehr wegzunehmende und einmalige Erfahrung vor den Augen der „Royal Family“ mit 105 weiteren Damen (davon 25 in meiner Altersklasse) 1,9 km durch den Bahrain Bay zu schwimmen. Mit 34.14 min. bin ich für meine Verhältnisse dann auch ganz ordentlich durchgekommen und lag zu diesem Zeitpunkt auf Platz 4 der AK. Die Aufholjagt sollte beginnen!

Die 90 km flache Radstrecke mit ein paar „Wellen“ (insg. rund 300HM) führte uns zuerst vom Bahrain Bay in den Norden auf die Halbinsel und Stadt Al-Muharraq, am Flughafen vorbei, zurück durch die jetzige Hauptstadt Manama und ab in den Süden, in die Wüste. Auf der sehr schnellen Streckenführung, überwiegend auf Autobahnen, machte uns lediglich der Wind teilweise zu schaffen, was aber wiederum die Temperaturen in Grenzen hielt. Nach 85 km das erste Mal Einfahrt in den BIC, noch eine Runde auf dem Kurs, auf welchem normalerweise Hamilton, Rosberg und Co. ihre – richtig – schnellen Runden drehen. Für mich dauerte die „Ausfahrt“ 2.38 Std., die 5. Schnellste Radzeit in der Altersklasse und somit immer noch auf Platz 4.

Angekommen beim „ Boxenstop“ alias Wechselzone 2: Ab in die Laufschuhe und los auf die letzte Etappe, 21,1 km zum und durch den Al Areen Wildlife Park. Als passionierter Tierliebhaber ein echtes Zuckerl! Als mir allerdings in ca. 50 m Entfernung ein 2 Meter hoher Strauß über den Weg lief, war ich kurzzeitig etwas perplex, dachte mir aber dann, ein Grund – noch – schneller zu laufen. Nachdem ich beim Radfahren sehr kontrolliert nach Watt gefahren bin, konnte ich meine Laufleistung jedoch ohne tierische Hilfe unter Beweis stellen und mir den AK-Sieg sichern: Gut 20 km später erneut zurück auf die F1 Strecke; nach 1:35 Std. eine paar letzte flotte Meter mit Zieleinlauf über die F1 Startgerade. Das verursachte eine extra Portion Gänsehaut und war unbestreitbar das tollste Gefühl. Ich war dabei!

Die letzte Etappe stellte dann noch die (meine erste) Doping-Kontrolle da, die etwas länger dauerte und einiges an Nerven kostete, aber ich hatte die Ehre, neben der aktuellen Hawaii-Siegerin Mirina Carfrae und der London 2012 Silbermedaillengewinnern Lisa Norden um die Papp-Becher zu fighten. Besondere Erwähnung gebührt dem (lokalen) Team der Challenge Bahrain. Wasserflaschen auf der Laufstrecke sind sensationell! Sorgfältige Radabnahme, Wechselbeutel per Funk bereitgestellt, allgemeine Kenntnis, aller, egal, was man frägt, sind nur ein paar Beispiele. Nur, sorry, aber normale Reisebusse als Shuttles für Athleten mit Fahrrädern, das ist wirklich verbesserungswürdig.

Fazit

1. Platz AK35-39, 22. Platz gesamt (w), Beste Deutsche (5. Amateurfrau) und mit 4:52 Std. auf einem schnellen (Rad-)Kurs neue Bestzeit über die Mitteldistanz, in einem Premierenrennen, das organisatorisch schwer zu überbieten ist, war der beste Nikolaustag, den ich je in meinem Leben erlebt habe. Naja, und mit dem Business-Class Fluggutschein als Prämie könnte ich das ja glatt nochmal erleben.