Chris McCormack: Ein Triathlon-Rennen ist gut, wenn es weh tut

Stefan Drexl für tri2b.com | 16.10.2010 um 16:59
Man weiß, dass mit ihm zu rechnen ist, wenn es bei ihm läuft. 2007 hat er es schon einmal gemacht. Kaum einer hatte ihn auf der Rechnung, in der Rolle der Favoriten waren andere und das war gut so. Denn es lief bei Chris McCormack. In einem spektakulären Marathonfinale, Seite an Seite mit Andreas Raelert, hatte der Australier am Ende die schnelleren Beine und gewann zum zweiten Mal den Ironman Hawaii.

Die Wechsel hatte er trainiert und weniger Wettkämpfe im vergangenen Jahr bestritten. Der 37-jährige Australier weiß, dass er einen Ironman, besonders auf Hawaii, nicht mehr nur während des Rennens gewinnen kann. Seit seinem vierten Platz 2009 ist ihm aber auch bewusst geworden, dass er es nicht alleine schaffen kann. Er hat aber nicht nur die Planung und die Taktik für den Saisonhöhepunkt verändert, auch auf einen eventuellen Zieleinlauf als Erster war Chris McCormack vorbereitet, wie er tri2b.com in einem Interview erklärte. 

tri2b.com: Chris, herzlichen Glückwunsch zu diesem beeindruckenden Rennen und deinem Gewinn des Ironman Hawaii 2010. Das ist dein zweiter Sieg hier in Kailua Kona. Zu welchem Zeitpunkt war dir klar, dass Du das heute packen kannst? 
Chris McCormack (C.M.) Naja, erstmal danke. Dass ich das hier in Hawaii reißen kann, habe ich schon ein paar Tage zuvor gespürt, denn ich habe mich sehr gut gefühlt und war bestens vorbereitet. Besser als im letzten Jahr, als ich müde und ausgelaugt war. Sicher war ich mir aber bis zum letzten Moment nicht. Das kann man sich hier nicht sein. Je länger das Rennen dauerte, um so mehr hat es mich aber in meinem Glauben daran bestärkt. Das gesamte Rennen lief nach Plan und ich konnte mich bzw. mein Körper konnte sich eigentlich nur noch selbst schlagen. Ich bin überwältigt, dass es geklappt hat.

tri2b.com: Du hast das bereits ein paar Tage zuvor gespürt, weil Du entspannter und erholter warst, woran lag das? 
C.M.: Ich bin mit 37 Jahren nicht mehr der Jüngste. Nach meinem zweiten Titel-Gewinn heute, dachte ich schon, nun sogar der älteste Hawaii-Sieger zu sein. Zum Glück hat mir Mark Allen erzählt, dass er bei seinem letzten Sieg 1995 ein Monat älter war, als ich. Also muss ich meine ganze Erfahrung der vergangenen Jahre nutzen und meinem Körper auch mehr Zeit geben, sich wieder zu erholen. Also habe ich im vergangenen Jahr deutlich weniger Wettkämpfe gemacht und mich auch mehr mit der Ernährungwährend des Wettkampfes auseinandergesetzt. Mir war klar, dass ich hier nur eine Chance habe, wenn ich ausgeruht und frisch an den Start gehe und ich das Problem der Dehydrierung und der plötzlichen Krämpfe im Marathon in den Griff bekomme. 

tri2b.com: Ohne Renneinteilung und einer Strategie ist bei den Bedingungen auf Hawaii nur schwer etwas zu reißen. Du hast erwähnt, dass das gesamte Rennen für dich nach Plan lief. Wie sah der aus? 
C.M.: Die Voraussetzung war natürlich gleich nach dem Schwimmen in der ersten großen Gruppe dabei zu sein und vor allem meine Stärke auf dem Rad voll auszuspielen. Gleichzeitig durfte ich dabei natürlich nicht zu viel Kraft lassen, um danach im Marathon nicht einzugehen. Es ist ja immer einfacher in einer Gruppe ein hohes Tempo zu fahren, als alleine voraus zu fahren. Ich rede nicht von Windschattenfahren. Ich wusste, nur wenn ich mit einem großen Abstand auf Craig Alexander zum zweiten Wechsel komme, habe ich auch eine Chance und einen Gegner weniger. Also habe ich besonders die starken deutschen Radfahrer während des Rennens angetrieben ordentlich Druck zu machen, auch in dem Wissen, dass Andreas dann natürlich auch mit dabei ist. Das haben die schnell begriffen und die Jungs, wie Faris und Normann können ja Radfahren, auch Andreas, dass hat er mir ja ein Frankfurt demonstriert. Gegen Ende der Radstrecke ist es mir dann aber wieder zu langsam geworden, vor allem, weil ich auch hoffte, dass das hohe Tempo einigen viel Energie rauben würde. Also habe ich noch einmal attackiert. 

tri2b.com: Der Abstand auf Alexander schien dann ja groß genug zu sein, aber auch auf Andreas Raelert hast du noch einmal mehr als eine Minute gut gemacht. Besonders aufgefallen sind mir dann aber dein schneller zweiter Wechsel und das hohe Tempo bereits zu Beginn des Marathons. 
C.M.: Ich habe in den letzten Wettkämpfen oft sehr schlechte Wechselzeiten gehabt, daran wollte und musste ich etwas ändern. Immerhin habe ich so fast noch einmal 15 bis 20 Sekunden gut gemacht. Gleich zu Beginn einen schnellen Rhythmus zu finden war mir wichtig, denn ein starker Läufer wie Alexander ist erst endgültig im Ziel geschlagen. Da kannst Du keinen Moment ausruhen. Und immerhin, er ist das Ding mit einer 2:36 Zielzeit angelaufen und hatte heute immerhin auch den schnellsten Laufsplit. Ich hab das also schnell ausgerechnet, wie schnell ich laufen muss, damit es sich am Ende auch ausgeht. Andreas Raelert war ja schließlich auch noch da und Chris Lieto musste erstmal noch eingeholte werden. 

tri2b.com: Richtig. Chris Lieto war dann schnell gestellt, er hat zu viel Energie auf dem Rad gelassen und Andreas Raelert kam Meter für Meter näher. Bis Kilometer 16 hat er dir nur wenig von deinem Vorsprung nehmen können, doch dann hat er aufgedreht und ist jeden Kilometer 10 Sekunden schneller gelaufen als Du. Wenige Kilometer vor dem Ziel konnte er dann ja aufschließen. Hattest du zu diesem Zeitpunkt das Gefühl einer Schwäche oder Zweifel, immerhin hat Raelert bereits in Frankfurt gezeigt, dass er es kann? 
C.M.: Auch wenn es etwas seltsam klingt, aber ich mag den Kampf das draußen in den Lavafeldern und ich liebe die Schmerzen. Ich habe das schon mit bekommen und wollte mich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Es war wichtig, dass ich mich gerade im Energy Lab konzentriere und auf genügend Flüssigkeit und Nahrung achte, um ja keine Krämpfe zu bekommen. Es hätte mir auch nichts gebracht mir über den dahin schmelzenden Vorsprung Gedanken zu machen. Dennoch ist es sehr hilfreich die einzelnen Splitzeiten zu bekommen und auch zu sehen, wann dir deine Verfolger entgegenkommen. Eine tolle Sache war, dass mir Michael Raelert, der an der Ecke Queen K Highways stand, ebenso die Zeiten mitgeteilt hat. Das hätte er nicht machen müssen. Auf dem Weg zurück, so in etwa bei „Mark and Dave Hill“ war ich dann wieder voll da und hatte auch dies Atmungsprobleme wieder im Griff. Ich war also bereit für den Showdown. 

tri2b.com: Ein großartige Szene bereits vor dem Showdown war der „Hand-Shake“ als ihr gemeinsam nebeneinander die letzten Kilometer auf dem Highway gelaufen seid. Du hast Andreas ja auch einen Schwamm gegeben, worauf hin ein paar Worte gefallen sind. Was war da? 
C.M.: Nun ich war froh, dass er endlich neben mir war und ich wusste was Sache ist. Ich hatte schon den Eindruck, dass er bei seiner Aufholjagd ziemlich Kraft gelassen hat. Ich mir aber eigentlich sich, dass er nach einer kurzen Rast auch weiter zieht und er es mir nicht leicht machen würde. Ich habe zu ihm gesagt, “egal wie das hier und heute ausgeht, du bist auf alle Fälle eine Champion. Viel Erfolg.“ Also haben wir uns die Hand gegeben und von da an nichts mehr gesprochen. 

tri2b.com: Es ging dann ziemlich schnell die Palani Road hinunter, die zehn Prozent Gefälle tun noch einmal richtig weh, dennoch hast du hier bereits versucht weg zu kommen. Die Entscheidung ist dann allerdings erst danach und ziemlich unspektakulär gefallen, als Andreas an der letzte Verpflegungsstelle noch einmal nach Wasser verlangt hat. Wie hast du diesen Moment war genommen und vor allem die letzte Meile bis ins Ziel? 
C.M.: Ich war so überrascht, dass ich gar nicht mehr bewusst reagiert habe. Ich dacht nur, was für eine Chance, das gibt es doch nicht. Andreas ist plötzlich zur Seite gelaufen und hat gerufen, „Cola, Cola, Wasser, Wasser“. Wir waren wirklich am Limit und es war heiß, aber zu so einem Zeitpunkt des Rennens, da kannst Du nicht einfach Pause machen und etwas Trinken. Ich habe also alles auf eine Karte gesetzt und noch einmal richtig Gas gegeben. 100, 200 Meter, damit hatte er wohl nicht gerechnet, denn ich habe noch gesehen, dass er sogar kurz stehen geblieben ist. Ich wusste plötzlich das war’s und hatte im selben Moment gespürt, wie die Muskeln zu verhärten begannen und mir das Tempo auch bei der Atmung Probleme bereitete. Es war ja nicht mehr weit und ich drehte mich noch einmal um, um auch sicher sein zu können, die letzten Meter zu genießen. 

tri2b.com: Du hast dann noch die Schwämme unter deinem Trikot heraus geholt und weggeschmissen, aber auch den Reißverschluss geschlossen und alles zu recht gemacht, bevor du durch das Ziel gelaufen bist. So kennt man das eigentlich von Radrennen. Warum das denn? 
C.M.: Bei meinem ersten Sieg 2007 hatte ich diese ganzen nassen Schwämme unter dem Trikot und ich sah wirklich fertig aus. Die Bilder vom Zeileinlauf damals hat irgendwann meine Tochter gesehen und meinte, dass das sehr merkwürdig aussieht und sie gerne schönere Photos von meinem nächsten Sieg möchte. Also dachte ich mir, mit 37 Jahren ist es an der Zeit auch mal bessere Bilder von einem erfolgreichen Arbeitstag mit nach Hause zu bringen. Wer weiß, wie oft ich dazu noch die Möglichkeit bekomme. 

tri2b.com: Die Zeit im Ziel war dann ja auch mit 8:10:37 Std. die bisher fünft schnellste Siegerzeit auf Hawaii (und die siebt schnellste insgesamt). Noch einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem zweiten Weltmeistertitel und vielen Dank für das kurzfristige Interview.