Interview mit Daniel Unger: "Man schaut sich doch oft in die Karten"

Jens Richter für tri2b.com | 05.01.2003 um 21:14
An so viel Professionalität muss doch auch ein Bundestrainer seine helle Freude haben: Bevor tri2b.com ein gehaltvolles Interview bekommt, freut sich Daniel Unger auf Vaters gutes Abendessen. Das ist angewandte Trainingsphysiologie. Nach dem Training ist vor dem Training und für die optimale Regeneration zählt im Spitzenbereich jede viertel Stunde. – In zwölf Jahren Triathlon hat der 24-jährige Unger jede Menge Routine, Reife und Respekt entwickelt. Das sind wichtige Zutaten für einen Spitzensportler und vielleicht passte deshalb in der vergangenen Saison alles so gut zusammen. Drei Top10-Plätze in den ITU-Weltcup-Rennen, der Deutsche Titel und dann EM-Rang fünf über die Olympische Distanz waren für den früheren Jugendfußballer Unger („bei meinem ersten Triathlon bin ich Brust geschwommen“) der Durchbruch. Weit ist es nicht mehr, ganz nach oben. Wegen eines Infektes hat sich der zielstrebige Schwabe den letzten Schritt nun für die Weltmeisterschaften 2003 aufheben müssen. Vielleicht war das gut so.

tri2b.com: Welches Gefühl bestimmt Deinen Blick auf die vergangene Saison – Euphorie, Wehmut oder kühle Analyse? 
Daniel Unger (D.U.): Motivation für das nächste Jahr! Von den anderen Gefühlen aber auch etwas: Ich bin sehr begeistert, wie sehr ich mich in dieser Saison steigern konnte. Dass ich zur WM wegen des Virusinfekts nicht mitfahren konnte, war der Wehrmutstropfen. Vielleicht wäre da noch richtig was gegangen. Bei Maiky (Maik Petzold) habe ich ja gesehen, was wir können. Schaut Euch unsere ganzen Nationalmannschaftsergebnisse an. Bei fast allen gab’s Steigerungen. 

tri2b.com: Das klingt nach sehr harmonischer Team-Stimmung. Ab wann lässt Du Dich wieder in Saarbrücken kasernieren? 
D.U.: (lacht) So kann man das nicht nennen. Meine drei Jahre Sportförderkompanie hatte ich Ende 2000 hinter mir und bin demnächst als Nationalmannschaftsmitglied dort. Ich kann jederzeit abhauen. Und bevor dort mal die Luft brennt, werde ich das auch tun. Bei meinem Freiheitsdrang brauche ich sowieso immer wieder Auszeiten ... 

tri2b.com: … mit Ralf Eblis Segen? 
D.U.: Mit ihm habe ich ein Super-Verhältnis, das soll dadurch wohl nicht leiden. 

tri2b.com: Es klingt nach einer neuen Gangart der DTU-Verantwortlichen. 
D.U.: Ja, da hat sich auch in meiner Zeit einiges geändert. Das Konzept hat bisher auch super funktioniert. Ich finde, die Platzierungen – nicht nur bei mir – die sprechen für sich! 

tri2b.com: Spätestens vor den Olympischen Spielen, für die es bisher drei Startplätze gibt, muss aber doch Deine Begeisterung über die starken Leistungen der Kollegen sinken. Kannst Du die denn überhaupt noch als Konkurrenten im Rennen mit irgendwelchen taktischen Zügen überraschen? 
D.U.: Es stimmt: Man schaut sich schon ständig in die Karten. Wir sind ja in der Vorbereitung und fahren erst mal zusammen nach Lanzarote (25. Januar bis 8. Februar) und nach Potchestroom in Südafrika (1. bis 24. März). Wenn es dichter an die Saison geht, werde ich wohl auch öfter mal nach Mengen fahren und für mich arbeiten. Das haben wir schon angesprochen. – Kann sein, dass es zwischen den sieben, acht Leuten, die für Athen in Frage kommen, in der Quali plötzlich das große Hauen und Stechen gibt ... 

tri2b.com: Hat das Folgen für die Mannschaftstaktik in WM und Weltcup? Vielleicht funktioniert dann die Trainerorder nicht mehr so perfekt, wie in diesem Jahr. 
D.U.: Wer als Disziplinspezialist dabei ist und wer taktische Aufgaben bekommt, müssen die Trainer auf jeden Fall entscheiden. Und in diesem Jahr habe ich erlebt, wie Roland Knoll – als kompletter Triathlet mit zwei Deutschen Titeln – bei der EM nur für das Team gearbeitet hat. Er ist ein gestandener Athlet und hat in der zweiten Gruppe für uns, für die Jungen vorn, gebremst. Das hat mir viel Respekt eingeflößt. 

tri2b.com: Für die Deutschen Meisterschaften kannst Du auch wieder auf ein starkes Team zählen. Womit hat Witten Deine große Treue verdient? 
D.U.: Mit denen fühle ich mich richtig verbunden. Als Vucko (Stefan Vuckovic) mich zur EM 1997 angesprochen hat, ich könnte doch dazustoßen, da waren außerdem Dittrich und Hellriegel und andere dabei – große Namen für den kleinen Unger! Mit Richard (Gutt) und Vucko verstehe ich mich bestens und als neuer Teambetreuer ist Ingo Frantzki noch dazugekommen. – Außerdem passt es auch finanziell gut. 

tri2b.com: Reicht es bei Dir insgesamt für einen Profistatus? 
D.U.: Inzwischen auf jeden Fall. Vielleicht kann man davon nicht reich werden, aber ich komme bestens klar und habe längst nicht mehr das Gefühl, irgendwo draufzahlen zu müssen. 

tri2b.com: Welche Ziele stehen denn nun für die kommende Saison ganz oben? 
D.U.: Die WM am 7. Dezember in Queenstown (Neuseeland) ist mein Hauptziel, da bin ich schon richtig drauf fixiert! Ich will den Deutschen Meistertitel verteidigen (am 7. Juni) und zwei Wochen später möglichst mit konstanter Form bei der EM vorn landen – mit einer Steigerung der Vorjahresplatzierung (da wurde Unger Fünfter). Den Anfang macht wahrscheinlich für uns alle der Weltcup in St.Anthonys in Florida am 26. April. 

tri2b.com: Eine gute Minute fehlt Dir und Maik noch für ganz weit vorn. Wo soll die bei Dir herkommen? 
D.U.: Die Lehre ist im Sack und ich gebe mir vor dem Studium (Unger ist Gas- und Wasser-Installateur und plant einen Studiengang der Versorgungstechnik) mindestens anderthalb Jahre Profikarriere. Mein halbes Leben lang mache ich jetzt Triathlon, da soll wohl die Zeit auch für mich spielen. Auf dem Rad will ich besser werden, vor allem besser `runtersteigen. Im Laufen geht auch noch was. Ich werde das im Mai mal testen, nachdem ich im letzten Jahr eine 8:27 über 3.000 Meter gebracht habe. Jetzt will ich mal eine Hausnummer über die 5.000 Meter holen. 

tri2b.com: Das sind eine Menge hochanständiger Ziele … 
D.U.: Ich habe ja auch eine ganz gehörige Motivation – nach dem Ausfall der letzten WM in Cancun.