Interview mit Olaf Sabatschus: "Zwanzig Minuten super happy"

Jens Richter für tri2b.com | 09.06.2004 um 20:51
Riesentalent – seit seinem 10. Platz beim IRONMAN Hawaii 1993 haftete Olaf Sabatschus dieses Prädikat an, es war nach 15 Jahren im Triathlon sicher nicht mehr sein Lieblingswort. Mehrmals dicht dran, wollte es einfach nicht klappen mit dem Titel bei einem IRONMAN. Bis vor zehn Tagen, als Olaf Sabatschus in Brasilien mit einem beeindruckenden Wettkampf in die erste Garde der IRONMAN-Sieger stürmte, allen Widrigkeiten zum Trotz. Im Interview spricht der 33-Jährige vom Rennen, der Bedeutung des Titels und seinen nächsten Plänen.

tri2b.com: Olaf, herzlichen Glückwunsch zu deinem lang erwarteten, ersten IRONMAN-Sieg. Es war ein Titelgewinn mit Ansage. Schon vor Wochen hast du prophezeit, dass es rennentscheidend sein könnte, mit der Spitze und dem Titelverteidiger Oscar Galindez aus dem Wasser zu kommen, und dass du dir zutraust, das zu schaffen. Warum ist das Schwimmen in Brasilien so wichtig? 
Olaf Sabatschus (O.S.): Die Lektion habe ich im vergangenen Jahr gelernt: Um Galindez und Eduardo Sturla haben sich damals auf der Radstrecke die Pressemotorräder geschart und dann sind die beiden allen auf und davon gefahren. Es wäre in diesem Jahr vermutlich genauso gekommen. Oskar Galindez ist Argentinier, aber er ist auch in Brasilien unglaublich populär. Da können die Sympathieverteilungen der brasilianischen Journalisten einen Rennverlauf ganz schön verzerren. 

tri2b.com: Diesmal warst du also nach dem Schwimmen vorn, überraschend weit vorn sogar und hast auf dem Rad gleich die Führung übernommen. Es muss eine sehr ungewohnte Rennsituation für dich gewesen sein. 
O.S.: Das stimmt, ein IRONMAN-Rennen anzuführen, dazu noch gleich nach dem Schwimmen, so etwas erlebe ich nicht alle Tage. Ich habe es genossen, und mich nur die ganze Zeit gefragt, wo die Motorräder bleiben. Es kam kein einziges. Am Wendepunkt habe ich gesehen warum: Die haben sich alle um die vierköpfige Verfolgergruppe mit Oskar Galindez gesammelt. Bei den Frauen war es genauso: Edith Niederfriniger war allein vorn, Fernanda Keller hatte drei Motorräder um sich. 

tri2b.com: Alexander Taubert war nach dem Rennen so verärgert, dass er uns angekündigt hat, nie wieder dort zu starten, solange die Organisatoren nicht für ein reguläres Rennen sorgen können. 
O.S.: Ja, so ist es sicher nicht in Ordnung, und sicher hätte Alex es auf das Podium schaffen können. Aber auch bei anderen großen Langstreckenrennen – zum Beispiel inRoth – hat es Jahre gedauert, bis die Veranstalter erkannt haben, wie sehr Presse- und Begleitfahrzeuge das Rennen an der Spitze verzerren können. Die Organisatoren in Florianopolis haben aber versprochen, daran zu arbeiten. 

tri2b.com: Dich konnte das alles diesmal nicht beeindrucken. Du hast dich schnell um Minuten abgesetzt, während die Karawane deiner vier Verfolger nicht so recht ins Rollen kam. Bei der Hälfte der Distanz lagen die nächsten Konkurrenten drei Minuten zurück, aber 35 Kilometer später ist Galindez plötzlich vorbeigezogen. Was war da passiert? 
O.S.: Das war wirklich seltsam! Ich hatte ja keinen Schwächeanfall, sondern bin in meinem Rhythmus durchgefahren. Aber plötzlich war der da, ist mit seinen sechs Motorrädern vorbeigesegelt und hat angefangen, Zwischenspurts einzulegen. Ich musste Gas geben wie bei einem Sprinttriathlon, um Kontakt zu halten. Dann, nach fünf Kilometern, sah es so aus, als bekäme Galindez Krämpfe in den Oberschenkeln und Waden, immer wieder griff er sich dort hin. – Von da an war alles easy, wir haben uns bis zum Wechsel nicht mehr wehgetan. 

tri2b.com: Trotzdem hattet ihr zum Beginn des Marathon einen komfortablen Vorsprung, rund 18 Minuten vor dem drittplazierten Alexander Taubert, der allein durchs Niemandsland pedaliert war und dann noch eine Zeitstrafe absitzen musste. Nach dem Wechsel lagst du einige Sekunden vorn, Galindez hat dich aber kurz darauf wieder eingeholt. Hast du ihn dann getestet? 
O.S.: Ich war selbst verwundert, dass ich nach dem Wechsel 20 Sekunden Vorsprung hatte. Als Galindez wieder aufgeschlossen hat, habe ich das Tempo allmählich immer mehr forciert. Er fiel dann ziemlich schnell zurück und sah nicht mehr gut aus. Um ihn musste ich mir im Marathon keine Sorgen mehr machen. 

tri2b.com: Der schnellste Läufer im Feld, der Schwede Clas Björling lag als neuer Dritter so weit zurück, dass er dir eigentlich auch nicht mehr gefährlich werden konnte. Ab wann hast du dir gesagt: ‚Diesen IRONMAN-Sieg kann mir keiner mehr nehmen’? 
O.S.: Im Rennen beschäftigen mich solche Gedanken kaum mehr. Das habe ich im Laufe der vielen Jahre und der Ehrenplätze gelernt, nicht schon unterwegs meine Energie mit Grübeleien über meine Siegchancen zu verschwenden. Ich mache meine Rennen auch ohne Pulsmesser und ohne Uhr. Das zahlt sich aus. Seitdem bin ich im Kopf viel freier. Das Wichtigste ist für mich, dass ich im Rennen 100 Prozent meiner eigenen Leistung abrufen kann, all das, was ich mir im Training erarbeitet habe. Dann macht es mir einen Riesenspaß! 

tri2b.com: ... der diesmal vermutlich ins Unermessliche stieg, als du nach so vielen Jahren in der Weltspitze endlich einmal als Sieger durch den Zielkanal eines IRONMAN laufen durftest. 
O.S.: Ja, ich war im Ziel erst mal für 20 Minuten super happy: Endlich der Durchbruch, endlich Kategorie eins, nicht mehr zwei. Das steht erst mal. Aber mir war auch gleich klar, dass das nicht ein ganz großer Sieg ist, Brasilien ist nicht Hawaii, es sind eben nicht alle da. Man wird auch an den anderen Rennen noch gemessen. Was der Sieg wert ist, kann ich in Klagenfurt beweisen. 

tri2b.com: Dort hast du im vergangenen Jahr eine sensationelle Radzeit (Anmerkung der Red.: 4:17 Stunden, die drittschnellste, jemals in einem IRONMAN gefahrene Zeit)hingelegt und lagst beim Wechsel zum Marathon fast zehn Minuten vor Luc van Lierdes Weltrekord-Kurs (7:50:27 Stunden in Roth 1997). Wegen einer Entzündung der Achillessehne musstest du damals aussteigen. Wenn wir mal ein bisschen träumen dürfen, du bist einer der besten Marathonläufer der Szene ... 
O.S.: Ich bleibe lieber bei der Realität und die heißt: ‚Ich habe die acht Stunden drauf’. – Der Weltrekord ist noch mal eine ganz andere Nummer. 

tri2b.com: Die Konkurrenz in Klagenfurt ist stark. Francois Chabaud und Spencer Smith sind exzellente Radfahrer, die einen guten Marathon laufen können. Beide gehen ausgeruht an den Start, bist Du im Nachteil? 
O.S.: Die Öffentlichkeit wird das so sehen, hoffentlich auch meine Konkurrenten, dann könnte ich sie nämlich überraschen. 

tri2b.com: Fünf Wochen sind aber nicht viel Zeit, um sich von einem IRONMAN zu erholen ... 
O.S.: Ich musste mich in Brasilien am Ende ja nicht mehr voll verausgaben. Und ich war so gut in Form wie vielleicht noch nie: In Texas, wo ich mich in den letzten Wochen auf Brasilien vorbereitet habe, habe ich mich an manchen Tagen richtig abgeschossen. Und am nächsten Morgen war alles weg, total locker. Supergeil! 

tri2b.com: Den von dir online gecoachten Athleten (Anmerkung der Red.: Olaf Sabatschus trainiert unter anderem die Mitglieder seines Mondi-Team für das IRONMAN-Rennen in Klagenfurt) predigst du immer wieder den Mut zur Regeneration – vor den Rennen und auch danach. 
O.S.: Ich glaube, dass sich die meisten Triathleten zu dicht vor und zu schnell nach einem harten Rennen belasten. 120 Kilometer im 23er Schnitt sind nicht regenerativ, sondern machen müde. Im letzten Frühjahr habe ich zwischen den beiden IRONMAN-Rennen ganz wenig trainiert, in der ersten Woche etwas über eine, in der zweiten vielleicht vier Stunden. Stattdessen habe ich ein paar harte Rennen gemacht, und das lief phantastisch. Ich werde es wieder so tun. 

tri2b.com: Wie sieht der Plan genau aus? 
O.S.: Ich gehe am nächsten Wochenende in Gladbeck für meine Ligamannschaft Bayer 05 Uerdingen an den Start, und ich werde versuchen, meinen Titel in Bonn zu verteidigen. Am Wochenende vor dem IRONMAN Austria werde ich in Schliersee dabei sein ... 

tri2b.com: ... man sagt, das sei der härteste Kurztriathlon Europas! 
O.S.: Ich glaube, es ist der ideale Vorbereitungswettkampf für meinen zweiten IRONMAN-Titel. Ich habe ja dann noch eine Woche Zeit für die Hardcore-Regeneration.