Kristian Blummenfelt: Beim Pho3nix Sub7-Projekt sind im Marathon vielleicht 2:20 oder 2:25 möglich

Harald Eggebrecht für tri2b.com | 22.03.2022 um 10:40
Olympia-Gold in Tokio, WM-Gold in der Gesamtwertung der World Triathlon Championship Series und ein Sieg beim ersten Ironman in Rekordzeit! Das sind nur die herausragendsten Ergebnisse von Kristian Blummenfelt in der Saison 2021. 2022 will der 28-jährige Norweger daran nahtlos anschließen. Seine großen Saisonziele sind die beiden Ironman Weltmeisterschaften und dass Pho3nix Sub7-Projekt, bei dem die Bestmarke für eine Triathlon-Langdistanz mit 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km mit der Unterstützung von Pacemakern unter die 7-Stundenmarke gedrückt werden soll. Der Rekordversuch wird je nach Wetterlage am 5. oder 6. Juni 2022 auf dem Lausitzring in Brandenburg stattfinden. Kristian Blummenfelt war letzte Woche zur Streckenbesichtigung in der Lausitz und stand tri2b.com im Anschluss für ein Chat-Interview zur Verfügung.

tri2b.com: Du hast heute zusammen mit Alistair Brownlee den Rennkurs des Pho3nix Sub7-Projekts auf dem Lausitzring und am Senftenberger See begutachtet und auch einige Trainingseindrücke gesammelt. Wie ist deine erste Einschätzung?
Kristian Blummenfelt (K.B.): Den Schwimmkurs am Senftenberger See haben wir nur von außen betrachtet. Von dem was ich gesehen habe kann ich sagen, dass die Örtlichkeit ein super Ort für den Schwimmauftakt ist. Die Anfahrt zum Lausitzring ist sicher nicht der entscheidende Abschnitt, denn es sind nur 20 der 180 Radkilometer. Entscheidender ist, was dann auf dem Lausitzring passiert. Die Rennstrecke rollt vom Gefühl richtig gut, wobei wir heute keine Rollwiderstandtests gemacht haben. Etwas irritiert hat mich das große Windrad direkt hinter der Tribüne. Man vermutet sofort, dass es hier viel Wind geben muss, wenn hier ein Windrad steht.
Heute bei Ostwind war es so, dass es einen Abschnitt mit ordentlich Rückenwind und einen Abschnitt mit richtig viel Gegenwind gab. Das gilt es jetzt zu analysieren, ob es vielleicht nicht besser ist den Kurs in die andere Richtung zu fahren. Es ist die große Herausforderung für meine Pacer so zu fahren, dass mein Tempo möglichst gleichmäßig ist. Gerade im Gegenwind müssen die Schrittmacher dann sehr hohe Wattwerte fahren können. Heute bin ich vielleicht einen 40er Schnitt gefahren und je nach Windrichtung waren das über 100 Watt Unterschied in der Leistung. Jetzt hoffen wir mal auf gute Bedingungen am angesetzten Rekordwochenende Anfang Juni. Der Laufkurs sieht ebenfalls gut aus, da die Streckenführung sehr einfach gehalten ist. Eine Runde sind 3,5 Kilometer, also insgesamt 12 Runden. Das ist eine Anzahl an Runden, die man im Rennen gut visualisieren kann.

tri2b.com: Kannst du Einblicke geben, wie die Tests auf dem Lausitzring im Detail ausgesehen haben?
K.B: Wir haben auf dem Kurs einige Testfahrten gemacht und dabei geschaut, wieviel Leistung für eine bestimmte Geschwindigkeit nötig ist. Jeweils für die Gegen- und Rückwindabschnitte. Außerdem ist zu beachten, dass in den Kurven der Wind von der Seite kommt. Das wird die Grundlage für die Schrittmacher und ihr Training in den kommenden zehn Wochen. Wir haben das Ganze auch gefilmt, damit sich meine Pacer auch einen Eindruck von der Strecke machen können, insbesondere auch vom Zubringerstück vom See auf die Rennstrecke.

Der Wind könnte mit entscheidend sein, ob beim Pho3nix Sub7-Projekt die 7-Stundenmarke fällt - © MANA Sport & Entertainment

tri2b.com: Kannst du auch schon was über die Taktik und das Pacing sagen?
K.B.: Wir werden zehn Schrittmacher fürs Schwimmen, Radfahren und Laufen haben. Normalerweise ist Alistair im Schwimmen schneller. Ich könnte also versuchen mit mehr Pacern beim Schwimmen an ihm dranzubleiben und dafür aber Schrittmacher fürs Radfahren zu opfern. Oder ich habe vielleicht eine Minute Rückstand nach dem Schwimmen, habe dafür aber dann mehr starke Radfahrer als Pacemaker. Es ist eine knifflige Sache, wie die Pacemaker am besten eingesetzt werden und es ist absolut nicht mit einer normalen Langdistanz vergleichbar. Grundsätzlich ist es so, dass der Vorteil durch die Pacer beim Radfahren am größten ist. Durch den Windschatten kann ich viel Energie einsparen und komme wohl deutlich ausgeruhter zum Laufen. Die Marathonzeit sollte deshalb bedeutend schneller werden. Vielleicht ist ein Marathon zwischen 2:20 bis 2:25 Stunden möglich.

Selbstbewusste Ansage: Kristian Blummenfelt hält einen 2:20 - 2:25er Marathon für möglich - © MANA Sport & Entertainment

tri2b.com: Mitentscheidend ist also das Teamwork mit den Schrittmachern?
K.B.: So ist es. Ich muss dazusagen, dass ich gerade in Bordeaux ein Treffen und das erste kleine Trainingscamp mit meinen Bike-Pacern hatte. Als Team Rad an Rad zufahren und dabei den maximalen Speed herauszuholen ist nicht so einfach und muss vorher trainiert werden. Es entwickelt sich dabei eine ganz eigene Dynamik. Es ist außerdem fast ein bisschen wie ein Fußball-Match: Blummenfelt gegen Brownlee. Jeder hat zehn Helfer an seiner Seite, mit uns zusammen sind es also elf gegen elf.

tri2b.com: Kommt für den Rekordversuch spezielle Ausrüstung zum Einsatz?
K.B.: Die Regeln sehen vor, dass wir grundsätzlich mit einer Ausrüstung antreten, die auch bei einem offiziellen Ironman-Rennen erlaubt wäre. Aber natürlich arbeite ich eng mit allen meinen Ausrüstungspartnern zusammen, um die Grenze zu unserem Gunsten zu verschieben. Sei es das Rad, bei den Reifen, den Laufrädern, der Bekleidung und natürlich auch bei der Rennverpflegung.

tri2b.com: Wie kam es eigentlich dazu, dass der Lausitzring als Ausrichtungsort des Pho3nix Sub7-Projekts ausgewählt wurde?
K.B.: Die finale Wahl an sich haben die Organisatoren des Pho3nix Sub7-Projekts getroffen. Wir waren als Athleten in die Meetings miteinbezogen. Es wurden dann verschiedene Möglichkeiten diskutiert. So war anfangs auch eine Strecke in Kanada im Gespräch. Dort gab es aber zu viele ganz scharfe Richtungsänderungen. Wir hätten immer wieder extrem abbremsen und beschleunigen müssen. Das wollten wir unbedingt vermeiden. Außerdem ist es auch nicht so einfach eine gute Schwimmmöglichkeit direkt in der Nähe einer schnellen Autorennstrecke zu finden, auf welcher der Zugang auch im Vorfeld zu Trainingszwecken gut möglich ist.

tri2b.com: Gibt es schon einen Plan, wie ihr euch direkt im Vorfeld des Rekordversuchs vorbereitet?
K.B.:  Ich werde ja zunächst am 7. Mai die Ironman WM in St. George bestreiten. Von da an sind es genau vier Wochen bis zum Rekordversuch. Der Plan ist, dass ich nach St. George nicht mehr zurück ins Höhentraining gehe, sondern mich in Großbritannien mit meinen Pacemakern gezielt vorbereite. Ich denke es ist wichtiger, dass das Team gut funktioniert. Schließlich sind bei der Ironman WM auf dem Rad 12 Meter Abstand zum Vordermann gefordert, beim Rekordversuch sollen es dann bestenfalls vielleicht nur 12 Zentimeter Abstand sein. Nach Deutschland werden wir dann wohl sieben Tage davor anreisen und die finale Vorbereitung direkt auf dem Lausitzring und am Senftenberger See durchführen.

tri2b.com: Du hast angekündigt, dass du nach der Ironman WM in St. George und dem Pho3nix Sub7-Projekt auch beim Ironman Hawaii in Kona Anfang Oktober antreten wirst. Außerdem gibt’s danach noch die Ironman 70.3 WM, wiederum in St. George. Drei Langdistanzen in einer Saison sind eine neue Belastung für dich, obwohl du von der Kurzdistanz viele Rennen gewohnt bist. Wie sieht es mit deiner Regenerationsfähigkeit aus?
K.B.: Ich kann ja auf die Erfahrung vom Ironman Cozumel zurückgreifen. Da war ich nach sechs Tagen so weit hergestellt, dass ich wieder trainieren konnte. 13 Tage nach Cozumel habe ich dann beim Clash Daytona gewonnen und mich dort auch gut regeneriert gefühlt. Ich denke der Abstand zwischen St. George und dem Pho3nix Sub7-Projekt ist auf jeden Fall ausreichend. Und was Kona betrifft. Drei lange Rennen in einer Saison sind mit meinem Trainingsbackground definitiv auf hohem Niveau möglich. Ich habe dazu auch das beste Team an meiner Seite, das mich wo es nur geht unterstützt. In erster Linie muss ich allerdings gesund und verletzungsfrei bleiben, was die Schwierigste aller Aufgabenstellungen ist. Da heißt es Daumendrücken!   
tri2b.com:  Im Vorjahr beim TriBattle-Royale Rekord von Jan Frodeno war das Wetter alles andere als gut. Es hatte dort teilweise wie aus Kübeln geschüttet. Wie würde dein Wunschwetter für den Rekordversuch aussehen?
K.B.: Ich denke so um die 15 Grad Lufttemperatur wären perfekt. Vielleicht einen Tick wärmer auf dem Rad und dafür dann etwas kühler beim Laufen.

tri2b.com: Kristian, vielen Dank für das Interview und vor allem viel Erfolg für deine Vorhaben in der Saison 2022. Wir freuen uns auf richtig spannende Rennen mit dir.