Wenn Laufen mal so gar keinen Spass macht…

von Sven Weidner für tri2b.com | 01.01.2019 um 20:58
Jeder Läufer, Radfahrer oder Triathlet kennt diesen Moment, wenn ein Freund fragt, ob man nicht Lust hätte gemeinsam einen Wettkampf zu machen. Ich bin im September in genau diesen Genuss gekommen und musste feststellen, dass man dabei auch mal ganz schön ins Klo greifen kann.

Als mein Arbeitskollege Ende September auf mich zukam und fragte, ob ich nicht Lust hätte mit ihm einen Lauf für seine UTMB-Quali zu machen, hätten schon alle Alarmglocken läuten sollen. Als kleine Anmerkung für nicht Ultra-Läufer: UTMB meint Ultra Trail du Mont Blanc und ist das Hawaii der Ultraläufer. Diese müssen aber nicht bestimmte Slots gewinnen, sondern 15 Qualipunkte mit 3 Läufen sammeln und dann etwas Losglück haben. Die maximale Anzahl an Punkten, die ein Qualilauf geben kann sind 6. Bei diesen Rennen sprechen wir über 160 km lange Läufe im Hochgebirge...Irgendwie schien ich die Tatsache etwas unterdrückt zu haben, als Till meinte, dass er ja nur 4 Punkte für die Anmeldung zum UTMB 2019 braucht. Man könnte auch sagen, dass das „Ja klar“ schneller als das Hirn war...

 

Durch den belgischen Schlamm

 

Nachdem ich etwas naiv zugesagt hatte, hat Till breit gelächelt und mich in sein Büro zur Laufauswahl gebeten. Hier hatte ich die Optionen: a) 70 km durch Belgien Ende November mit vielen Höhenmetern und Schlamm oder b) 74 km durch Belgien im Dezember mit vielen Höhenmetern und einigen Bachquerungen. Kurzgesagt hatte ich die Wahl zwischen Pest und Cholera, aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Also bevor ich den peinlichen Rückzieher machen konnte, wurden die 15 Euro Startgeld überwiesen und der Gedanken an den Lauf in der hintersten Ecke des Verstandes mit der Anmerkung „noch jede Menge Zeit zur Vorbereitung“ verstaut.

Die Zeit verging und ich habe mich Anfang November dann ja so richtig zerlegt, wie in meinem letzten Blogeintrag schon beschrieben und zurück in Deutschland wurde mir schmerzlich bewusst, dass das Schlimmste in diesem Jahr wohl doch noch bevor steht. 1,5 Wochen vor Olne-Spa-Olne (der Schlammlauf im November) haben wir uns dann noch einmal zu einem Trainingsmarathon getroffen, um mit diesem die Vorbereitung auf den Lauf gemeinsam zu beenden. (Hier sei angemerkt, dass das leider auch der Beginn meiner Vorbereitung war...). Naja legen wir am besten den Mantel des Schweigens über den Marathon und loben an dieser Stelle die belgischen Unterkünfte!

Leider mussten wir unser 5 Sterne Deluxe Apartment mitsamt Kicker schon gegen 6 Uhr räumen. Dafür, dass vermutlich mehr Läufer (1000 Verrückte und das ist kein Witz) als Einwohner Olne überrollt haben, war die Organisation der Parkflächen, Nummernausgabe, etc. erstaunlich gut organisiert. Gefühlt 5 min. nach dem Parken saß ich schon fertig in der Turnhalle und habe meine Dummheit verflucht. Gegen 7:45 Uhr ging es dann in Richtung Startlinie. Dort angekommen habe ich mich dann in die 5. Reihe gestellt. Dann gab es eine gefühlt 100-minütige Ansprache auf Französisch, gefolgt von der 7,5 min. der englischen Version. Hier hat mich schon das mulmige Gefühl beschlichen, dass ich vielleicht ein paar Infos verpasst haben könnte. Aber eigentlich war das egal, denn Till und mein Ziel war eh nur das Finish für seine Punkte. Bäääääng...Startschuss...raus aus den Gedanken und rein in den Laufmodus. Nach 400 m dann der typische Sven...10 Leute laufen vorne geradeaus weg und dahinter biegen 30 Leute links ab. Till und ich entscheiden uns der Masse zu folgen. Nach 150 m stellen wir fest, dass das wohl die falsche Entscheidung war. Wieder auf der Strecke waren wir plötzlich im grauen Mittelfeld, was man bei einem Lauf über Dutzende Kilometer Single Trail eigentlich nicht sein möchte. So hieß es dann auch die ersten 15 km Stop and Go an jeder Welle, scharfen Kurve oder Wildgatter. Naja irgendwann war das Feld wenigstens etwas aufgelockert und wir wieder etwas weiter vorne. Plötzlich knallt Till in einem Anstieg mit dem Fuß richtig hart vor einen Stein und ist am Fluchen wie ein Rohrspatz. Hier war dann unser Rennen gelaufen. Till hatte von da an riesige Schmerzen beim Laufen, sofern es nicht bergauf ging.

 

Mit leerem Tank über Stock und Stein

 

Irgendwie haben wir es dann zu Kilometer 39 geschafft und plötzlich merkte ich, dass ich vielleicht etwas zu sparsam mit der Menge meiner Xenofit-Gels war. Es ist wirklich kein tolles Gefühl, wenn man daran denkt noch 30 km über Stock und Stein mit leerem Tank eiern zu müssen. Irgendwie haben wir es dann über den härtesten Teil der Strecke zur Verpflegung bei Km 48 geschafft. Hier habe ich dann das Krümelmonster gespielt und so viel Kuchen wie nur ging in mich rein geschoben. Danach ging es zwar etwas besser, aber leider war ich nach 66 km dann endgültig KO. Es war kalt und nass...darüber hinaus war ich dreckig, hungrig und zunehmend schlecht gelaunt. Aber Heulen hat einen ja auch noch nie ins Ziel gebracht. Deshalb hieß es Klappe zu und einen Fuß vor den anderen. Nach über 8 Stunden waren wir dann endlich wieder in Zielnähe und ich war am Verzweifeln wie groß der Bogen sein kann, den man um einen Ort laufen kann.

Nach 8:22 Std. war dann endlich die Ziellinie überschritten! Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich direkt zum Auto und habe nur einen Pulli übergezogen und wollte nur Heim. Zurück in Bielefeld gab es dann endlich eine Dusche, Pizza bis zum Abwinken und die Erkenntnis, dass ich nie wieder Ultras ohne ordentliche Vorbereitung in Belgien laufe. Bei Till stellte sich später raus, dass er das ganze Ding mit gebrochenem Zeh gelaufen ist! Dafür Hut ab Dicker! Du hast dir deinen Platz im UTMB verdient und die Daumen sind für den 10.01. gedrückt. Auf ein tolles Sportjahr 2019.

euer Sven