Aerycs C 100 C-TLR Scheibenrad - Clincher/tubeless ready - im Praxistest

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 08.04.2019 um 20:52
Es war einer dieser Träume, der mir früher zu meiner aktiven Triathlonzeit immer wieder den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Ein sich von hinten unaufhörlich näherndes Wummern eines Carbon-Scheibenrads, mit dem ein Konkurrent dann an mir im ICE-Tempo vorbei flog. Scheibenräder waren und sind auch heute noch die Krönung hinsichtlich der Aerodynamik am Hinterrad, nicht umsonst montieren Frodo, Sebi, Lange und Co. eigentlich in allen Rennen eine Scheibe in den Hinterbau ihrer TT-Bikes (sofern die Bedingungen und das Regelwerk es erlauben). Wer bisher auch so unterwegs sein wollte, der musste relativ tief in die Tasche greifen und war auf Schlauchreifen- und reine Clincher-Lösungen festgelegt. Dass "Vollcarbon-Scheibe" auch zu einem durchaus erschwinglichen Preis funktionieren kann, will der deutsche Laufradbauer Aerycs mit seinem 100 C-TLR Carbon Scheibenrad zeigen, wobei das C für Clincher und das TLR für "tubeless ready" steht. Wir haben die mattschwarze Aerycs-Scheibe im Praxistest genauer unter die Lupe genommen.

Die Aerycs Vollcarbon-Scheibe bringt nackt 1.180 Gramm auf die Waage und liegt damit in Reichweite zu den im Profizirkus vielfach gefahrenen Carbon-Tellern von Zipp und Mavic. Unter Berücksichtigung der vollen "tubeless" Einsatzfähigkeit ist das ein richtig guter Wert, da hier die Konstruktion deutlich höhere Kräfte wegstecken muss als Scheiben mit Schlauchreifen- oder reinen Clincher-Konstruktionen und entsprechend mehr Material verbaut werden muss.

Optisch auffällig ist die toroidal aufgebaute Form der Scheibe. Diese wulstartige Form soll laut Aerycs für noch bessere Aerowerte sorgen. Unabhängig von dieser speziellen Formgebung gilt für Scheibenräder generell: Keinerlei Luftverwirbelungen durch Speichen und ein maximal möglicher Segeleffekt bei seitlicher Anströmung. Im Innenleben sorgt Rohacell PMI Schaum dafür, dass die Scheibe den immensen Belastungen durch den Luftdruck der Reifen auch im harten Wettkampfeinsatz standhalten kann. Insbesondere wenn es um das Thema "tubeless" geht, ist die Materialbelastbarkeit das große Thema, erklärt Aerycs-Werkstattchef Robert Lentzsch. 

Aerycs verweist darauf, dass sie in puncto "tubeless ready" im Scheibensegment Vorreiter sind. Die C 100 C-TLR Scheibe lässt sich mit klassischen Drahtreifen (Clincher) und den aktuell immer stärker nachgefragten schlauchlosen Reifen fahren.  Gerade beim Scheibenthema ist die Frage nach der Pannensicherheit heikel. Ein platter Reifen an der Scheibe hat schon so manchen Triathleten in den Wahnsinn getrieben. Insbesondere das Aufpumpen in den schmalen Ventilaussparungen kann unter Belastung und Zeitdruck zur Herkulesaufgabe werden. Ein mit Dichtmilch gefüllter Tubeless-Reifen repariert die häufig vorkommenden Reifenschäden sprichwörtlich selbst im Handumdrehen. 

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Unser Setup

 

 

In unserem Test war auf der Aercys Scheibe der vielfach preisgekrönte Schwalbe Pro One in 25 mm montiert. Gefahren sind wir die Scheibe mit einem Cervélo P5 (mit SRAM red etap-Schaltung) und im winterlichen Sauwetter auf einem alten Prinzipia TT28 (Shimano Ultegra Schaltung).  

 

Unser Praxistest

 

Der erste Eindruck rief gleich wieder den anfangs erwähnten (Alp)Traum ins Gedächtnis. Die Aerycs Scheibe wummert herrlich dumpf vor sich hin und erzeug so allein schon das Gefühl eines kleinen Temporausches. Außerdem animiert der Wummer-Sound immer einen Tick härter in die Pedale zu treten. Vom Handling fuhr sich die Scheibe dann eher unauffällig.  Hinsichtlich der Seitensteifigkeit gab´s beim Praxisausritt jedenfalls nichts zu meckern. Mit den vergleichsweise leichten 69 kg des Testpiloten war auch bei wirklich eng eingestellten Bremszangen kein Schleifen beim Antreten festzustellen. Hinsichtlich der Bremsleistung gibt es Carbon-typisch für nasse Bedingungen Abzüge, allerdings ist vom Handling hier das Verhalten des Vorderrad von weitaus entscheidenderer Bedeutung.

Dann wäre noch die Frage nach der Windanfälligkeit zu klären. Ein Scheibenrad bietet dem Wind bauartbedingt nun mal die volle Angriffsfläche. Bei "normal" windigen Bedingungen während unserer Testfahrten war die Aerycs-Scheibe wunderbar beherrschbar. Auch hier gilt: Das Vorderrad und dessen Felgenhöhe ist auch in punkto Steuerbarkeit bei Wind von entscheidender Bedeutung. Bei Wind in Sturmstärke mit unberechenbaren Böen wird allerdings keine Scheibe der Welt mehr ohne ein gewisses Sicherheitsrisko steuerbar sein. Ein Grund, warum Scheibenräder beim Ironman Hawaii generell verboten sind.

Beim Komfort kann die Scheibe gegenüber einem gespeichten Aerolaufrad bauartbedingt nicht mithalten, wer schnell sein will muss nun mal ein wenig leiden. Ein Scheibenrad ist nun mal ein kompromissloses Wettkampf-Equipment und kommt allenfalls zusätzlich noch im wettkampfnahen Training und beim Race-Setup-Test zum Einsatz.

Hier schließt sich dann auch der Kreis. Durch den geringeren Einsatzbereich  gegenüber einem normalen Aerolaufrad ist die Preisfrage sicher für viele der durchaus aerooptimierungswilligen Triathleten von entscheidender Bedeutung. Mit 1.298 EUR Verkaufspreis ist die Aerycs C 100 C-TLR Scheibe auf jeden Fall eine Überlegung wert, insbesondere wenn man beim Aerolaufrad-Setup schlauchlos unterwegs sein möchte. Die Funktion und die Verarbeitung überzeugten uns im Praxistest, und der traumhafte Sound sowieso.

Technische Details

Hersteller Aerycs
Modell C 100 C-TLR Scheibenrad Clincher - tubeless ready
empf. VK Preis in Euro ab 1.298,00 € (als Set mit C 50/60/75/80 Vorderrad ab 1.598,00 €)
Gewicht 1.180 g (mit Schwalbe Pro One 25 mm)
Nabe Aerycs A1 (mit Keramik-Lager 120,00 € Aufpreis)
Freilauf Shimano/SRAM 10/11 Road
Felgenbreite Bremsflanke 25 mm
Felgenbreite innen (Maul) 17 mm
Fahrergewicht bis 100 kg
Garantie 24 Monate
Website www.aerycs.de

Bewertung

Preis/Leistungsverhältnis - +
Verarbeitung - +
Rundlauf - +
Bremsverhalten - +
Gewicht - +
Fahr- und Lenkverhalten bei Seitenwind - +
Händler/Service-Netz - +

Fotoserie: Aerycs C 100 C-TLR Scheibenrad Clincher - tubeless ready