Praxisfahrtest: Scott Plasma Premium

von H. Eggebrecht für tri2b.com | 08.08.2011 um 18:10
Knapp 80 Sachen zeigte der Tacho auf unserem Liveticker-Motorrad, als sich Sebastian Kienle auf seinem Scott Plasma Premium bei der Challenge Roth in die kurvenreiche Abfahrt in Obermässing stürzte. Wie auf Schienen steuerte Sebi seine schwarze Zeitfahrmaschine durch die engen Kurven – so schnell, dass wir Mühe hatten, ihm auf dem Motorrad zu folgen. In einem Praxistest haben wir das Arbeitsgerät des zweimaligen Roth-Zweiten auf seine Tauglichkeit für den Einsatz jenseits des Profisports untersucht. Wir wollten wissen, ob das mit Bestnoten im Windkanal ausgezeichnete Scott Plasma Premium auch im Trainingsalltag für einen Hobbytriathleten eine gute Figur macht. Wir haben das 2011er Modell getestet - 2012 wird das Rad technisch unverändert bei Scott im Programm bleiben.
Das Setup:


Wir sind das Scott Plasma Premium in Größe M mit der Set-Ausstattung (siehe anhängendes Datenblatt) gefahren. Als Laufräder wurde wahlweise, neben den serienmäßigen Zipp 808 bzw. 1080, dem Lightweight VR8 Vorderrad mit der Disc für hinten, auch ein Satz Mavic Ksyrium SL gefahren. 

Die Einstellmöglichkeiten:


Die volle Leistung lässt sich bekanntlich nur dann rausholen, wenn ein Zeitfahrrad optimal angepasst ist. Das Scott Plasma Premium punktet hier mit der leicht zu verstellenden integrierten Sattelstütze und mit der darauf thronenden Schiene, auf der der Sattel spielend leicht um bis zu 3 cm verschoben werden kann. Mit der ohnehin möglichen Ausrichtung am Sattelgestell ist dann ein wirklich sehr großer Verstellbereich gegeben. Der Sattel kann so theoretisch bis senkrecht über das Tretlager gebracht werden. Durch die Schiene kann der Sitzwinkel grob zwischen 74 und 80 Grad angepasst werden (der Rahmen selbst besitzt einen Sitzrohrwinkel von 76 Grad). Etwas weniger Einstellmöglichkeiten gibt es im Bereich des Lenkers. Während sich die Extensions des Aeroaufsatzes noch sehr gut in Länge und Breite verstellen lassen, ist man bei der Vorbau-Konfiguration etwas eingeschränkt. Den Profile Plasma 3 Spezialvorbau gibt es in zwei Längen (7,5 cm und 12 cm) mit jeweils 4 cm Steigung. Unser Testrad war mit der 7,5 cm Variante ausgestattet. 

Die Testfahrten:


Das Testrad wurde über zwei Monate verteilt knapp 800 km gefahren. Als Testfahrten dienten alle Triathlon-üblichen Trainingsformen, vom Zeitfahrtraining bis zur langen Grundlagenausfahrt. Vom Streckenprofil war alles dabei: flache schnelle „Zeitfahrstrecken“, bis hin zu welligem, bergigen Terrain. Zudem wurde das Rad in einem Einzelzeitfahren eingesetzt. 

Die Fahreindrücke:


Das Scott Plasma Premium wurde in seiner Urform als Spezialzeitfahrrad für das Protour-Team HTC Highroad konzipiert. Für den frei verkäuflichen Markt und den Triathlonbereich kam es mit einer etwas alltagstauglicheren Vorbaueinheit auf den Markt. Die Sattelüberhöhung ist dadurch um einiges gemäßigter, aber immer noch als sehr sportlich zu bezeichnen. Dies bestätigte sich dann auch in der Praxis: Die tiefe Position setzt einiges an radfahrspezifischer Athletik (Beweglichkeit, Rücken- und Nackenmuskulatur) voraus, damit diese aerodynamische günstige Haltung auch auf längeren Strecken durchgehalten werden kann. Gerade auf flachen Strecken, mit wenig Abwechslung, wurden hier Nacken- und Rückenmuskulatur auf die Probe gestellt. Etwas eckigere, welligere Strecken waren daher fast angenehmer zu fahren, da hier automatisch immer wieder die Sitzpostionen zwischen Aerohaltung, Basislenker und Wiegetritt gewechselt werden musste. 

In so abwechslungsreichem Terrain gefällt auch das Beschleunigungsverhalten ungemein. Das Rad ließ sich hier absolut sicher auch aus engen Kurven heraus beschleunigen. Auf flachen Strecken in der Aeroposition und bei hohem Tempo rollte das Plasma Premium oft fast wie von selbst. Hier scheinen sich die sehr guten Ergebnisse aus den Windkanaltests auch in die Praxis umsetzen zu lassen. 

Es bleibt jedoch die Frage, wie sich das Rad fährt, wenn es richtig bergig wird? Zeitfahrradtypisch hat man bergauf natürlich nicht so viele Griffvarianten zur Verfügung, wie bei einem normalen Rennrad-Basislenker. Trotzdem ist der Wechsel Unterlenker und Armpads möglich - eine Variante, die den Rücken doch spürbar entlasten konnte. Im Wiegetritt war das Ergebnis zweigeteilt: Nach einer gewissen Eingewöhnung sind kurze Abschnitte im Stehen einwandfrei zu fahren. Längere Wiegetritt-Passagen waren aber eher unangenehm, da der Abstand von Knie zum Lenker hier grenzwertig war. Wahrscheinlich wäre hier die längere Vorbau-Option eine Lösung. 

Beim Schalten zeigte sich die SRAM Red auch unter Last äußerst direkt. Die Gangwechsel liefen immer einwandfrei. Bergab konnten die Standard-Bremsen (vorne SRAM Red), hinten Shimano Dura Ace 7800 grundsätzlich überzeugen. Im Vergleich zu normalen Standardbremshebeln ist das Bremsgefühl mit den leichten Carbon-Aerobremshebeln etwas schwammiger, was nur in der Eingewöhnung zu einer gewissen Unsicherheit führte. Grundsätzlich gewöhnungsbedürftig war aber starkes Abbremsen in steileren Abfahrten. Durch die tiefe Lenkerpositionierung liegt sehr viel Gewicht auf dem Vorderrad, was sich ingesamt dann etwas unsicher anfühlte. 

Das tri2b.com-Fazit:


Hinsichtlich Ausstattung lässt das Scott Plasma Premium keine Wünsche offen. Alles ist vom feinsten. Hightech-Profimaterial wohin man auch schaut. Dass dies auch seinen Preis hat, steht außer Frage. Dafür fährt sich das Rad auch wirklich profimäßig. Die richtigen Beine vorausgesetzt, lässt sich sicher, je nach Streckendistanz, die eine oder andere Sekunde oder sogar Minute herausschinden. Dies bestätigte auch unser Wettkampftest in einem Einzelzeitfahren. Wobei "profimäßig" auch bedeutet, dass der/die Fahrer/in die entsprechenden athletischen Voraussetzungen mitbringen muss; nur so ist die, trotz der etwas entschärften, ansteigenden Vorbauvariante sehr sportliche Sitzposition auch wirklich im Triathlon umsetzbar. Ist das der Fall, dann ist das Scott Plasma Premium sicher ein sehr guter exklusiver Helfer bei der Jagd nach neuen Bestzeiten.