Die Perfektion der Aeroposition

von Stefan Drexl für tri2b.com | 07.07.2012 um 00:00
Es ist die Harmonie zwischen Mensch und Maschine, die die Faszination des Radfahrens ausmacht. Besonders im Triathlon wird diese Leidenschaft durch immer extremere Zeitfahrmaschinen bei ambitionierten Athleten mehr und mehr ausgelebt. Doch was nutzt das beste Arbeitsgerät, wenn sein Fahrer nicht wirklich optimal darauf sitzt. Was nutzt ein Aerorad ohne aerodynamischer Sitzposition? Andreas Bruch vom Radlabor München kennt die Lösung und hat sich genau darauf spezialisiert.

Lange wurde beim Radfahren die Einstellung und die Sitzposition vernachlässigt. Dabei sind eine optimale Sitzposition und die dadurch optimale muskuläre Kraftübertragung ein entscheidender Faktor. Bei gleicher konditioneller Leistungsfähigkeit ist es besonders die Ökonomie der Bewegung, die den Unterschied ausmacht. Voraussetzung für eine optimale Sitzposition ist eine entsprechend professionelle Fahrrad- und Sitzpositionsanalyse vorab. Besonders im Triathlon geht es, je nach Distanz mehr oder weniger, neben Geschwindigkeit und Fahrkomfort auch um eine möglichst geringe Ermüdung für das abschließende Laufen. Mensch und Maschine sollten daher so optimal als möglich aufeinander abgestimmt werden.

Innovative Technologie für mehr Komfort und Speed

Die Biomechanik betrachtet dafür die Biologie und Mechanik des Radfahrers gleichermaßen. Auch wenn die Bedürfnisse unterschiedlicher Art sind, so ist dies für den Gelegenheits- oder ambitionierten Triathleten ebenso wichtig, wie für den Profi. Liegen die Schwerpunkte beim Einen auf einer eher komfortablen und knieschonenden Einstellung, geht es dem Anderen mehr um die effiziente Kraftübertragung und Aerodynamik. Um den individuellen Anforderungen gerecht zu werden hat das Radlabor einzigartige technische Innovationen entwickelt sowie verschiedene Test- und Analysemöglichkeiten um die Sitzposition auf dem Rad und auch die individuelle Trettechnik zu optimieren.

In unserem Praxistest habe ich bereits die vielseitigen Einstellungsmöglichkeiten des neuen Specialized Shiv Tri beschrieben. Im nächsten Schritt ging es also darum meine optimale individuelle Sitzposition auf dieser triathlonspezifische Zeitfahrmaschine herauszufinden und es entsprechend anzupassen. Keine leichte Aufgabe, die mit nur zwei bis drei Schraubendrehs erledigt ist.

Ich habe mich daher mit dem Shiv auf den Weg zu Andreas Bruch ins Radlabor München gemacht. Ziel war es, neben der Sitzposition, dem sogenannten „Bike Fitting“, auch die Pedalkraft für einen entsprechend „Runden Tritt“ zu analysieren. Am Ende sollte eine möglichst aerodynamische Sitzposition für eine optimale Leistungsentfaltung auf Kurz- und Mitteldistanzen ermittelt werden.

Millimetergenauer 3D-Scan

Mit dem Paket Sitzposition Aero Pro, das speziell auf Zeitfahren und Triathlon zugeschnitten ist, hat das Radlabor hier die optimale Lösung für ambitionierte Triathleten mit dem Hang zu einer windschlüpfrigen Haltung. Aerodynamik, Sitzkomfort und die Kraftübertragung auf das Zeitfahrrad werden hierbei optimiert, um so im Wettkampf wertvolle Sekunden einzusparen und fitter vom Rad zu steigen damit mehr Kraft für die dritte Disziplin bleibt.

Als erstes hat Andreas Bruch das Rad vermessen und die aktuellen Einstellungen des Shiv Tri in seine Software eingegeben. Dafür wird das Rad auf eine Vorrichtung gespannt und mittels eines 3D Scanners werden die Daten ermittelt. Im nächsten Schritt wird der Körper gescannt, die entscheidenden Messpunkte sind hier die Gelenkachsen. Ein Laser tastet die markierten Punkte ab, während die Innenbeinlänge noch am exaktesten manuell durch ein rustikales Federbein mit integrierter Wasserwaage gemessen wird. Die Abweichungen gegenüber der bisherigen Sitzposition werden schließlich berechnet und die Ergebnisse anschließend auf ein Hightech-Egometer gespiegelt, an dem sich jede Höhe und jeder Abstand millimetergenau, und jeder Winkel auf das feinste Grad justieren lassen.

Effiziente Überhöhung und geringe Stirnfläche

Als das erledigt war, folgte die dynamische Analyse der Sitzposition, wobei Andreas Bruch ganz genau den Bewegungsablauf beobachtete, den Kniewinkel vermisst und zwischendurch immer wieder die Position nachjustierte. Die von der Analysesoftware errechneten Werte gleicht er so mit seinen intensiven Erfahrungen in der Forschung ab und stimmt die Sitzposition immer exakter auf das individuelle Bewegungsmuster des Fahrers ab. Parallel wird nach jeder Positionsänderung die Kraftübertragung durch mehrere Rampentests auf das linke und rechte Pedal gemessen, bis das optimale Verhältnis von Leistungsentfaltung, Fahrkomfort und Aerodynamik gefunden ist.

Entscheidend für die Aerodynamik ist gerade die Stirnfläche, die eine direkte Auswirkung auf die mögliche Geschwindigkeit hat, den der Luftwiderstand hat mit rund 80 Prozent den größten Anteil am Gesamtwiderstand. Die Überhöhung der Sitzposition, der Höhendifferenz von Sattel und Aerolenker bietet hier die meisten Möglichkeiten einer Anpassung. Dies hängt natürlich auch ein wenig von der Länge der Oberarme ab, die auf dem Aerolenker etwa einen rechten Winkel zu den Unterarmen bilden. Die neue Position sollte jedoch nur langsam verschärft werden und unbedingt vor einem Wettkampf erprobt werden. Nur wenn eine widerstandsärmere Haltung durch eine starke Überhöhung effizient gefahren werden kann und man nach der zweiten Disziplin nicht mit Rückenbeschwerden vom Rad steigt, bringt eine extremere Aeroposition wirklich Vorteile.

Pedalkraftanalyse für einen „runden Tritt“

Das Pedal bildet die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Die muskulär erzeugten Kräfte werden hier auf das Fahrrad übertragen, der Abstand zwischen Fußsohle und Pedalachse sollte daher gering sein. Misst man genau an dieser Stelle, so erhält man Informationen über die vom Sportler tatsächlich erzeugten Kräfte. Die Kräfte werden dabei in "effektive Kräfte", in die für den Vortrieb des Rades verantwortlichen, und in "ungenutzte Kräfte", die nicht in den Vortrieb umgesetzte, sondern im Material "verpuffende" Leistung, aufgespalten. Dieses System hat Andreas Bruch zusammen mit seinem Kollegen Dr. Björn Stapelfeldt entwickelt und kann es sogar „mobil“ einsetzbar an jedes andere Ergometer montieren.

Die gewonnen Erkenntnisse und ermittelten Messwerte wurden anschließend auf das Triathlonrad übertragen und durch Veränderung am Sattel und am Lenker die Feinabstimmung der neuen individuellen Sitzposition vorgenommen. Der Effekt war enorm und die Bewegungsabläufe waren spürbar lockerer und harmonischer. Ob es langfristig bei exakt diesen Einstellungen bleiben würde, werden schließlich die nächsten knapp 1000 km zeigen. Erst dann, wenn sich die spezifische Muskulatur auch angepasst hat, lässt sich subjektiv einschätzen, ob man sich mit der neuen Sitzposition auch wohlfühlt. Hier gibt es natürlich einen gewissen Spielraum, in dem man dann in den folgenden Trainingseinheiten nachjustiert.

Fazit

Eines steht fest: Mit dieser professionellen Sitzpositionsanalyse kann verhindert werden, dass der Bewegungsablauf gestört wird und es somit zu Beschwerden wie Muskelverkrampfungen der Arme, des Nackens und des Rückens, oder Schmerzen in den Oberschenkeln, Waden und der Achillessehne kommen kann. Manch ein ambitionierter Triathlet oder Radprofi, der von seinem Trainingsrad auf seine anders eingestellte Zeitfahrmaschine gewechselt hat, musste schon mit Sehnenreizungen gerade im Kniegelenk wegen einer minimal anderen Sitzposition bezahlen. Das zeigt die Bedeutung einer richtigen individuellen Sitzposition mit einer optimalen Passform und einer effizienten, ermüdungsfreien Kraftentfaltung für mehr Komfort und Speed in der zweiten Disziplin.