Lars Teutenberg: Für mehr Leistung muss auch mal mit Traditionen gebrochen werden

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 08.09.2015 um 20:49
Aerodynamik ist eines der Steckenpferde von Lars Teutenberg. Der ehemalige Radprofi kümmert sich bei Scott um den technischen Race-Support der Profifahrer und tüftelt mit Sebastian Kienle und Co. im Windkanal und auf der Radbahn an der optimalen Sitzposition. Teutenberg erzählt, wo er das meiste Potential zur Leistungsoptimierung sieht, wie das optimale Race-Setup zustande kommt und warum mit der Stopuhr gesteuerte Ernährungspläne im Triathlon auch mal hinterfragt werden sollten.

tri2b.com: Seit über einem Jahr ist euer neues Scott Plasma im Einsatz. Habt ihr schon Feedback bekommen und arbeitet an Optimierungen für Sebis Weltmeisterbike?
Lars Teutenberg (L.T.): Es gibt natürlich auch bei einem neuen Rad immer Weiterentwicklungs- und Verbesserungspotenzial. Grundsätzlich wurde das Pflichtenheft so erstellt, dass wir das Feedback und die Inputs der Fahrer zum Plasma 3 bestmöglich integriert haben. Als Folge ist das Produkt in der Praxis doch sehr nahe am Optimum.

tri2b.com: Wo siehst du das größte Potenzial für Triathleten in der Einstellung des Wettkampfrads?
L.T.:  Bei vielen Athleten is die Frontfläche zu groß. In Zusammenarbeit mit unserem Lenkerhersteller Profile haben wir festgestellt, dass die Armschalen in der Standardeinstellung zu breit sind. Darauf haben wir neue Brackets entwickelt, die eine engere Armposition ermöglichen, ohne dass dabei das Handling des Bikes leidet.

tri2b.com: Im Windkanal wird vermehrt auch der Einfluss der Radbekleidung auf das gesamte System gemessen und optimiert. Ist aerodynamische Kleidung auch für Scott ein Thema? 
L.T.: Wir haben die Aerodynamik natürlich im Hinterkopf bei der Entwicklung unserer Rennradkollektion. Viele Anzüge der Profi-Triathleten sind jedoch massgeschneidert. Für uns ist dies momentan kein Thema. Allerdings nehmen wir Erkenntnisse über Stoffe und Schnitte und versuchen diese in die Kollektion einfließen zu lassen.

tri2b.com: Du warst letztes Jahr selbst beim Ironman Hawaii vor Ort, hast die Scott-Profis betreut und dabei auch viele Agegrouper und ihre Sitzpositionen begutachten können. Was würdest du bei ihnen optimieren?
L.T.: Da gibt es mehrere Dinge. So heißt höher sitzen nicht gleich, dass man auch bequemer auf dem Rad sitzt. Gerade wenn man im Amateurbereich schon mal 5 bis 6 Stunden unterwegs ist, kann das Halten des Kopfes ganz schön anstrengend werden. Als weiterer Punkt sind die Laufräder zu nennen. Diese sollten bei Rennen mit böigem Seitenwind nicht nur schnell, sondern auch noch sicher zu händeln sein.

tri2b.com: Nehmt ihr spezielles Equipment mit, um es unter extremen Bedingungen wie in Kona zu testen?
L.T.: Ich hatte kurz vor dem Rennen eine Diskussion mit einem Athleten über die Helmwahl. Daraufhin habe ich im Renneinteiler und Zeitfahrhelm getestet, was geht und was nicht geht. Also die speziellen bzw. extremen Bedingungen versuche ich zu berücksichtigen. Gerade für Triathleten ist es ja wichtig, dass sie noch absteigen und locker  loslaufen können im Gegensatz zum Radrennfahrer.  Für Bekleidung zum Beispiel bedeutet dies, dass sie atmungsaktiv und kühl genug und für einen Helm, dass er ordentlich belüftet sein muss.

tri2b.com: Der Split, euer Aerohelm, wirkte auf uns allerdings relativ warm im Test?
L.T.: Das liegt am Visier. Unter diesen heißen Bedingungen fahren alle Athleten ohne Visier. In Kona gab es keine Probleme damit. Bei normalem Renntempo von über 35km/h sorgt er für eine gute Durchlüftung. Bei normalen Helmen ist diese nicht zwangsläufig gegeben und durch den offenen Aufbau kann auch mehr Hitze durch die Sonne einstrahlen.

tri2b.com: Allerdings ist Daniela Ryf im Vorjahr mit Straßenhelm in Kona gestartet?
L.T.: Auch im Triathlon muss, wie im Radsport auch, mit gewissen Traditionen gebrochen werden. Nach Möglichkeit sollte man einfach verschiedene Kombinationen bei gleichen Bedingungen testen, um dann das am besten passende Setup wählen zu können. Wenn ich durch eine spezifische Helmwahl 10W einsparen kann, ist unter Umständen ein Temperaturanstieg von 1°C verkraftbar.

tri2b.com: Was wäre eine typische Triathleten-Tradition?
L.T.: Das wäre zum Beispiel die Ernährung. Das ist im Triathlon ganz speziell. Es gibt auch Radrennen die sechs oder sieben Stunden lang sind und bei denen habe ich noch nie solche Ernährungspläne gesehen wie im Triathlon. Dort wird ja häufig aufgeschrieben, welches Gel und wann dies mit Angabe vom Kilometerstein zu sich genommen werden soll. Das klappt im Straßenbereich auch ohne Plan und mit dem Stress beim Fahren im Pulk.  Ein überlasteter Magen-Darm Trakt ist sicher auch nicht leistungsfördernd. Ein bißchen reinhorchen in den Körper kann aus weniger eventuell doch mehr Leistung machen.