Rahmenbau: Die UCI-Gewichtsreglementierung macht keinen Sinn mehr

von tri2b.com | 21.01.2011 um 00:00
Der Rahmen ist das Herzstück eines jeden Rennrades beziehungsweise eines Triathlon-Zeitfahrrades. Als Werkstoff erobern Kohlenfaserstoffe derzeit die Räder im Mittelklassebereich und auch schon manche der sogenannten Einsteigermodelle sind mit einem Rahmen aus Corbonfasern ausgestattet. Wir haben uns mit dem Marketingexperten Florian Brugger und dem Entwickler Cyril Beaulie von Scott Sports über den Entwicklungsstufen beim Rahmenbau, die mögliche Krafteinsparung eines optimal eingestellten Rades und Haltbarkeit von Rahmen aus Carbonfasern unterhalten.

tri2b.com: Früher waren spezielle Zeitfahrmaschinen im Triathlon meist nur den Profis vorbehalten, heute treten auch viele Hobbyathleten mit echtem Profimaterial an. Wird dieser Aspekt bei der Entwicklung beachtet, dass viele der Räder mittlerweile auch von durchschnittlich trainierten Athleten gefahren werden? Schließlich will der Hobbytriathlet ja ein beherrschbares Rad und vor allem Fahrspaß.
Florian Brugger: Dies ist eine Frage welche wir uns im Entwicklungsprozess immer wieder stellen. Wenn möglich, konstruieren wir das Bauteil so, dass wir dieses später auch in Serie umsetzen können und dann dem Hobbytriathlet zugänglich machen. Andererseits wären die Investitionen schlicht und einfach zu hoch.

tri2b.com: Wie lange dauert es, bis ein neuer Rahmen vom ersten Entwurf in die Serienproduktion geht?
Florian Brugger: Rund zwei bis drei Jahre.

tri2b.com: Welche Arbeitsschritte werden dabei durchlaufen?
Florian Brugger: Marktstudie – Bedürfnisse des Wettkämpfers abklären – Ideenfindung – Machbarkeitsstudie – Grobentwurf – Designvorschläge – Plug and Play vom Designer zum Ingenieur – evtl. Windkanalberechnungen – 3D Design – Schaummuster – evtl. Tests im Windkanal – Perfektionierung – endgültige 3D Zeichnungen – Bau der Prototypen – Testphase – bei positiven Tests 3D Zeichnungen der restlichen Rahmengrößen – Formenbau – Vorserie – Test – Produktion.

tri2b.com: Scott rüstet aktuell das sehr erfolgreiche das Commerzbank Triathlon Team mit Rädern aus. Außerdem hab ihr für 2011 Sebastian Kienle unter Vertrag genommen. In wie weit werden Wünsche und Anregungen der Fahrer mit in den Neuentwicklungen berücksichtigt?
Cyril Beaulie: Wir entwickeln alle Wettkampfmodelle zusammen mit unseren Athleten. Im Road- wie auch im Mountainbike-Bereich. Dies ist anders gar nicht mehr möglich.

tri2b.com: Fahren die Topfahrer auf maßgefertigte Rahmen? Wen ja, was ist daran anders?
Cyril Beaulie: Die Geometrien unserer Serienräder sind absolut identisch mit den Wettkampfrädern. Einzig bei den Sattelstützen gibt es Ausnahmen. Da gibt es schon den einen oder anderen Fahrer, der eine spezielle Sattelstütze mit mehr oder weniger Offset gebaut bekommt. Beim Layup (die Faserausrichtung), welche die Steifigkeit und das Gewicht eines Rahmens beeinflussen, machen wir jedoch spezielle Modelle für gewisse Fahrer. Sprinter fahren zum Beispiel andere Rahmen als Bergfahrer, wobei die Rahmen von außen nicht zu unterscheiden sind.

tri2b.com: Scott gilt im Carbon-Rahmenbau als Vorreiter. Sind die Grenzen für die Gewichtsoptimierung absehbar, oder werden unter 1000 Gramm-Rahmen auch bald im Mittelklassenbereich Einzug halten?
Florian Brugger: Mit unserem CR1 zum Beispiel sind wir bereits dort. Unser CR1 Rahmen mit HMX Faser liegt bei 860 Gramm. Mit der HMF Faser ist der Rahmen bei 950 Gramm. Alle unsere Einstiegsmodelle im Karbonbereich liegen deutlich unter der Kilogrenze.

tri2b.com: Beim Thema Gewicht fällt natürlich als Stichwort das UCI-Reglement. Durch die Reglementierung des Gesamtgewichts auf 6,8 kg und den Vorgaben in der Rahmengeometrie sind Entwicklungen ja nur in einem vorgegebenen Rahmen möglich. Wäre aus Sicht der Rahmenentwickler hier eine Änderung des Reglements wünschenswert, oder ist es gerade der Reiz die konstruktionsbedingten Grenzen im Rahmen der Vorgaben voll auszuschöpfen?
Cyril Beaulie: Der Reiz innerhalb vom UCI Reglement die Grenzen auszuloten ist sehr spannend. Einzig beim Gewicht macht eine Reglementierung des Gesamtgewichtes des Fahrrades in unseren Augen kein Sinn. Vielmehr wünschen wir uns ein Verfahren, wo jedes Modell oder Bauteil eine Zertifizierung durchlaufen muss bevor es im Wettkampf eingesetzt werden kann. Die UCI peilt dies auch in Zukunft an. Bleibt nur zu hoffen, dass irgendwann die Reglementierung des Gewichtes wegfällt.

tri2b.com: Hobbyathleten erhoffen sich von einer neuen Zeitfahrmaschine neben dem Fahrspaß natürlich vor allem schnellere Radzeiten. Gibt es Zahlen aus der Praxis, bzw. aus Tests im Windkanal , wie groß in etwa die mögliche Zeitersparnis (oder Einsparung an Watt) ist, wenn man die 180 km im Ironman mit einem gut eingestellten Zeitfahrrad absolviert, anstelle eines normalen Rennrads?
Cyril Beaulie: Das sind laut unseren Messungen im Windkanal von Drag2Zero Service im Mercedes-Benz Grand-Prix Wind Tunnel in Großbritannien, 15 bis 20 Watt beim Scott Plasma2 bei einem Winkel von 0-15° yaw (http://de.wikipedia.org/wiki/Roll-Nick-Gier-Winkel). Natürlich abhängig wie die Winkel sich zueinander verhalten.

tri2b.com: Gibt es auch Messwerte, wie viel z.B. innenverlegte Züge, aerodynamisch angepasste Bremsen an Watteinsparung bringen können?
Cyril Beaulie: 3 bis 5 Watt werden hier an Hebeln und Bremsen eingespart bei einem yaw von 0-15°.


tri2b.com: Stichwort Haltbarkeit. Verliert ein Carbonrahmen mit der Zeit an Steifigkeit?
Cyril Beaulie: Carbonfasern behalten ihre mechanische Korrektheit stabil über jeden Zeitraum. Es tritt keine Dehnung unter Last auf und auch keine plastische Deformierung. Tritt eine Veränderung am Rahmen auf, dann ist dies immer darauf zurückzuführen, dass ein Fehler in der Carbon-Struktur, zum Beispiel durch eine Beschädigung bei einem Sturz, aufgetreten ist.