Hochdruck: Das Prinzip der Kompressionsstrümpfe

von C. Wachter/tricomponents.info für tri2b.com | 18.09.2007 um 22:29
Was verbirgt sich hinter dem Konzept, durch leichten von außen einwirkenden Druck die Durchblutung der Unterschenkel und Füße anzuregen? Aus dem medizinischen Bereich kennen die meisten solche Beinbekleidung, doch auch im Sport ist die Kompression auf dem Vormarsch. Wir zeigen euch mit folgendem Artikel, was hinter dem Prinzip steckt und was es leisten kann – verbunden mit einem Test zweier Modelle der Firma cep – compression sportswear.

Wer hat sie nicht hier oder dort schon einmal bei Ausdauerläufern entdecken können? Vor allem der britische Marathon-Star Paula Radcliffe ist ein prominenter Träger von Kompressionsstrümpfen. Ab und zu und vor allem immer häufiger begegnen uns die knielangen Socken, die leichten Druck auf Unterschenkel und Füße ausüben und viele prompt an „Omas Thrombosestrümpfe“ erinnert. Wenn auch beiden das grundsätzliche Prinzip – nämlich über die Kompression der Muskeln deren Durchblutung zu fördern – gemein ist, so muss man sich doch bei den medizinischen und für den Sport zugeschnittenen Modellen im Klaren darüber sein, dass ganz bestimmte Effekte gewünscht werden. Trotz einiger grundsätzlicher Gemeinsamkeiten gibt es eben Unterschiede in den speziellen Einsatzgebieten, den Anforderungen an das Produkt und natürlich den Bedürfnissen des Trägers; hierbei wird deutlich, dass sehr wohl zwischen medizinischen und für den Sport zugeschnittenen Modellen unterschieden werden muss. 



Wirkweise 
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein bestimmter von außen auf die Muskeln einwirkender Druck zur Folge hat, dass sich die Arterien (sauerstoffreiches Blut fördernde, versorgende Adern) sowie die Venen (sauerstoffarmes, abtransportierende Adern) weiten. 

Im ersten Fall fand man heraus, dass solch eine Kompression eine Gegenreaktion der Ringmuskeln auslöst, die in der Arterienwand gelagert sind: Sie entspannen sich infolge des gesteigerten Umgebungsdruckes und bewirken hierdurch eine Erhöhung des Arteriendurchmessers – mehr sauerstoff- und nährstoffreiches Blut kann nun zum Muskelgewebe fließen. Durch diese gesteigerte Blutdurchflussrate muss schließlich auch mehr Blut aus den Muskeln wieder abtransportiert werden; das Mehr an Blut (nun sauerstoff- und nährstoffarm) bewirkt eine Weitung der Venen, die somit ebenso leistungsstärker werden. Während es in der Medizin neben diesem Effekt v.a. auch um die Entlastung des Lymphsystems geht, ist genau das beschriebene Wirkprinzip der interessante, entscheidende Faktor, der dem Athleten eine verbesserte Leistungsfähigkeit seiner Muskeln ermöglicht. 

Die besonderen Umstände, die den Sportler dabei begleiten, stellen dabei jedoch ebenso besondere Anforderungen an den Strumpf, welche bei medizinischer Verwendung weniger ins Gewicht fallen: Neben dem Tragekomfort ist es sicherlich das Mirkoklima, das es gilt, sinnvoll zu regulieren. Denn mehr Blut in den Beinen bedeutet natürlich, dass diese noch wärmer werden; da die Muskeln im Sport sowieso sehr warm sind, muss dafür Sorge getragen werden, dass sie nicht überhitzen und ihre Leistung wiederum beeinträchtigt wird. Daher ist es erforderlich, durch eine hohe Atmungsaktivität ein konstruktives Mikroklima um die Muskulatur herum aufzubauen. 

Ebenso erforderlich ist es im Sport, noch sensibler auf die durch die Belastung ohnehin sehr aktiven Muskeln einzugehen – der durch den gesteigerten Puls schon erhöhte Blutfluss und der in dieser Folge größere Druck in den Adern benötigen eine äußerst gezielte Einwirkung der Kompression. Bei der Kompressionswäsche geht es dabei jedoch nicht bloß um den Arbeitsdruck an sich, sondern auch um seinen Verlauf entlang des Kleidungsstückes: Analog zum Gewebedruck muss er von unten nach oben entgegen der Richtung der Schwerkraft abnehmen, um Stauungen im Unterschenkel zu verhindern. Doch auch der Druck selbst muss der richtige sein – ist er zu groß, wird der Blutfluss gemindert, ist er zu klein passiert selbiges. Anders in der Medizin: hier wird entsprechend der speziellen Behandlung mit einer noch größeren Variation an unterschiedlichen Drücken gearbeitet (es werden Kompressionsklassen von 1 bis 4 unterschieden), um eine leichte Durchblutung zu fördern (etwa nach Knochenbrüchen oder zur Prophylaxe für Reisethrombose) bis zu einer stärkeren Förderung des Blutflusses (z.B. zur Unterstützung des Stoffwechsels von geschädigtem Gewebe, etwa beim so genannten Raucherbein). Hier muss der Arbeitsdruck schon gezielt ausgewählt werden, da starke Kompression meist auch eine Einschränkung der Hautdurchblutung zur Folge hat. Im Sport gibt es hingegen eine wesentlich geringere Anzahl von Drücken, die für die Aktivität Sinn machen. 

Alles in allem ergeben sich v.a. zwei schlagende Vorteile für den Sportler: 
1.) Durch den gesteigerten arteriellen Blutfluss, gelangen mehr Nährstoffe und – für die Aktivität entscheidend – mehr Sauerstoff in die Muskeln. Ihre Leistungsfähigkeit wird dadurch gesteigert, ihre leeren Depots bei fortgeschrittener oder nach der Aktivität schneller wieder gefüllt. 

2.) Der gesteigerte venöse Abfluss des verbrauchten Blutes führt Abbauprodukte wie Laktat in kürzerer Zeit ab und beschleunigt die Verfügbarkeit von frischem, sauerstoffreichem Blut. Somit wird nicht nur das Leistungsvermögen der Muskeln gesteigert, sondern auch, eben durch den verbesserten Stoffwechsel, ihre Regenerationsdauer verkürzt. Bereits während der Belastung – aber vor allem nach ihr – kann ein Spannen der Muskulatur deutlich gemindert werden. 

Über die genannten Effekte hinaus bieten Kompressionsstrümpfe aber auch noch weitere Vorteile für den Athleten: 
Sein Verletzungsrisiko wird durch die Stabilisation des Sprunggelenkes vermindert, ebenso durch die Lockerung des Muskulatur-Bänder-Sehnen-Systems (hier ist auch eine prophylaktische Anwendung möglich) sowie durch eine Verbesserung der Propriozeption (= Koordination der Kraft, Bewegung und Richtung einer Bewegung durch Nervenfühler, welche durch die Kompression angeregt werden), was z.B die Gefahr des Umknickens senkt. Darüber hinaus werden Mikrovibrationen der Muskeln gemindert, die Muskelkontraktion durch die Wirkung der Kompressionsbekleidung als Widerlager noch effizienter gestaltet; dieses Prinzip wird beispielsweise auch häufig im Bereich der Schwimmanzüge angewandt. 

Es zeigt sich also, dass sich ein optimal konstruierter Kompressionsstrumpf universal einsetzen lässt: Vor der Belastung zur Aktivierung und Minderung des Verletzungsrisikos, während der Belastung zur Leistungsoptimierung, Stabilisierung und geringerer Muskelbelastung sowie nach ihr zur schnelleren Regeneration. 


Herstellung: 
In der Fertigung eines Kompressionsstrumpfes gibt es im Allgemeinen zwei Verfahren: Das eine ist das so genannte Rundstrickverfahren, bei dem ein nahtloser Schlauch hergestellt wird (was ein gleichmäßiges Spannungsniveau gewährleistet). Das andere wird als Flachstrickverfahren bezeichnet; hier wird das Beinkleid mit einer Naht zu einer Röhre zusammengeführt, was eine etwas bessere Anpassung an die Beinkonturen ermöglicht. Dabei wird stets ein Zweizugmaterial – für die Längs- und die Querdehnung – verwand, das heute aus einem synthetischen Kompressionsgewebe, z.T. mit speziell eingewobenem Kompressionsfaden besteht. Auch hier wird wieder der Unterschied zu den Thrombosestrümpfen aus früheren Tagen deutlich, da man damals leistungsärmeres Gummi als Zugmaterial benutzte und in seinen Eigenschaften nicht mit den modernen Kunststofffasern verglichen werden kann. 
Wichtig für die Wirkung eines Strumpfes ist seine Passform. Da ja ein definierter Druck aufgebaut werden muss, werden sie in der Medizin meist maßangefertigt. Im Sportbereich dienen Tabellen zur Auswahl der optimalen Größe.