Laufschuhentwicklung: Triathleten sind offener für innovative Konzepte

von tri2b.com | 06.02.2014 um 00:00
Jetzt beginnt die Zeit, in der im Sportfachhandel die neuen Laufschuhmodelle der Saison 2013 in die Regale kommen, damit rechtzeitig zum Start in die neue Saison Triathleten und Läufer ihr Wunschmodell aussuchen können. Doch bis der fertige Schuh im Regal beim Händler steht, gibt es eine lange Vorlauflaufzeit. Wir haben mit David Borrmann, Produktmanager bei Scott Sports im schweizerischen Givisiez, über die Entwicklungsschritte neuer Laufschuhe und die aktuellen Tendenzen im „Running-Markt“ gesprochen.

tri2b.com: Wie lange ist die Dauer für die Entwicklung eines neuen Laufschuhs, wenn es sich nicht um ein Update, sondern um eine komplette Neuentwicklung handelt?
David Borrmann (D.B.): Die Zeitdauer bei der Entwicklung variiert sehr stark von der Arbeit der involvierten Biomechaniker sowie der ausgewählten „Weartester“, dessen Feedback nach dem Test erster Prototypen von allerhöchster Priorität ist. Von einer Idee beziehungsweise der Vision des perfekten Laufschuhs kann es schon einmal bis zu 3 oder 4 Jahre dauern, bis ein Modell in Serie geht und im Karton beziehungsweise im Schuhregal beim Fachhändler steht. Insgesamt sind über 200 Arbeitsschritte notwendig, bis der Laufschuh kommerzialisiert ist. Gemäß unserem Leitmotiv „Innovation, Technology, Design“ gibt es hierbei also genügend Phasen und Ansatzpunkte, den Prozess zu beschleunigen beziehungsweise zu verlangsamen, ehe sich Biomechaniker, „Weartester“ und der Produktmanager einig sind und schließlich grünes Licht für eine Serienproduktion geben.

Die wesentlichen Arbeitsschritte im Rahmen der Entwicklung neuer Laufschuhe lassen sich in 4 Kernphasen skizzieren: Design, Entwicklung, Testphase - im Labor und an den Füßen - und Produktion. Betreffend der Produktion lassen sich diese Arbeitsschritte wiederum wie folgt beschreiben: Nähen, formen, zusammenfügen, verpacken und zuletzt die Qualität kontrollieren.

tri2b.com: Woher holen sich die Produktentwickler den Input für Neuentwicklungen. Wie stark ist beispielsweise der Einfluss der Rückmeldung der Athleten?
D.B.: Unsere Produktentwickler, Designer und alle weiteren am Prozess beteiligten Mitarbeiter sind aktive Läufer und sprechen daher die gleiche Sprache wie „Weartester“, Athleten und Kunden. Unser Ziel, die Entwicklung attraktiver und leichtgewichtiger „Performance-Laufschuhe“, ist nur im Erfahrungsaustausch mit Athleten und Kunden zu realisieren.

tri2b.com: Was ist das Besondere an der 2013er Scott-Laufschuh-Kollektion?
D.B.: Unsere „DNA“ findet sich im Herzen eines jeden Laufschuhs, der Zwischen- und Außensohle. Die mehrfach ausgezeichnete Rocker-Geometrie ohne Aussparungen im Mittelfußbereich erhöht zum einen die Stabilität im Mittelfußbereich, zum anderen ermöglicht sie dem Läufer - unabhängig seines Laufstils (Fersen-, Mittelfuß- oder Vorfußläufer) - ein natürlich-effizientes Abrollverhalten. Diese sogenannte eRide-Technologie findet sich in jedem Laufschuh unserer aktuellen Range wieder. Bei den Triathleten und ambitionierten Läufern wird sich sicher die Neuauflage unseres T2C, der T2c Evo, großer Popularität erfreuen.

tri2b.com: Immer wieder ist von Endverbrauchern die Kritik zu hören, dass die Laufschuhe sehr billig in China hergestellt werden und dann in Europa teuer verkauft werden. Wie aufwendig ist die Herstellung eines guten Laufschuhs wirklich? Wäre es überhaupt möglich einen Laufschuh zur derzeitigen marktüblichen Kernpreislage (120,00-150,00 Euro) mit einer Produktion in Europa herzustellen?
D.B.: „Billig“ ist relativ, und ohne Zweifel ließe sich heutzutage kaum ein qualitativ hochwertiger Laufschuh zu einem konkurrenzfähigen Preis in Europa produzieren. Auch wir orientieren uns anhand der Nachfrage, und der Konsument von heute ist nicht gewillt, 400-500 Euro für einen in Europa produzierten Laufschuh auszugeben. Flankierend zu einer günstigen Kostenstruktur sind aber auch weitere Parameter wie Flexibilität, das in China allgemein vorhandene Know-How im Footwear-Bereich, sowie das große Netzwerk der zahlreichen Zulieferbetriebe für eine Produktion in China ausschlaggebend. Zu guter Letzt sei mir aber auch der Hinweis erlaubt, ob sich die Millionen i-Phone- und Smartphone-Besitzer mit dieser Sourcing-Thematik ebenso beschäftigen, oder weniger…?

tri2b.com: Was muss heutzutage ein Laufschuh mitbringen, damit er ein „Bestseller“ wird?
D.B.: Ein Laufschuh, der flach, leicht und flexibel ist und darüber hinaus auch vom Design her dem Trend der Zeit entspricht, hat gute Chancen zum „Bestseller“ zu avancieren.

tri2b.com: Gibt es Unterschiede je nach Absatzgebiet, beispielsweise Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern hinsichtlich der nachgefragten Eigenschaften, wie ansprechendes Design, verwendeten Materialien, Komforteigenschaften?
D.B.: Insbesondere in der Beurteilung des Designs, vor allem bei der Farbwahl, variieren die Geschmäcker. Kriterien wie „flach, leicht und flexibel“ dürften hingegen aber quer durch Europa eher zu einer positiven Interpretation und Beurteilung des Laufschuhs führen.

tri2b.com: Aktuell ist „flach“ beziehungsweise das Thema Sprengung, wenn es um Laufschuhe geht, in aller Munde. Wie steht Scott zum derzeitigen Trend, die Schuhe möglichst flach zu bauen?
D.B.: Dem Zauberwort „Natural Running“ in 2011 folgte in 2012 die lebhafte Diskussion um die perfekte Sprengung in einem Laufschuh. Flache Sprengungen und minimalistische Bauweisen setzen gewisse Voraussetzungen und Qualitäten des Läufers voraus. Bei Übergewicht, ausgeprägten Fußfehlstellungen sowie Senk-Spreizfüßen ist vom Gebrauch flacher Schuhe sicherlich abzuraten. Bei unseren Schuhen hat das ganzheitliche Konzept, die richtige Geometrie, höchste Priorität. Verschiedene Sprengungen sind davon nur ein Bestandteil.

tri2b.com: Wie schwer ist es, im umkämpften Laufschuhmarkt Fuß zu fassen? Schließlich wird Scott eher als Hersteller für Rad- und Skiausrüstung wahrgenommen und die Konkurrenz der alt eingeführten Marken ist groß.
D.B.: Im Gegensatz zu den zahllosen Erfindungen der „eingeführten Marken“, die eher Marketing-Charakter haben und nur 2 bis 3 Saisons überleben, bieten wir mit der eRide-Geometrie ein eigenständiges und ganzheitliches Konzept an, dessen Nutzen schon bei der ersten Anprobe spürbar ist. Zu 2013/14 sehen wir im Markt immer mehr Schuhe mit ähnlicher Geometrie. In puncto Sourcing/Produktion, Distribution und vom Image her ist es sicher eher von Vorteil, ein etablierter Hersteller diverser Sportartikel zu sein. Alleine am Schweizer Standort Givisiez, der Zentrale der SCOTT Sports SA im Kanton Fribourg, sind zurzeit aktuell circa 30 Ingenieure mit der Entwicklung von Innovationen und Weiterentwicklung diverser Sportartikel beschäftigt.

tri2b.com: Stichwort Triathlon: Gibt es Unterschiede zwischen Triathleten und reinen Läufern bei der Auswahl der Laufschuhe. Wenn ja, welche?
D.B.: Im Gegensatz zu dem klassischen Fitness-Läufer sind Triathleten prinzipiell an innovativen Konzepten interessiert und für etwas ausgefallenere Design- und Farbkonzepte offen. Mit dem T2 Pro, seinem in der Zwischensohle integrierten Drainage-System und dem offenen Ferseneinstieg, haben wir bereits 2010 einen durchaus triathlon-affinen Schuh kommerzialisiert. Auch die heutigen Varianten des T2’s, des T2C Evo sowie des T2 Pro in seiner Neuauflage, werden wir gewiss an den Füßen von Triathleten im In- und Ausland sehen. Mit dem Race Rocker, einem absoluten Leichtgewicht mit nur 185g bei US-Größe 9, haben wir auch noch eine schnellere, flachere und flexiblere Alternative im Portfolio, die eher den Triathleten auf der Kurz- und der Olympischen Distanz ansprechen wird.