Marathonläufer, die auf der Rennstrecke viel Wasser trinken, können damit ihr Leben gefährden. Das fanden Ärzte der University of California in San Francisco heraus, als sie vor einigen Jahren schwer erklärbare Todesfälle bei Läufern untersuchten. Die Sportler hatten Wasser und Salze ausgeschwitzt, den Flüssigkeitsmangel aber offenbar nur mit salzlosem Wasser ergänzt. Durch den entstandenen Mangel konnte Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in das Gewebe von Lunge und Hirn übertreten, Ödeme führten schließlich zum Tod.
Gefährliche Parolen aus dem Internet
Früher, berichtet Dr. Lewis Maharam, medizinischer Leiter beim New York City Marathon, zählte die Mehrheit der Teilnehmer eines Marathons zu den erfahrenen Läufern. Heute seien viele Sportler Neulinge mit wenig Praxis. Auch in Deutschland erlebt die Ausdauer- und Marathonbewegung einen Boom: 81499 Teilnehmer verzeichneten zusammengenommen die zehn größten Marathonveranstaltungen in Deutschland im vergangenen Jahr, von Berlin über den Rennsteig bis nach Duisburg.
Mit diesem Run auf den Run kann die läuferische Erfahrung selten Schritt halten. Statt sich allmählich an die große Herausforderung heranzutasten, suchen Marathon-Novizen in Foren des Internet nervös um Rat. Der fällt nicht immer fundiert aus und lautet oft: Trinken, was reingeht. In den Tagen vor dem Rennen, währenddessen und nachher, nicht erst mit sondern vor jedem Durstgefühl.
"Menschen sind keine Kamele"
Solche Parolen bezeichnet der südafrikanische Sportwissenschaftler Tim Noakes als gefährlichen Unsinn: Menschen seien keine Kamele und könnten folglich kaum Wasser speichern. Die Empfehlung, in den letzten zwei Stunden vor dem Startschuss „vorzutrinken“, um im Rennen genug körpereigene Wasserreserven zu haben, führe lediglich zu einer vermehrten Ausscheidung über die Nieren. Im schlimmsten Fall könne es aber auch eine Wasservergiftung einleiten, sagt Noakes. Normalerweise sei das Durstgefühl ein guter Regulator für den Flüssigkeitsbedarf des Körpers.
Überschwemmungsgefahr
Die Gefahr liegt in Salzverlusten, die der Körper nicht zurückbekommt. Schweiß besteht zu knapp 98 Prozent aus Wasser ansonsten vor allem aus Natrium und Chlorid, Kalium, Kalzium und Magnesium in dieser absteigenden Reihenfolge. Die Verluste beim Schwitzen stammen überwiegend aus der Blutbahn. Weil Salze – vor allem Natrium – Wasser physikalisch binden, bedeutet jeder Salzverlust eine geringere Fähigkeit, Flüssigkeit im Gefäßsystem festzuhalten.
Wird jetzt viel Wasser getrunken, gelangt das über den Darm zunächst in die Blutgefäße, sickert aber kurz darauf schon in das umliegende, noch salzreichere Gewebe. Die Folge: Als erstes lässt die Leistung nach, dann schwellen die Hände und Füße an. Später tritt Wasser in das Lungengewebe über und kann Atemnot verursachen. Besonders kritisch aber wird die Überschwemmung mit Wasser für das Gehirn, denn für Schwellungen ist im Schädel überhaupt kein Platz. Hirnödeme führen zwangsläufig zu erhöhtem Schädelinnendruck mit Bewusstseinsstörungen, Schwindel, Erbrechen und Krämpfen und im schlimmsten Fall zum Koma und Tod.
Getäuschte Athleten, irregeleitete Rennärzte
Tückisch für den Athleten kann es werden, wenn die verringerte Natriumkonzentration im Blut (Hyponatriämie) den „Durstzentren“ im Gehirn vorspiegelt, es bestehe kein Mangel, sondern eher ein Überschuss im Flüssigkeitshaushalt. Dann wäre gänzlich Schluss mit der gesunden Regulation des Dursts. Und irreführend für die Rennärzte: Die Symptome der Hyponatriämie ähneln denen einer Austrocknung (Dehydrierung). Infusionen mit der üblichen isotonen Salz- und Glucosekonzentration würden den Zustand schnell verschlechtern. Ausgerechnet die medizinische Notfallbehandlung könnte zur Verschärfung der Lage, im schlimmsten Fall zum Tod führen.
Der Ärztliche Direktor des 1. Ironman Germany Triathlon in Frankfurt, Dr. Klaus Poettgen berichtete im vergangenen August von zwei Fällen bedrohlicher Hyponatriämie bei Teilnehmern der mehr als zehnstündigen Hitzeschlacht. Poettgen’s Rennärzte bestimmten den Natriumgehalt im Blut der Sportler, er war kritisch erniedrigt. Die Athleten erhielten danach Infusionslösungen mit gut dem zehnfachen Natriumgehalt des physiologischen Wertes von 0,9 Prozent, um das Wasser im Gefäßsystem zu binden. Ähnliche Fälle von Hyponatriämie seien, zitiert Poettgen in seinem Bulletin das amerikanische Journal of Emergency Medicine, schon drei Tage lang auf Intensivstationen künstlich beatmet worden.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Zahlreiche Studien haben ergeben, dass ein Getränk mit einem geringen Salz- (ca. 1,2 bis 2g/l) und Zuckerzusatz (50 bis 100g/l) während sportlicher Belastung schneller vom Darm aufgenommen wird als reines Wasser. So kann gleichzeitig dem hohen Energiebedarf und der sensiblen Salzbalance Rechnung getragen werden. Rennarzt Maharam empfiehlt Marathonläufern außerdem, der Hyponatriämie durch eine etwas salzreichere „Henkersmahlzeit“ vor dem Rennen vorzubeugen und nur dann Wasser zu trinken, wenn ihnen das Gefühl sagt, dass sie es brauchen.
Mehr als 800 Milliliter pro Stunde sollten es unter gemäßigten Klimabedingungen nicht werden, rät Maharam seiner Marathonklientel – für sommerliche Triathlon- Hitzeschlachten lägen die Empfehlungen sicher etwas höher. Wenn der Körper aber während einer zwei- bis dreistündigen Belastungen in ein kleines Flüssigkeitsdefizit von einem oder zwei Litern gerät, ist das weniger gefährlich als eine Vergiftung mit Leitungswasser.
Etwas Schwund, seien wir ehrlich, gehört für Triathleten natürlich dazu. Eisenfrauen und -männer wissen übrigens – die gute, salzige Hühnerbrühe ist im Ziel eines Ironman oft das erste, worauf sie Lust verspüren.
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