Das Triathlonjahr 2020: Der Rückblick auf eine (fast) ausgefallene Saison

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 31.12.2020 um 12:53
Was hätte 2020 für ein Triathlonjahr werden sollen. Olympia in Tokio. Jan Frodeno, Sebastian Kienle und Anne Haug in Roth. Ironman Hawaii mit zwei deutschen Titelverteidigern … . Die Überschriften für neue deutsche Triathlon-Heldentaten waren fast schon vorformuliert. Es kam leider ganz anders. Ein mikroskopisch kleines Virus legte die komplette Welt und damit auch den Triathlonsport in den Lockdown. Trotz der aufgrund der Corona-Pandemie fast flächendeckenden Absagen gab es noch einige echte Highlights zu vermelden. Unser Jahresrückblick …

 

Januar 2020:

 

Los ging das Triathlonjahr 2020 wie in all den Jahren. Hinter den Kulissen wurde ordentlich gearbeitet. So richtete mit dem Jahresstart die Challenge Family ihre Führungsriege neu aus und wird fortan vom niederländischen Almere gelenkt, die Challenge Heilbronn versprach ein neues Wechselzonenkonzept und das Spoosty Triathlon Team ging mit großen Ansprüchen an den Start. Aus Roth kam das Signal, dass auch 2020 das Rennen aus dem fränkischen Triathlon-Mekka wieder komplett live vom BR Fernsehen übertragen wird. Außerdem trat die Professional Triathletes Organisation (PTO) erstmals in den Blickpunkt, als sie für Ende Mai die Durchführung des ersten Collins Cup in Samorin mit einem Rekordpreisgeld von 2 Millionen US-Dollar ankündigte.

Sportlich ging es ebenfalls noch „normal“ in die neue Saison. Den ersten ernsthaften Formtest beim Ironman 70.3 South Africa entschieden Matt Trautman (RSA) und Flora Duffy (BMU) für sich. Und beim Dirty Race in Murr hießen die Sieger Malte Plappert und Katharina Wolff.

 

Februar 2020:

 

Auch der Februar startete noch (fast) wie immer. Beim Ironman 70.3 Dubai zeigten Bart Aernouts (BEL) und Imogen Simmonds (SUI) eine tolle Frühform und im Wintertriathlon wurden im italienischen Asiago die Weltmeister gekürt. Tolle Bilder gab es wie immer vom Lake Wanaka in Neuseeland, wo sich Braden Currie (NZL) und Radka Kahlefeldt (CZE) die Challenge-Siege holten. Aus Roth kam die Meldung vom erneuten Hammerduell zwischen Jan Frodeno und Sebastian Kienle. Die Personalmeldung des Monats war der Wechsel der Hawaii-Vierten Laura Philipp vom Team Erdinger Alkoholfrei zum hep Sports Team.

Im Hintergrund pirschte sich aber bereits das Corona-Virus heran. Die erste Rennabsage kam direkt aus dem chinesischen Wuhan, von wo die Pandemie wohl ihren Ausgang nahm.  Es folgte die Absage der Xterra Asia-Pacific Championship in Taiwan. Ende des Monats war das Corona-Virus dann schon im Mittleren Osten angekommen. Nach dem Abbruch der UCI Tour in Abu Dhabi folgte auch die vorläufige Verschiebung der dortigen World Triathlon Series.

Große Pläne veröffentlichte der Extremsportler Jonas Deichmann. Ab dem Sommer soll es von München aus in den drei Triathlon-Disziplinen um die Welt gehen.

 

März 2020:

 

Der erste März-Aufreger war dann allerdings das leidige Doping-Thema. Der Bamberger Chistopher Dels musste seinen Ironman Hawaii Agegrouper WM-Titel wieder abgeben, da er im Vorfeld seines Qualirennens beim Ironman Texas ohne medizinische Ausnahmegenehmigung (TUE) eine Infusion erhielt, die als verbotene Methode gewertet wurde.  

In der ersten Märzhälfte gab es außerdem auch noch sportliche Schlagzeilen. Joe Skipper (GBR)  und Theresa Adams (NZL) holten sich beim Ironman Neuseeland die ersten Ironman-Siege des Jahres und sollten diese Auszeichnung nun bis in den Herbst tragen. Los ging es auch im ITU Weltcup im australischen Mooloolaba, wo sich Vicky Holland (GBR) und Ryan Sissons (AUS) die Siege sicherten.

Drei Tage später war dann Corona das bestimmende Thema. Der Triathlon-Terminkalender wurde zur Corona-Rochade. Termine wurden munter hin und her geschoben und auch erste Totalabsagen wurden publik. In der letzten Märzwoche ging es dann Schlag auf Schlag. Als erstes wurden die Olympischen Spiele in Tokio auf 2021 verschoben. Es folgte die Absage des Ironman Lanzarote, der damit das Corona-Aus der großen europäischen Triathlonrennen einläutete. Nur einen Tag später folgte die bewegende Absage der Challenge Roth.

Von nun an war während des ersten Lockdowns #trainingathome angesagt. Das Netz wurde regelrecht von virtuellen Workouts für ein definiertes Sixpack geflutet. Zum Monatsende ging es auch um das ganz große Geld. Die Wanda Group verkaufte die Marke Ironman an die US-amerikanische Unternehmensgruppe Advance für geschätzte 730 Millionen US-Dollar.

 

April 2020:

 

Humor in Corona-Zeiten erlaubte sich Andi Böcherer mit seinem Aprilscherz, in dem er den Wechsel zum Modernen Fünfkampf bekanntgab, um sich den Traum von einer Olympiateilnahme zu erfüllen. Zum Lachen gab es ansonsten nicht viel. Ironman sagte alle europäischen Rennen bis Ende Juni ab und übertrug die bezahlten Startgelder der Teilnehmer auf die neuen Termine oder bot Alternativtermine an, was für Unmut unter manchen Gemeldeten sorgte. Sportlich setzte Ironman auf seine virtuelle VR-Serie, in der nun wöchentlich ein Triathlon bzw. Duathlon über unterschiedliche Distanzen absolviert werden konnte und sich die Bestenlisten schnell mit allerlei weltrekordverdächtigen Leistungen füllten.

Rekordmäßig war auch Jan Frodeno unterwegs. Der dreimalige Ironman Hawaii-Sieger absolvierte in seinem Haus in Girona einen kompletten Ironman und sorgte dafür auch für reichlich Aufsehen außerhalb der Triathlonszene.  

Eine weitere positive Meldung war zweifelsohne auch das Inkrafttreten der STVO-Novelle, die nun zwei Meter Mindestabstand beim Überholen von Radfahrern außerorts verpflichted vorschreibt. Ansonsten hagelte es weitere schmerzvolle Absagen: World Triathlon Hamburg, Allgäu Triathlon, The Championship Samorin, und, und, und … . Kurz vor dem Monatswechsel meldet sich wieder die PTO zu Wort. Bei einer eigenen WM soll bei der Challenge Daytona Anfang Dezember ein Rekordpreisgeld von 1.000.000 US-Dollar an die weltbesten Triathleten ausgeschüttet werden.

 

Mai 2020:

 

Nachdem erste Corona-Lockerungen die Runde machten, schmiedete so mancher Veranstalter neue Pläne für die zweite Saisonhälfte. Der waagemutigste war dabei die geplante Doppelveranstaltung aus World Triathlon Hamburg und Ironman Hamburg an einem Wochenende.  Bis Mitte des Monats dauerte es, bevor die lange überfällige Absage des Ironman Hawaii 2020 folgte. Die Ironman-Macher verschoben das Rennen zunächst auf den 6. Februar 2021 – eine Winter Ironman-WM, so wie in den Gründerzeiten.

Außerdem wurden nun im Triathlon auch Pläne laut, zumindest für die Profis einige Rennen durchzuführen. Die Challenge Family Championship in Samorin sollte so im August über die Bühne gehen.

Von der Triathlon-Bühne ging es für Faris Al-Sultan. Der Bundestrainer und die DTU verständigten sich zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung. Al-Sultan hatte im Vorfeld via Twitter immer wieder die seiner Meinung nach völlig übertriebenen Corona-Maßnahmen kritisiert. wovon sich die DTU distanzierte. Offiziell soll die Vertragsauflösung nichts mit Al-Sultans getätigten Aussagen als Privatperson zu tun haben.

 

Juni 2020:

 

Im Juni war coronamäßig erstmals etwas Durchschnaufen angesagt. Es folgten zwar weitere Absagen, wie zum Beispiel die Xterra WM auf Maui, ansonsten war das Schlagwort nun „Hygienekonzept“. Wie kann ein Triathlon stattfinden, ohne Teilnehmer und Beteiligte einem erhöhten Corona-Infektionsrisiko auszusetzen?  Vor allem in Sachsen gingen Veranstalter hier sehr aktiv voran. Der Sachsenring Triathlon und der KnappenMan sorgten hier mit ihren Konzepten für positive Schlagzeilen. Ende Juni, kurz vor dem eigentlichen Ironman Frankfurt Termin, folgte nun auch endgültig die Absage für den lange offen gehaltenen Herbsttermin in der zweiten Septemberhälfte. Triathlon aus Frankfurt gab es trotzdem. Das hr Fernsehen übertrug am „längsten Tag des Jahres“ seinen hessischen Sporttag mit einer Triathlonstaffel, bei der u.a. Andreas Raelert, Patrick Lange und Anne Haug an der Startlinie standen.  Bad News gab es zum Monatsende dann auch noch aus der Schweiz. Sebastian Kienle brach sich bei einem Radsturz während seines Trainingslagers das linke Schlüsselbein.

 

Juli 2020:

 

Sommer, Sonne, … . Im Juli ist normalweise Triathlon-Hochsaison. Doch 2020 ist alles anders. Trotz vieler durchdachter Hygienekonzepte wurden vielen Veranstaltern die Genehmigungen verwehrt oder die hohen Auflagen machten eine Durchführung unmöglich. Echte Triathlon-Finisher gab es aber trotzdem zu vermelden. Die Rennen in Gmunden, am Thumsee, beim Mostiman und in Leipzig gehörten zu den ersten wieder durchgeführten Veranstaltungen. Für Großveranstaltungen sah es aber weiterhin schlecht aus – sowohl hierzulande und auch weltweit. Deshalb war die endgültige Absage des Ironman Hawaii und der Ironman 70.3 WM die logische Konsequenz.  

Sich nicht einfach so den Corona-Maßregeln ergeben wollte sich Gérald Iacona, der Macher des legendären Embrunman in den französischen Alpen. In der Manier eines kleinen unbeugsamen gallischen Dorfes kämpfte der Franzose für seine Veranstaltung – am Ende leider ohne Erfolg. Ein Sinbild für die immer wieder neuen Hoffnungen und Zielsetzungen im Triathlonjahr 2020, die leider meistens unerfüllt blieben.

 

August 2020:

 

Auch im August konnten zumindest einige kleine Triathlonrennen durchgeführt werden. In Österreich wurden am Thiersee die Staatsmeister über die Olympische Distanz gekürt, der KnappenMan ging über die Bühne. Die dortige Langdistanz sollte die einzige in Deutschland im Jahr 2020 sein. Grünes Licht gab es für das World Triathlon Profirennen in Hamburg, das von der Alster in den Stadtpark verlegt wurde. Kurzfristig bekamen die Hamburger auch noch den Zuschlag für die WM, da keine weiteren World Triathlon Rennen mehr in der Saison 2020 durchführbar waren.

Eine sehr traurige Nachricht mussten wir Mitte August überbringen. Die Braunschweigerin Nina Kraft, die in ihrer Karriere neun Ironman-Rennen gewann, verstarb im Alter von nur 51 Jahren.

Ohne Happyend endete das Bemühen der Veranstalter der Challenge Davos. Nachdem sich unter strengen Corona-Hygienemaßnahmen ein Weltklassefeld angekündigt hatte, sorgte ein Gewitter kurz nach dem Rennstart für den Abbruch.

Neues gab es auch von Jonas Deichmann zu vermelden. Aus dem Triathlon rund um die Welt wurde wegen Corona erstmal noch nix. Als Warmup ging es deshalb im August erstmal rund um Deutschland.

 

September 2020:

 

Am ersten Septemberwochenende war triathletischer Ausnahmezustand. WM in Hamburg, Ironman in Tallinn und Gdynia, Langdistanz in Podersdorf. In Hamburg siegten auf der Sprintdistanz Vincent Luis (FRA) und Georgia Taylor-Brown (GBR). Die Potsdamerin Laura Lindemann erkämpfte sich Rang drei. Beim Ironman 70.3 Tallinn feierten Sebastian Kienle und Andi Dreitz mit den Rängen zwei und drei ein tolles Wettkampf-Comeback. Ebenfalls in guter Form zeigten sich Patrick Lange (3.) und Carolin Lehrieder (2.) beim Ironman 70.3 Gdynia.

Und die Raceaction ging weiter. Anne Haug gewann im französischen Royan und beim lange geheim gehaltenen Profirennen im Rahmen des Ratingen Triathlon gab es mit Gustav Iden (NOR) und Lisa Norden (SWE) zwei hochdekorierte Sieger.

Nach einem halben Jahr Wartezeit konnte mit dem Ironman Cairns in Australien außerdem das zweite Ironman-Saisonrennen mit Profibeteiligung ausgetragen werden. Max Neumann (AUS) und Amelia Watkinson (NZL) trugen sich am Great Barrier Reef in die Siegerlisten ein. Goodbye sagte Fredrik Van Lierde. Der Belgier, der 2013 den Ironman Hawaii gewann, beendete mit einem Einladungsrennen in seiner Heimatstadt seine Karriere als Triathlonprofi.

Endlich los ging es Ende September auch für Jonas Deichmann. Bei Sauwetter startete der Extremsportler vom Münchner Odeonsplatz aus seine triathletische Weltumrundung …

 

Oktober 2020:

 

Normalerweise ist mit dem Ironman Hawaii der Oktoberrückblick mehr als in trockenen Tüchern. Diesmal blieb nur der Rückblick auf vergangene Kona-Sternstunden. Sportlich sorgten im ITU Weltcup Lisa Tertsch und Tim Hellwig mit Topplatzierungen auf Sardinien für Schlagzeilen. Anne Haug machte wieder einen Abstecher nach Frankreich und siegte in Cannes bei den Skoda Trigames. Ansonsten liefen vor allem die Planungen für 2021. In Roth wird eifrig an einem Hygienekonzept gearbeitet, dass die 2021er Austragung ermöglichen soll. Außerdem soll beim FrankenMan in der Nähe von Würzburg eine zweite Langdistanz auf fränkischem Boden stattfinden. Kurz vor dem Lockdown-Light, mit dem auch alle Sportveranstaltungen wieder verboten wurden, ging der verschobene Eifeler Crossduathlon über die Bühne. Mathias Frohn durfte sich über einen Heimsieg freuen, Kristina Ziemons gewann überlegen.

Ebenfalls aus Roth kam die für viele motivierende Botschaft, dass Träume nicht abgesagt werden können. Beim „Dreams cannot be cancelled run“ geht es rund um den Jahreswechsel virtuell wahlweise über 5, 10 oder 21,1 km ins hoffentlich bessere 2021.

 

November 2020:

 

Von einem erfüllten Traum erzählte auch unsere Story „Der Ironman von Peking“. Der Agegrouper Jochen Nippel organisierte sich mitten in Peking seinen ganz persönlichen Ironman, nachdem alle eigentlich geplanten Rennen nach und nach abgesagt wurden.

Triathlon-Profisport im Liveformat gab es in Valencia und in Panama City. In Valencia gastierte der ITU Weltcup. Lisa Tertsch verabschiedete sich dort mit einem starken dritten Rang in die Winterpause. Und in Florida war Ironman angesagt. Andi Dreitz war dort lange auf Siegkurs bevor er im Marathon noch ein US-Trio mit Chris Leiferman, Matt Hanson und Sam Long ziehen lassen musste. Die größten Schlagzeilen machte aber der 21-jährige Chris Nikic. Der junge US-Amerikaner ist der erste Mensch, der trotz Down-Syndrom einen kompletten Ironman gefinishte.

In Daytona liefen derweil die Vorbereitungen für den PTO Championship-Showdown, bei dem zwölf deutsche Triathlonprofis um die nun 1.150.000 US-Dollar Preisgeld kämpfen dürfen. Auf Kurs ist auch Weltumrunder Jonas Deichmann, der Ende November nach 450 km Schwimmen entlang der Adriaküste in Dubrovnik wieder aufs Rad wechselte.

 

Dezember 2020:

 

Die erste Dezemberwoche steht ganz im Zeichen der PTO Championship in Daytona. Drama pur gab es vom Daytona International Speedway zu vermelden. Bei den Frauen kämpfte sich eine entfesselnd laufende Anne Haug noch auf Rang zwei hinter Siegerin Paula Findlay, nachdem sie beim Radfahren eine Penalty erhalten hatte. Im Sog der Bayreutherin rannte Laura Philipp auf Rang zwei.

Noch spannender war das Finale des Männerrennens, bei dem im Minutentakt die Spitzenpositionen wechselten, bevor Gustav Iden (NOR), Matt Hanson (USA) und George Goodwin (GBR) das Podium erstürmten. Andi Dreitz gelang als einzigem Deutschen als Zehnter der Sprung in die Top Ten.

Sebastian Kienle, der eigenen Aussagen zufolge im Vorfeld in der „Form des Lebens“ war, musste das Rennen, u.a. geschwächt von einer Erkältung, aufgeben. #fuck2020 ….

2021 kann es eigentlich nur besser werden!!!

Wir wünschen euch das Beste fürs neue Jahr. Bleibt gesund!